Desktop-Version

Start arrow Sozialwissenschaften arrow Die Wirkmächtigkeit unternehmensethischer Managementkonzepte

  • Increase font
  • Decrease font


<<   INHALT   >>

8.1 Themensetzungsanalyse zu Deutungs- und Handlungsorientierungen im Alltag von Mitarbeitern

Mit einer Themensetzungsanalyse zum dritten Bezugsproblem erfolgt eine erste Annäherung an die Frage nach Ordnungsregeln und Handlungsorientierungen im Alltag von Mitarbeitern. Zielsetzungen, Entscheidungen und Kontextbedingungen des Geschäftsprozesses „Einkauf von Bauleistungen“ im Unternehmen EFS werden daraufhin befragt, welche Leitideen die Befragten in Begründungen und Stellungnahmen thematisieren. Die nachfolgende Tabelle verdeutlicht die Verteilung der Themensetzung im Material:

Themencluster III.1:

Leitideen im Geschäftsprozess

Thema in Interviews Leitungspersonal EFS

Thema in Interviews EFS insgesamt

Anzahl der Sequenzen

Wirtschaftlichkeit

4

6

31

Integrität

5

7

37

Tabelle 13: Leitideen im Geschäftsprozess

Quelle: Eigene Darstellung

Die Befragten begründen Verhalten und Entscheidungen mit den Kriterien, die der Leitidee Wirtschaftlichkeit und Integrität zuzuordnen sind. Sie thematisieren beide Bezugnahmen in vergleichbarer Häufigkeit. Ebenso wie bei der Betrachtung des ersten Bezugsproblems in der Makroanalyse fällt auf, dass die Leitideen parallel im Material vorkommen (vgl. Abschnitt 6.1), d.h. die Befragten formulieren Begründungen und Stellungnahmen mit Bezug auf beides, eine soziotypische Verteilung ist im Material nicht zu erkennen. Die Leitidee Wirtschaftlichkeit dokumentiert sich im Material dabei in Stellungnahmen und Begründungen, die Sachfragen des untersuchten Geschäftsprozesses „Einkauf von Bauleistungen“ thematisieren. Die Reflexion zugrundeliegender Prinzipien und deren interne sowie externe Anerkennung erfolgt dagegen typischerweise unter Bezugnahme auf Integrität.

In einem weiteren Durchgang durch das Material wurden Stellungnahmen und Begründungen identifiziert, die die Handlungsrelevanz unternehmensethischer Normen thematisieren. Dabei wurden Äußerungen aller Befragten des Samples[1] in die Betrachtung einbezogen. Tabelle 14 verdeutlicht die Verteilung der Themensetzung im Unternehmen EFS sowie in der Vergleichsgruppe:

Themencluster III.2: Handlungsrelevanz der unternehmensethischen

Normen [2]

Thema in Interviews EFS

Anzahl Sequenzen EFS

Thema in Interviews Vergleichsgruppe

Anzahl Sequenzen Vergleichsgruppe

Richtungsweisende Leitidee

13

34

4

12

Etikett in der Kommunikation

11

23

2

5

Tabelle 14: Handlungsrelevanz unternehmensethischer Normen

Quelle: Eigene Darstellung

Die Befragten thematisieren die Handlungsrelevanz der unternehmensethischen Normen mit zwei unterschiedlichen Bezugnahmen. Sowohl bei EFS als auch in der Vergleichsgruppe werden unternehmensethische Normen am häufigsten im Sinne richtungsweisender Leitideen genannt. Weniger häufig äußern die Befragten unternehmensethische Normen als Etikett in der Kommunikation.

Im Unternehmen EFS ist eine soziotypische Rahmung der ersten Bezugnahme zu beobachten: Mitarbeiter aus dem Baueinkauf beschreiben das WMS als richtungsweisende Leitidee mit Bezugnahme auf die Verhaltensprinzipien des Einkaufsprozesses. Alle anderen Mitarbeiter, sowie die Befragten der Vergleichsgruppe, thematisieren diesen Bezug im Kontext von Situationen, die sie als unklar darstellen oder in direkten Bezug setzen zu unternehmensethischen Verhaltensprinzipien (Zuwendungen und Geschenke, Loyalität, Rechtmäßigkeit[3]). In der folgenden Tabelle sind für jede Mitarbeitergruppe die Anzahl der Textstellen pro Handlungsproblem notiert. Sie gibt einen Überblick über die soziotypische Verteilung dieser Bezugnahmen:

Mitarbeitergruppe

Handlungsproblem

WMS

Verantwortung

Projektgruppe Implement.

Geschäftsprozess Baueinkauf

Vergleichsgruppe

Orientierung in Situationen, die nicht eindeutig geregelt sind und als Dilemma wahrgenommen werden

6

1

0

2

Orientierung gemäß WMS Verhaltensprinzipien[4]

18

8

6

6

Orientierung gemäß Einkaufsprinzipien[5]

0

0

14

0

Tabelle 15: Soziotypische Thematisierung WMS relevanter Handlungsprobleme

Quelle: Eigene Darstellung

In einer zweiten Bezugnahme thematisieren die Befragten das WMS als Etikett, dessen Handlungsrelevanz in der Kommunikation nach außen und in der internen Kommunikation begründet wird. Auch hier ist eine soziotypische Verteilung erkennbar: Mitarbeiter im Baueinkauf sowie der operative WMS Verantwortliche thematisieren das WMS als Etikett in Bezug auf externe Kommunikation. Als Etikett in der internen Kommunikation thematisieren die Mitarbeiter im Baueinkauf das WMS dagegen nicht. In welcher Weise die identifizierten Kriterien auf der Mikroebene Handlungsrelevanz entfalten wird nun folgend schrittweise am Material erörtert.

  • [1] Gerade weil die jeweilige Ausgestaltung der Managementkonzepte in den befragten Unternehmen sehr individuell ist, erscheint ein Fallvergleich der Deutungsmuster vielversprechend, um die Interpretationen abzusichern. In der Erörterung werden daher auch die Interviews der Entscheider aus der Vergleichsgruppe hinzugezogen.
  • [2] In der Analyse dieser Perspektive ist die Ausgestaltung des jeweiligen Managementkonzepts nicht von Belang. Hier interessiert die Handlungsrelevanz, die die Akteure den unternehmensethischen Normen zuschreiben. Zur Bezugnahme auf das Managementkonzept bei EFS und der Vergleichsgruppen werden daher im Folgenden die Begriffe WMS und unternehmensethische Normen synonym verwendet.
  • [3] Im Unternehmen EFS ist damit die Bezugnahme auf die WMS Verhaltensprinzipien gemeint – siehe dazu Abschnitt 7.4.2 – in der Vergleichsgruppe die Bezugnahme auf dort formulierte Verhaltensregeln. Letztere regeln in vergleichbarer Weise den Umgang mit Unternehmenseigentum (Loyalität), fordern Rechtmäßigkeit von Beschaffungs- und Vertriebsprozessen und schreiben Wertgrenzen bezüglich Geschenken und Zuwendungen vor.
  • [4] Umgang mit Geschenken und Zuwendungen, Loyalität gegenüber dem Unternehmen sowie Rechtstreue.
  • [5] Transparenz, 4-Augen-Prinzip, Gleichbehandlung bzw. Diskriminierungsfreiheit aller Bieter.
 
<<   INHALT   >>

Related topics