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5. Anmoderation

Table of Contents:

Bereits in der Anmoderation sollte gesagt werden, warum das Interview mit dieser Person geführt wird und worin die Schwerpunkte (der Schwerpunkt) des Interviews liegen werden bzw. liegt.

6. Beruf-Privatleben

In den meisten Fällen werden die Befragten die gängige Trennung von Beruf und Privatleben nicht vollziehen (können). Es ist für den Interviewer nicht fruchtbar, in dieser Trennung zu denken. Vielmehr wird der Beruf

sehr stark alle Lebensbereiche durchziehen. Daher kann der Interviewer auch „Privates“ im Beruf finden, – statt z.B. nach Hobbys zu fragen. Eine Person lässt sich selten durch ihre Freizeitbeschäftigungen, sondern besser durch ihre Ansichten charakterisieren. Was jemand denkt, z.B. über den Tod oder ob er/sie Kinder haben möchte – das ist privat und aufschlussreich.

Ein Gegenbeispiel sind die Varianten des „Proustschen Fragebogens“, in denen Fragen wie die folgenden gestellt werden:

• Welches ist Ihre Lieblingsfarbe?

• Welches ist Ihr Lieblingskomponist?

• Was wäre Ihr größtes Unglück?

• Welches sind Ihre Helden in der Wirklichkeit?

• Was verabscheuen Sie am meisten?

Was wissen wir über den Modeschöpfer Nino Cerruti, wenn er antwortet, seine Lieblingsfarbe sei Blau, der Lieblingskomponist Tschaikowski, das größte Unglück, „blind zu sein“, die Helden „alltägliche Leute“ und am meisten verabscheue er „Obszönität“ (Frankfurter Allgemeine Magazin vom 3.7.1998, S. 35)? Für sich genommen, sind die Fragen und Antworten nicht informativ. Man kann sie jedoch verwenden, um weiter zu fragen, wenn man gute Ideen hat, was sich wohl am ehesten bei den drei letzten Fragen anbietet, z.B. „Warum alltägliche Leute?“, „Kennen Sie überhaupt alltägliche Leute?“, „Wo kommen Sie mit Ihnen in Kontakt?“, „Sind Personen wie Sie keine Helden?“

7. Rollen

Interviewer/in. Wenn also das Interview zur Person stark von der Persönlichkeit des Interviewers abhängt, dann stellt sich das Problem: Ist der Interviewer ein Stellvertreter der Empfänger? Kann er es überhaupt sein? Sehr wahrscheinlich ist das nur begrenzt möglich. Eben die subjektive Sicht des Interviewers auf das Leben der befragten Person kann unmöglich die der Sicht aller – ja, wohl nicht einmal vieler Empfänger entsprechen.

Aus diesem Grund sind die Interviews zur Person auch stets sperrig: Die Empfänger müssen zwei Personen nachvollziehen. Das ist anstrengend. Weicht die Sicht (die Fragen) des Interviewers von der eines Zuschauers bzw. Hörers stark ab, wird der Empfänger vermutlich abschalten. Aber ist das zwangsläufig ein Nachteil? Steht dem nicht der Reiz gegenüber, ein (intellektuelles) Vergnügen daran zu haben, den Befragten so

befragt zu sehen?

Die Ausschnitte, die der Interviewer wählt, werden auch von der Art der Sendung abhängen, z.B. davon, ob eine Reihe „Heimat“ oder „Zeugen der Zeit“ oder „Große Intendanten“ heißt.

Der Interviewer kann sich als „Staatsanwalt“, als „psychologischer Analytiker“ oder als Vertreter der Neugier ausgewählter Empfänger verstehen. Zumeist wird er zwischen diesen Rollen im Interview wechseln. Ferner: Das Interview kann ein intellektuelles Gefecht sein (z.B. Precht) oder eher eine Unterhaltung (z.B. Sauer). Um nicht einseitig zu werden, beachten Sie folgende Ratschläge:

• Wechseln Sie zwischen Nähe und Distanz zu dem Befragten, lassen Sie sich nicht einfangen, stellen Sie z.B. durch interpretierende Nachfragen wieder Distanz her.

• Seien Sie offen für Neues, Unerwartetes. Das gelingt nur, wenn Sie gut zuhören. Ihr „Bild“ von der Person des Befragten leitet zwar Ihre Fragestrategie, doch muss der Befragte die Möglichkeit haben, Ihr „Bild“ auch zu widerlegen. Beispiel: ein Interview mit einem Zuhälter, das über weite Strecken mit Stereotypen geführt wurde (Ringe, Rolex und Rolls Royce).

