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3.1 Forschung zur Wirtschafts- und Unternehmensethik

In der Unternehmens- und Wirtschaftsethik wird über die Möglichkeiten zur Gestaltung von Rahmenordnungen als Orte der Regelung ethischer Konflikte des Wirtschaftens diskutiert (vgl. Beschorner et al. 2005; Aßländer 2011). In der US-amerikanischen Forschung gibt es eine große Fülle von Forschungsarbeiten, die als theoretisch wenig fundiert bewertet werden (vgl. Collins 2000: 3f; Grabner-Kräuter 2005: 141) [1] . Die deutschsprachige Diskussion, die mit dem Deutschen Netzwerk Wirtschaftsethik einen institutionellen Rahmen und durch die Zeitschrift für Wirtschafts- und Unternehmensethik eine kommunikative Plattform hat, ist stärker systematisiert und theoretisch ausgerichtet (vgl. Palazzo 2005: 187). Im Folgenden wird zunächst die theoretische Diskussion (vgl. 3.1.1) und danach die empirische Forschung (vgl. 3.1.2) danach befragt, welche Erkenntnisse zur Bewertung der Wirkungsmacht unternehmensethischer Ideen in Organisationen aus dem Diskurs abgeleitet werden können.

3.1.1 Wirtschafts- und unternehmensethische Diskussion

Die wirtschaftswie unternehmensethische Diskussion setzt voraus, dass an Unternehmen neben ökonomischen auch ethisch-moralische Erwartungen gerichtet werden. Ethisch-moralische Anforderungen des Wirtschaftens werden hier mit je unterschiedlichen Perspektiven diskutiert. Wirtschaftsethische Ansätze adressieren makroökonomische Grundlagen des Wirtschaftens. Grundsätzliche ethische Fragen und das Problem der Handlungssteuerung werden auf der makroökonomischen Ordnungsebene adressiert, die gemeinsam geteilte Handlungsregeln bereitstellt (Homann 2005). Diese sind so zu gestalten, dass das Gewinnprinzip des Marktes durch die Vorstellungen legitimen Wirtschaftens in der Bürgergesellschaft reguliert wird (vgl. Ulrich 2005: 240). Damit stellt sie Geltungsansprüche für Normen bereit und wirkt auch mittelbar auf einer individuellen Ebene moralischen Wirtschaftshandelns (vgl. Ulrich 1990; Homann und Pies 1994; Homann 2005; Ulrich 2008). Unternehmensethische Ansätze erkennen in der Mesoebene der betrieblichen Rahmenordnung den Ort zur Gestaltung wirtschaftlich-ethischer Fragen. Auf der Unternehmensebene gibt es stets Koordinationsprobleme im Sinne „ethischer Lücken“, die nicht erschöpfend durch formale Regeln der Makroebene zu lösen sind (Steinmann und Löhr 1994: 9). Daher ist auf der Ebene der Unternehmung ein Ort ethischer Reflexion notwendig (vgl. Steinmann und Löhr 1995).

Wirtschafts- und unternehmensethische Ansätze sind als theoretische Konzepte zu verstehen und nicht im Sinne von Sozialtechnologien aufzufassen. Wilkesmann stellt fest, dass in der Diskussion Umsetzungsfragen ausgeblendet werden. Keiner der Ansätze diskutiert die Adressaten von Ethik, Probleme von Macht sowie die Frage der Durchsetzung von Normen. Wilkesmann schlägt vor, die Debatte um die Perspektive zum organisationalen Lernen zu erweitern, und damit einen Zugang zu den Bedingungen der Orientierung an (neuen) Handlungsregeln im unternehmerischen Kontext zu schaffen (Wilkesmann 2001):

„Unternehmensethik als Ethik müsste also eine Reflexion über Strukturen und eine Änderung dieser Strukturen ermöglichen“ (Wilkesmann 2001: 5).

