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Teil II: Empirische Analysen

6 Makroanalyse: Deutungsmuster extern adressierter Erwartungen

„sagen wir mal wenn die „Für Sie“ einen Complianceartikel bringt. Dann is das Zeitgeist. Das hätten sie vor 3 Jahren noch nicht gemacht. Und [4] man kann sich dem Zeitgeist nicht entziehen. Es gibt kein Unternehmen, was es sich leisten kann, sich nicht mit dem Thema zu beschäftigen. +++“ (FA1: 164-168) [1]

Im ersten Teil der Arbeit wurden drei forschungsleitende Thesen theoriebezogen entwickelt. Ausgangspunkt der Betrachtung war die Annahme, dass an wirtschaftliches Handeln ökonomische und moralische Erwartungen adressiert werden (vgl. Abschnitt 3.1.1). Damit wurde ein Spannungsfeld zwischen ökonomischen und moralischen Leitideen begründet und ein Problem sozialer Ordnung erkannt (vgl. 4.1). Als Kriterium zur Bewertung der Wirkmächtigkeit unternehmensethischer Managementkonzepte wurde das Ausmaß beschrieben, inwieweit mit ihnen eine Vermittlung zwischen diesen Leitideen gelingen kann (vgl. 4.2). Diese Bewertung kann, so die Annahme der vorliegenden Studie weiter, nur im Rahmen einer Mehrebenenanalyse gelingen, die die Wirkmächtigkeit auf drei verschiedenen Ebenen analysiert (vgl. 4.6). Ausgangspunkt muss eine empirische gestützte Plausibilisierung der Grundannahme sein: Kann die Adressierung unterschiedlicher Erwartungen an Unternehmen als Indiz für dieses Spannungsfeld empirisch nachvollzogen werden? Nach der Klärung dieser Grundannahme schließt sich dann die Frage an, wie das Konzept im untersuchten Einzelfall implementiert ist, bevor in einer Mikroperspektive Deutungen und Handlungsorientierungen von Akteuren nachvollzogen und in Bezug zum implementierten unternehmensethischen Managementkonzept gesetzt werden können.

Im ersten Schritt wird nun folgend die Frage bearbeitet, durch welche Muster das angenommene Spannungsfeld beschrieben werden kann. Forschungspraktisch interessiert dabei die Frage, welche ethischen Erwartungen als externe Rahmenbedingungen des wirtschaftlichen Handelns von den Befragten wahrgenommen werden. Folgende Fragen leiten die Analyse an:

- Welche Adressierungen ethischer Erwartungen an Unternehmen nehmen Führungskräfte und Mitarbeiter wahr?

- Welche Trägergruppen ethischer Erwartungen nehmen Führungskräfte und Mitarbeiter wahr?

In der Analyse wurden Äußerungen der Befragen interpretiert, die evoziert wurden durch exmanente Fragen zu „WMS relevante Entscheidungssituationen / situative Rahmung und Normenreichweite“ (siehe Anlage 4: Themen des Interviewleitfadens) sowie immanente Nachfragen zum Themenbereich Compliance und unternehmensethische Maßnahmen[2]. Zur Rekonstruktion der Erwartungen und ihrer Trägergruppen wurden einerseits Äußerungen betrachtet, die das Thema explizit benannten. Darüber hinaus wurden auch Äußerungen zur jeweiligen Handlungspraxis hinzugezogen, die Begründungen und Stellungnahmen zur Zielsetzung unternehmensethischer Managementkonzepte enthalten. Die oben entwickelten handlungstheoretischen und methodologischen Grundlagen der Analyse (vgl. 4.5 und 5.2) leiten die Annahme an, dass die Befragten diese Begründungen und Stellungnahmen unter Rückgriff antizipierter Erwartungen thematisieren. In der fallvergleichenden Erörterung im Rahmen der reflektierenden Interpretation kann demnach über die Art und Weise, wie diese Konzepte thematisiert und plausibilisiert wurden, auf zugrundeliegende Deutungsmuster geschlossen werden (vgl. Ullrich 1999). Zunächst wird nun folgend das Ergebnis der Themensetzungsanalyse zum ersten Bezugsproblem vorgestellt. Orientiert an der Forschungsfrage wurden Themencluster zu wahrgenommenen Erwartungen sowie Trägergruppen identifiziert. In welcher Rahmung die Befragten sich zu den Themen äußerten, wird in einer tabellarischen Übersicht für jedes Cluster vorgestellt (vgl. 6.1). Danach wird jedes Themencluster einer reflexiven Interpretation unterzogen. Zunächst werden die Muster herausgearbeitet, mit denen die Befragten wahrgenommene Erwartungen begründeten (vgl. 6.2). Im nachfolgenden Abschnitt werden die Akteure identifiziert, die von den Befragten als Träger ethischer Erwartungen wahrgenommen werden (vgl. 6.3). Der abschließende Abschnitt fasst die Ergebnisse der Analyse zusammen (vgl. 6.4).

  • [1] Alle Interviews wurden authentisch transkribiert, d.h. dialektische Färbungen und umgangssprachliche Formulierungen wurden erhalten (vgl. dazu Abschnitt 5.5.1). Die zitierten Interviewpassagen werden nachfolgend im Text mit vollständigen Transkriptionsmerkmalen wiedergegeben. Anlage 5 im Anhang enthält eine Erläuterung der verwendeten Symbole. Verweise auf interviewte Personen werden im Text durch Interviewalias und den Zeilennummern aus der Transkription dargestellt. Die Interviewten FA-FN sind Mitarbeiter des Unternehmens der Einzelfallstudie ESF, die Befragten VA-VD sind Entscheider in den Unternehmen der Vergleichsgruppe. Mit der Person FA wurden zwei Interviews geführt, sie sind im Text mit FA1 und FA2 gekennzeichnet. Die Anlage 2 im Anhang stellt das Interviewsampling vor. Hier werden in einer Übersicht die interviewten Personen, unter Nennung des Alias, in ihrer Zuordnung zu Unternehmen, Aufgabe und Position dargestellt. Die Interpretationen in der empirischen Analyse werden durch Quellenverweise auf Interviewpassagen sowie Dokumente aus dem Dokumentensample belegt. Um die Argumentation im Text trotz Quellenarbeit verständlich und gut lesbar zu gestalten werden Bezugnahmen auf mehr als zwei Textstellen, abweichend von der in der Arbeit verwendeten Zitation im Text, als Fußnotenverweis dargestellt.
  • [2] Im untersuchten Sample wurden sowohl Wertemanagementals auch Compliancekonzepte eingeführt. In der nachfolgenden Interpretation wird stets das Konzept, auf das Befragte bezugnehmen, namentlich genannt: Wertemanagementsystem (Befragte der Einzelfallstudie EFS), Werteorientierte Compliance (VA), Compliance (VB, VC) und Verantwortungsvolle Unternehmensführung (VD). Diese Darstellung wurde aus Gründen der Authentizität gewählt. Da sich die Unternehmen grundsätzlich zu einer werteorientierten Strategie bekannt haben, wurden diese Konzepte in der Frage des Organisation-Umwelt Bezugs synonym verwendet.
 
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