• Der Interviewer muss während des Interviews doppelt hören: für sich und für die Empfänger.

Befragter. Der Befragte wird sich fragen: „Was will der Interviewer von mir?“, „Wie bewertet er mein Leben, was denkt er darüber?“, „Was werden die Empfänger von mir denken?“, „Welches Bild will ich dem Interviewer

– also dem Empfänger – von mir vermitteln?“

Der Interviewer muss daher einen guten Rapport herstellen, um den Befragten zu öffnen und ihm den Eindruck zu nehmen, der Interviewer wolle sein Leben bewerten.

Empfänger. Der Empfänger wird sich fragen, was er über den Befragten Neues erfährt, warum der Befragte so interessant ist, dass man ihm soviel Zeit widmet. Er wird aber auch erwarten, einen Blick hinter die Kulissen der Arbeit der Person zu werfen und erfahren wollen, warum der Befragte in einzelnen Situationen so oder so gehandelt hat.

Das Interview zur Person kann daher sowohl Denkanstöße geben als auch yellow-press-Unterhaltung sein. Zeigen Sie den Befragten als einen Menschen mit all seinen Konflikten – dann können sich auch die Empfänger wiedererkennen.

Denken Sie daran, dass die befragte Person sich bereit erklärt hat, sich vor der und für die Öffentlichkeit befragen zu lassen. Sie hat daher auch ein Interesse, sich darzustellen – vielleicht kommt es im Interview erst heraus.

Dieses Einverständnis und Interesse lag auch dem folgenden Interview zu Grunde (51). Anders ist nicht zu erklären, warum der Gesprächspartner, Jürgen W. Möllemann, sich zu diesem Interview bereit erklärte. Hier nutzt Gabi Bauer alle handwerklichen Elemente, um den Befragten dazu zu bringen, sich zu rechtfertigen, vor allem eine gute Recherche, Zuhören und Nachfragen. Das Interview hat nur zwei Themen: Möllemanns Kritik an seinen Parteigenossen in der FDP und die Finanzierung des an alle Haushalte verteilten Faltblattes (Flyers) „Klartext. Mut. Möllemann.“. Sinnvoll war es, das erste Thema an den Anfang zu stellen, weil dieser Teil durch seine Recherche und Zitate den Befragten davon überzeugen konnte, die Interviewerin habe gut recherchiert. Deshalb musste er vermutlich auch im zweiten Teil davon ausgehen, die Interviewerin würde wiederum stets mit Rechercheergebnissen aufwarten können.

Dabei gerät das Interview in dem zweiten Teil an die Grenze eines Verhörs, zumindest nimmt es der Befragte so wahr. (Anmerkung: Jürgen W. Möllemann ist am 5. Juni 2003 gestorben, vermutlich war es ein Selbstmord. Gabi Bauer erklärte in einem Gespräch Anfang 2005, dass sie auch rückblickend das Interview für journalistisch völlig gerechtfertigt halte. Diese Ansicht teilen wir.)

Interview 51

ARD Gabi Bauer, 12. 3. 2003

Gabi Bauer – Jürgen W. Möllemann

I: Schönen Guten Abend. Die halbe Republik fragt sich seit Tagen, was ist los mit diesem Mann. Wo will der hin? Eine Zeitung fragt heute gar: „Ist der durchgeknallt?“ Na, andererseits goutieren sie alle den Rundumschlag, den er in seinem neuen Buch veröffentlicht, den Rundumschlag gegen die gesamte FDPFührungsspitze. Klaus Kinkel: „taube Nuss“, Wolfgang Gerhard:

„schlappe Nudel“, Lambsdorff: „ein arroganter Intrigant“, Genscher – „verpieselt sich immer, wenn's drauf ankommt“, na, und der Chef Westerwelle: „kein Konzept, kein Interesse an Themen, nur Interesse, selber vorne auf der Bühne zu stehen“. Was ist das: Längst fällige Aufklärung, oder der Amoklauf eines Gekränkten? Wir fragen ihn selbst. Herr Möllemann, Sie sind dran. N'Abend.

B: N'Abend.

I: Jürgen Möllemann, Ihr neues Buch heißt „Klartext“. Wollen wir denn jetzt 'ne halbe Stunde richtig Klartext reden?

