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7.2.2 Anlass zur Implementierung des WerteManagementSystemsZfW

Konstitutiv für die Einführung und Ausgestaltung des WMS im Unternehmen EFS war die Aufarbeitung eines Korruptionsvorfalls im Bereich Einkauf[1]. Über mehrere Jahre hinweg hatte sich ein Netzwerk von externen Firmen und internen Mitarbeitern gebildet, die das Unternehmen mit überhöhten und z.T. fiktiven Rechnungen geschädigt hatten. Als zentrale Figur im Korruptionsnetzwerk wurde ein Unternehmensmitarbeiter identifiziert, der die Beauftragung und Abrechnung von Bauleistungen operativ verantwortete und diese Stellung zur Durchsetzung persönlicher Ziele nutzte[2].

Im Zuge der Aufarbeitung des Korruptionsvorfalls wurde eine Organisationsanalyse durchgeführt, die Schwachstellen in den Bereichen Verantwortungsübernahme und Prozessablauf der Beauftragung von Baumaßnahmen aufzeigte. Darin wurde kritisch bewertet, dass die kaufmännischen Mitarbeiter im Bereich Einkauf keine Expertise zur Beurteilung der Notwendigkeit einzelner Baumaßnahmen hatten, Rechnungen nur kaufmännisch nicht aber fachlich beurteilen konnten und aufgrund ihrer Stellung im Unternehmen keine Handlungsmacht zur Gestaltung des Einkaufsprozesses insgesamt hatten (FN: 96-102, FB: 306-312). Die Abteilung Einkauf von Bauleistungen war zu der Zeit „Teil der Bauabteilung“ (FB: 256) und wird in der retrospektiven Wahrnehmung der Befragten typischerweise im Sinne einer „Schreibmaschine der Fachbereiche“ (FN: 96) dargestellt. Da im Unternehmen auch zukünftig hohe Summen in Baumaßnahmen investiert werden sollten, wurden organisatorische Veränderungen durchgeführt (FB: 341-343), um diese Schwachstellen zu beheben. Als wichtigste Maßnahmen wurde eine „stärkere Funktionstrennung, eine Professionalisierung und Spezialisierung des Einkaufs“ (FN: 92f) definiert und umgesetzt.

Die Funktionstrennung umfasste eine Reorganisation des Unternehmens mit dem Ziel, dass alle an Bauprojekten beteiligten Akteure unterschiedlichen Vorstandsbereichen zugeordnet wurden: Fachstellen, die Anforderungen an Neuoder Ausbaumaßnahmen stellen, planende und ausführende Fachstellen für Baumaßnahmen, der Fachbereich Einkauf sowie die interne Revision als Prüfinstanz (FB: 256-265). Diese Funktionstrennung wird im Unternehmen als „4-Augen-Prinzip“ bezeichnet. Damit wird die hierarchieübergreifende Funktionstrennung im Prozess der Bauvergabe beschrieben, bei der stets zwei Personen aus unterschiedlichen Bereichen an Entscheidungen beteiligt sind: je ein Mitarbeiter aus der Abteilung Bau und aus der Abteilung Einkauf (vgl. FB: 279-282, D 3.7.: 234). Nach der Reorganisation des Einkaufs ist die Planung, Vergabe und Durchführung von Bauleistungen als formalisierter Prozess gestaltet, der das „4-Augen Prinzip“ durchgängig beinhaltet und auch im Organigramm des Unternehmens repräsentiert ist:

Abbildung 5: Organisatorische Verankerung am Bauprozess beteiligter Abteilunge[3]

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an D 4.9.

Als zweiter Maßnahmenbereich wurde die Spezialisierung im Einkauf durch personalpolitische Maßnahmen vorangetrieben. Nach der Reorganisation wurden dort Ingenieure eingestellt, die sich auf bauspezifische Themen spezialisierten (FB: 295-301). Vor allem die Handlungsmacht der Mitarbeiter im Einkauf wurde durch diese Maßnahmen aufgewertet. Mit dieser Expertise treten sie auf Augenhöhe mit den planenden und ausführenden Ingenieuren auf und sie haben das Mandat sowie die Vollmachten zur Erteilung von Aufträgen (vgl. D 3.7: 34).

Das WerteManagementSystemZfW wurde als Ergänzung zu diesen Reorganisations- und Spezialisierungsmaßnahmen zeitlich versetzt eingeführt[4], um im Unternehmen „die Potenziale für dolose Handlungen zu verhindern“ (FK: 985) und Korruption im Unternehmen EFS zukünftig „zu erschweren“ (FB: 311). Welche Schritte zur Implementierung des WMS im Unternehmen durchgeführt wurden, wird im folgenden Abschnitt rekonstruiert.

  • [1] Die Bezeichnung „Einkauf“ wird im analysierten Material synonym für die Aufgaben bzw. die Funktion der Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen im Unternehmen EFS verwendet und aus Gründen der Authentizität im Text nachfolgend ebenso wiedergegeben.
  • [2] Vgl. FD: 253-262, 272-274, FN: 80-85, 226-229.
  • [3] Die Darstellung ist stark vereinfacht, verdeutlicht das „4-Augen-Prizip“ im Organigramm. Als „Anforderer“ werden in Interviews und Dokumenten Fachbereiche bezeichnet, die aus der Perspektive eines Geschäftsfeldes Anforderungen an Baumaßnahmen richten.
  • [4] Die Einführung des WMS erfolgte zeitlich nachgelagert erst sieben Jahre nach der Aufdeckung der Korruptionsvorfälle und circa eineinhalb Jahre nach der vollzogenen Reorganisation.
 
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