Start Sozialwissenschaften
Die Wirkmächtigkeit unternehmensethischer Managementkonzepte
|
|
|||||
5.3.1 Interviews als erste Datengrundlage im SampleUm der Frage institutionell adressierter Erwartungsstrukturen an Unternehmen nachzugehen, wurden Interviews mit Verantwortlichen des untersuchten Managementkonzepts[1] aus unterschiedlichen Unternehmen geführt. Alle Befragte waren Führungskräfte im oberen Management und für die Einführung sowie Umsetzung des Instruments direkt verantwortlich. Der erste Zugang zum Feld erfolgte forschungspragmatisch: Auf der Grundlage einer Internetrecherche konnten Unternehmen identifiziert werden, die sich in der Selbstdarstellung zum untersuchten werteorientierten Managementkonzept des ZfW bekannt hatten und ein äquivalentes Konzept eingeführt hatten. Die für das Managementkonzept verantwortlichen Manager erhielten auf postalischem Weg die Anfrage, ob sie für ein Interview im Rahmen des universitären Forschungsvorhabens zur Verfügung stünden. Auf die Anfrage reagierten insgesamt fünf Verantwortliche positiv und erklärten sich für ein Interview bereit (Vergleichsgruppe). Ein Ansprechpartner aus der Gruppe eröffnete die Möglichkeit, im Unternehmen eine Fallstudie durchzuführen (Einzelfallstudie). Die Frage der organisationalen Aneignung und der Handlungsrelevanz des Instruments im betrieblichen Alltagskontext konnte anhand dieser Einzelfallstudie empirisch konkretisiert werden. Wie oben ausführlich dargelegt, wird von der Kontextabhängigkeit von Deutungs- und Orientierungsmustern ausgegangen, die über eine lebensweltliche Analyseperspektive kontrolliert werden soll. Dazu erschien es plausibel, im Rahmen einer Fallstudie den lebensweltlichen Kontext eines Unternehmens dezidiert in den Blick zu nehmen und die Frage der Aneignung des Instruments[2] sowie der Handlungsrelevanz darin formulierter Normen aus der Perspektive der Mitarbeiter zu rekonstruieren. Konkret wurde das durch zwei Perspektiven realisiert. Die erste Perspektive betraf die Implementierung des Managementkonzepts. Der oben dargestellte Stand der Implementationsforschung hat verdeutlicht, dass die Frage der Wirkmächtigkeit von Programmen nicht unabhängig vom Prozess der Implementierung bewertet werden kann (vgl. Abschnitt 3.3). Die dort diskutierten Erkenntnisse waren für die Frage des Samplings insofern relevant, als dass die Projektgruppe – stellvertretend für die Gruppe der „Purveyors“ – als Sample explizit untersucht wurde. Für die Gruppe „Organization Staff“ war die Frage der Implementierung ebenfalls Bestandteil der Themen des Fragebogens (vgl. Fixsen et al. 2005: 14f). In einer zweiten Perspektive wurde ein Geschäftsprozess rekonstruiert. Wie oben ausgeführt (vgl. Abschnitt 2.2.1) können Unternehmen als funktional differenzierte Organisationen beschrieben werden (vgl. Pohlmann und Markova 2011). Geschäftsprozesse sind funktionale Einheiten in diesem Sinne, die je eigene implizite und explizite Regeln, Werte, Routinen und Aufgaben aufweisen und hierarchisch gegliedert sind. Im Rahmen der Fallstudie wurde der Geschäftsprozess „Einkauf von Bauleistungen“ untersucht. Entscheidend für die Auswahl dieser funktionalen Einheit war die Bewertung des Entscheidungsträgers des unternehmensethischen Managementkonzepts im untersuchten Unternehmen. Er schätzte das Korruptionsrisiko in diesem Bereich besonders hoch ein und formulierte die Motivation zur Einführung des Instruments in das Unternehmen explizit als Strategie der Korruptionsprävention allgemein und in dieser Funktionseinheit im Besonderen. In einer sechsmonatigen Feldphase wurden im Sinne eines „Snowball-Samplings“ (vgl. Przyborski und Wohlrab-Sahr 2010: 180f) schrittweise Gesprächspartner für diese beiden Perspektiven im untersuchten Feld akquiriert. In der Feldphase hat die Forscherin das Unternehmen kennenglernt, Interviews und informelle Gespräche geführt und an Informations- und Schulungsveranstaltungen teilgenommen[3]. Die Auswahl der Befragten für die Perspektive des Implementierungsebenso wie des Geschäftsprozesses erfolgte schrittweise. Die theoretisch angeleitete Variabilität von Funktion und Status war das entscheidende Kriterium zur Akquise der jeweils nächsten Interviewpartner[4]. Die schrittweise Erweiterung der Stichproben wurde solange durchgeführt, bis eine Sättigung im Sinne der Inhalte (wiederkehrende Themen und Bewertungen) und Rollenträger (funktionale und hierarchische Variabilität abgedeckt) erreicht war (vgl. Przyborski und Wohlrab-Sahr 2010: 182). Das theoretische Sample der vorliegenden Studie umfasst insgesamt neunzehn Interviews: Fünfzehn Interviews im Rahmen der Einzelfallstudie (EFS) sowie vier Interviews mit Experten aus der Vergleichsgruppe (vgl. Anlage 2: Qualitatives Sampling der Studie im Anhang). Die folgende Abbildung verdeutlicht die Verteilung der Interviews nach Funktionsgruppen: Abbildung 4: Verteilung der Interviews im qualitativen Sample Quelle: Eigene Darstellung Zur Gruppe von Mitarbeitern mit WMS Verantwortung zählen Befragte des Unternehmens EFS, die funktionale Verantwortung in Bezug zum WMS übernehmen: Der für das WMS im Konzern verantwortliche Leiter FN[5], der im Konzern operative WMS Verantwortliche FA, der WMS Verantwortliche im Baueinkauf FF sowie die Ombudsperson FJ. Die Projektgruppe Implementierung umfasst Mitarbeiter, die sich als Beteiligte am Implementierungsprozess zum WMS aus dieser Perspektive äußerten[6]: Der stellvertretende Personalleiter FJ, der Mitarbeiter der Organisationsentwicklung FM und die Revisionsmitarbeiter FD und FH. Die Gruppe der Befragten im Geschäftsprozess Einkauf sind Führungskräfte und Mitarbeiter aus dem Bereich Einkauf (FB, FC, FE, FG) sowie zwei Ingenieure aus der Bauabteilung (FI, FL). Die Vergleichsgruppe bilden vier Führungskräfte unterschiedlicher Unternehmen, die als Entscheider die Einführung bzw. Ausgestaltung des unternehmensethischen Managementkonzepts in ihrer Organisation verantworten (VA, VB, VC, VD).
|
<< | INHALT | >> |
---|
Related topics |