Das hier untersuchte unternehmensethische Managementkonzept WerteManagementSystemZfW (ZfW o.J.-a) verortet sich mit diesem Anspruch in der Diskussion (vgl. Beschorner 2002; Bonenberger 2009; Clausen 2009; Ortmann 2010). Wieland beschreibt ein Ordnungsproblem moderner Wirtschaftssysteme als Ausgangspunkt zur Entwicklung seines unternehmensethischen Programms, das diesem Problem theoretisch wie normativ begegnen will. Wieland erkennt in aktuellen Wirtschaftskrisen und -skandalen ein Versagen nationalstaatlicher Rahmenordnungen, die durch alternative Governancestrukturen ersetzt werden müssten. Wieland verknüpft das Problem gesellschaftlicher Ordnung mit der Frage ihrer organisatorischen Repräsentation und reformuliert Unternehmen als Orte gesellschaftlicher Stabilisierung (vgl. Martens und Ortmann 2006: 448). Orientiert an der Systemtheorie Luhmanns erkennt er Entscheidungen als Letztelement sozialer Systeme und verortet das benannte Ordnungsproblem auf die Ebene von Transaktionsstrategien. Auf der Ebene individueller Akteure in Unternehmen sind damit Handlungsstrategien, auf der Ebene von kollektiven Akteuren sind Managementstrategien angesprochen. In konkreten Transaktionen wägt der Akteur demnach Kosten und Nutzen ab und entscheidet sich dann für die Handlungsorientierungen, die ihm den größten Nutzen verspricht (vgl. Wieland 2005c). Steuerung ist im diesem Konzept nicht nur möglich, sondern notwendig und wird aufgefasst als Setzen von Anreizen: Gewünschte Ergebnisoptionen sind durch Nutzenerwartungen, Nichterwünschtes durch Kostenerwartungen zu kennzeichnen. Auch moralisches Handeln bedarf Wieland zufolge der Steuerung (vgl. Wieland 2005c). Ausgehend von der Annahme, dass „soziale Normen und personale Werthaltungen (...) Bedeutung für die Koordination und Überwachung wirtschaftlicher Transaktionen [haben] (...)“ (Wieland 1996: 1), entwickelt Wieland seinen theoretischen Ansatz der Neuen Organisationsökonomik und als normative Konsequenz daraus das Konzept einer Governance-Ethik mit dem Instrument WerteManagementSystemZfW (vgl. Wieland 1996, 1999, 2004b).

In einer Theoriekritik hat Christiane Staffhorst die Ansprüche von Wielands Theoriekonzept einer soziologischen Kritik unterzogen (vgl. Staffhorst 2010). Staffhorst erkennt in Wielands Neuer Organisationsökonomik ein Problemlösungsprogramm, d.h. eine Entscheidungshilfe in Dilemmasituationen, die jedoch ihrem Anspruch aus theorieimmanenten Gründen nicht gerecht wird. Wielands Konzeption sei durch ein Konsensmodell geprägt und negiere das Vorhandensein systematischer Konflikte, die jedoch empirisch beobachtbar seien. Wielands Perspektive verharre auf einer strukturellen Ebene, entwickle kein differenziertes Handlungsmodell und lasse den Prozess der angestrebten strukturellen Veränderung im Unklaren. Staffhorst resümiert, dass Wieland dadurch weder die Erklärung des zugrundeliegenden Problems noch die Ableitung von Interventionen ausreichend gelänge, da die Wirkungszusammenhänge zwischen der Struktur und der Handlungsebene nicht theorieimmanent beschrieben werden könnten (vgl. Staffhorst 2010: 107). Ihren Hauptkritikpunkt setzt Staffhorst am Aspekt der Implementierung an, den sie soziologisch als Frage der Institutionalisierung reformuliert: Wieland beschränke sich auf ein rein instrumentelles Verständnis der Implementierung von Verfahren und Anreizen. Er blende dabei wertrationale Handlungsentscheidungen ebenso aus wie nicht-intendierte Handlungsfolgen. Organisationen würden in ihrer sinnstiftenden, kulturellen Qualität nicht betrachtet und der Lösungsvorschlag müsse daher als verkürzt bewertet werden (vgl. a.a.O.: 112).

  • [1] Für den US-amerikanischen Bereich hat Collins in einer Durchsicht der Beiträge aus den ersten achtzehn Erscheinungsjahren des Journal of Business Ethics, (JBE) dem zentralen Forum der amerikanischen Diskussion, vor allem die mangelnde Bezugnahme der Beiträge untereinander kritisiert (vgl. Collins 2000: 4).
 
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