Desktop-Version

Start arrow Sozialwissenschaften arrow Die Wirkmächtigkeit unternehmensethischer Managementkonzepte

  • Increase font
  • Decrease font


<<   INHALT   >>

3.3.1 Rahmenbedingungen von Implementation

Die bislang differenzierteste Literaturanalyse deutschsprachiger Implementationsforschung hat Windhoff-Héritier (1980) vorgelegt. WindhoffHéritier beschreibt idealtypische Muster organisatorischer Implementation: koalitionsähnlich, föderalistisch, hierarchisch und zentralistisch (vgl. Windhoff-Héritier 1980: 79ff) [1] . Die Autorin nutzt diese Typologie als Heuristik zur Beschreibung und Einordung unterschiedlicher Programme sowie politischer Arrangements und arbeitet heraus, dass die Wirksamkeit politischer Programme auf der Ebene der Handlungsrationalität abhängig ist von der Korrespondenz zwischen Autoritätsstrukturen, Zielsetzung und Steuerungsmechanismen. So seien Programme, die verhaltensnormierend adressiert sind, meist anreizgesteuert und koalitionsähnlich strukturiert. Programme, die hingehen detaillierte Verhaltensvorschriften enthielten, erforderten „für ihre Durchführung einen zentralistischen Handlungskontext.“ (a.a.O.: 87) Je unspezifischer und in der Handlungspraxis komplexer die zugrundeliegenden Programmziele seien, desto kooperativer müsse ein Implementationsprozess gestaltet sein um im Sinne der Zielsetzung als erfolgreich bewertet werden zu können. [2]

Windhoff-Héritier hat in ihre Analyse auch „organisatorisches Implementationsverhalten“ einbezogen (vgl. a.a.O.: 115ff). Sie geht davon aus, dass Organisationen umweltsensibel derart sind, dass ihre Innovationsbereitschaft, und damit die Bereitschaft organisatorische Binnenstrukturen oder Prozesse anzupassen (z.B. initiiert durch politische Programme), von der wahrgenommenen Stabilität der Umwelt abhängt: Je stabiler diese von den betreffenden Akteuren gedeutet werde, desto resistenter könne deren Organisation gegenüber Einflüssen von außen beschrieben werden. Der Grad der Formalisierung organisatorischer Prozesse spiele ebenfalls eine Rolle. Die Autorin legt ihrer Analyse einen Organisationsbegriff zugrunde, der dieselben als Verbund aufeinander bezogener Teilsysteme mit jeweils eigenen Rationalitätskriterien auffasst. Dabei folgt sie dem Modell einer begrenzten Rationalität (vgl. March und Simon 1958) und bezweifelt die nutzenmaximierende Handlungsorientierung (korporativer) Akteure – zugunsten der Wahl jeweils als optimal empfundener Lösungen. Folgt man ihrer Argumentation, dann müsste die Implementation von Programmen innerhalb von Organisationen, wie beispielsweise von unternehmensethischen Managementkonzepten, demnach neben Programmzielen und –inhalten vor allem jeweils spezifische Organisationskontexte berücksichtigen.

„Für programmatische Überlegungen bedeutet dies, daß die Handlungsmotivation der implementierenden Organisation nicht auf der abstrakten Ebene einer absoluten Rationalität kalkuliert werden darf. Vielmehr muß anhand der reellen Handlungsalternativen und der individuellen Zielhierarchie des Entscheidungsträgers seine Bereitschaft zur Programmadaption eingeschränkt werden. […] Aus implementationspraktischer Sicht bedeutet dies, daß auch die eindeutige Vorgabe einer Maßnahme und die Kooperationsbereitschaft der Organisationsspitze ein programmzielgerechtes Handlungsresultat nicht garantieren können.“ (WindhoffHéritier 1980: 122)

Sowohl Kommunikations- und Koordinationsaspekte wie individueller Einfluss und Werthaltungen der vom Programm betroffenen Akteure beeinflussen demnach deren Wirkmächtigkeit. Realisierungschancen von Programmen werden nach dieser Auffassung in Anerkennung vorfindlicher Machtverhältnisse gedeutet. Diese seien sowohl von der formalen Positionsmacht als auch von den informellen Machtressourcen des Personals in betreffenden Organisationen abhängig (vgl. Crozier und Friedberg 1979; Windhoff-Héritier 1980: 124). Die in der frühen politischen Implementationsforschung noch grundlegende Frage der Steuerung ist heute einer institutionalistischen Perspektive der Koordination (Governance) [3] sozialen Handelns gewichen (vgl. Mayntz 2005).

Diese Ergebnisse sind direkt anschlussfähig an die Fragestellung der vorliegenden Arbeit. Auch hier wird ein soziologisches Organisationsverständnis vertreten, dass Organisationen als soziale Gebilde auffasst, die Mitglieder durch spezifische Mitgliedschaftsregeln binden und eigene Kulturen formaler und informaler Regeln ausbilden (vgl. 2.2.1). Organisationen weisen demnach ein hohes Beharrungsvermögen auf, Innovationen und Veränderungen lassen sich weniger technisch, denn sozial-kulturell erklären und setzen an der Handlungsorientierung der Mitglieder an (vgl. Schanne 2010: 42f). Wesentlich erscheint dabei, dass der Prozess kontextsensibel betrachtet werden muss. Das hat für das vorliegende Forschungsprogramm eine wichtige Implikation: Um die Wirkmächtigkeit von Programmen im Rahmen von Implementationsprozessen zu verstehen erscheint es notwendig, ein institutionentheoretisch angelehntes Untersuchungsdesign zu entwickeln, dass Interessen und Regeln im Organisationskontext systematisch einblendet.

  • [1] Die ersten beiden sind durch kooperative Merkmale gekennzeichnet. Koalitionsähnliche Strukturen bezeichnen die gemeinsame Zielverfolgung mehrerer Organisationen, bei föderalistischen Mustern schließen sich Akteure zu „koalitionsähnlichen Organisationen“ (Windhoff-Héritier 1980: 80) zusammen, vollziehen den Prozess der Entscheidung und Umsetzung im Rahmen gemeinsam getragener Institutionen. Die letzten beiden Typen sind durch Vorgabe- und Durchsetzungsstrukturen gekennzeichnet: die hierarchischen Implementationsmuster durch zentral definierte Rahmenzielvorgaben, deren Umsetzung und Spezifizierung an nachgelagerte Instanzen delegiert wird, die zentralistischen Strukturen dadurch, dass Programm und genaue Spezifizierung und die Anweisung der Umsetzung zentral vorgeben – nur der eigentliche Prozess delegiert wird.
  • [2] Die Autorin zitiert dazu eine Studie von Bermann und McLaughlin, die das Scheitern eines Programms zur Förderung von Lesekompetenz bei Schülern auf eine zentralistische Programmethodik zurückführten, die Anpassungen an sich verändernde Bedingungen nicht zugelassen hatten und damit Projekte scheitern ließen (vgl. Berman und McLaughlin 1978; zit. bei Windhoff-Héritier 1980: 88).
  • [3] Entlehnt aus der ökonomischen Transaktionskostentheorie (vgl. Williamson 1979) wurde der Governancebegriff auch auf den Verwaltungskontext übertragen. Mayntz sieht in diesem Perspektivenwechsel die Gefahr, einem funktionalistischen Fehlschluss aufzusitzen. Institutionelle Regelungen dienten eben nicht ausschließlich der Lösung kollektiver Probleme, sondern auch der Festigung von (Macht-) Interessen. Eine einseitig problembezogene Sichtweise sei jedoch „Machtblind“ gegenüber partikularer Interessen beteiligter Akteure (vgl. Mayntz 2001; Mayntz 2005).
 
<<   INHALT   >>

Related topics