B: Das macht Sinn, es wird ohnehin in der Politik viel zu sehr drum herum geredet, und äh, eine Sendung wie die Ihre pro… kann davon nur profitieren, wenn man Klartext spricht.

I: Gut, dann geben Sie Antworten. Seit Monaten deuten Sie an,

Sie wollten eine neue Partei gründen oder könnten das tun. Wer- 1 den Sie sie gründen oder nicht?

B: Seit, ähm, Beginn der Auseinandersetzungen ihm, äh, Herbst zwischen einigen führenden FDP-Politikern und mir hab' ich immer gesagt, ich möchte in der FDP, meiner liberalen Familie, weiterarbeiten, und dann kamen immer wieder kluge und interessante Journalistinnen und Journalisten und haben gesagt, ja, aber wenn das nicht geht, weil man Sie raus wirft. Dann hab' ich immer gesagt, dann muss ich überlegen, was ich dann tue. Und dabei bleibt's auch…

(...)

I: Also Klartext: absehbar keine neue Partei.

2

B: So ist es.

(...)

I: Man kann, Herr Möllemann, das Pferd auch noch anders aufzäumen. Die FDP versucht, Sie momentan in einem Schiedsverfahren auszuschließen. Sie liefern Ihrer Partei das letzte Puzzleteil dazu, indem Sie dieses Buch auf den Markt bringen, das dem Image der FDP nun wirklich schadet, und da wird jeder sagen, also jetzt hat er ihnen wirklich dermaßen geschadet, dass man sagen kann, er ist nicht mehr tragbar für diese Partei, es heißt, Sie liefern sich jetzt Ihr eigenes Todesurteil mit diesem Buch.

B: Na ja, Todesurteil ist vielleicht 'n bisschen sehr dramatisch,… I: Ja, is' übertrieben, Ihr eigenes Urteil.

B: Ja, aber dann, wenn das Kriterium sti… stichhaltig wäre, äh, dann würden von Graf Lambsdorff, der mich öffentlich, äh, der Geisteskrankheit bezichtigt hat, bis hin zu andern, die aus der FDP ausgewiesen werden müssen, ausgeschlossen werden müssen, es gibt in der liberalen Partei hoffentlich weiterhin Meinungsfreiheit, es gibt 'ne Streitkultur, und da geht's auch manchmal hart zur Sache. Meine Güte, was hab' ich… nich' an Auseinandersetzungen in diesen 30 Jahren gehabt! Übrigens, die Genannten alle auch!

(...)

Einspieler, endet mit „Aber das war dann ja auch wieder ein paar Monate später, als schon wegen Betrug und Untreue gegen ihn ermittelt wurde“.

I: Herr Möllemann, dazu kommt noch Ermittlungen, kommen noch Ermittlungen wegen Verstoßes gegen das Parteiengesetz, möglichen Verstoßes gegen das Parteiengesetz, und wegen möglicher Steuerhinterziehung, ähm, ermitteln Staatsanwälte gegen Sie. Und das dreht sich um die Finanzierung dieses Flugblattes mit den Bildern von Sharon und Friedman. Woher kam die klapp… knappe Million Euro, mit der Sie das finanziert haben?

B: Zunächst einmal gehe ich davon aus, dass diese Ermittlungen, ähm, zur Einstellung des Verfahrens führen. Es gilt ja in Deutschland der Grundsatz, dass jeder so lange unschuldig ist, bis er rechtskräftig verurteilt ist, es gibt noch nicht einmal ein

Strafverfahren, es gibt… 3

I: Klartext, Herr Möllemann!

B: Ermittlungen. 4

I: ganz einfach, Sie…

B: Ja will ich nur sagen…

I: … schnell nachweisen, daher kommt das Geld, das ist mein eigenes, und Sie hätten kein Ermittlungsverfahren am Hals.

B: Ja, d…das wär' schön, wenn das so einfach ginge. I: Mmh.

B: Äh, wunderbar, die eigene Parteiführung, das haben Sie doch publiziert, ich meine nicht Sie persönlich, aber Ihr Sender, hat ja unablässig etwas anderes erklärt, hat Geld an Herrn Thierse vorweg überwiesen und will das jetzt bitteschön zurückhaben…

I: Weil Sie unablässig etwas anderes erklärt haben, mit… B: Nein,…

I: Verlaub, Sie haben ja zunächst…

B: Sie haben mir 'ne Frage gestellt, und äh… I: Ja, Sie haben Recht.

B: dieser Flyer ist von mir aus meinen privaten äh, Mitteln finanziert worden. Das beklagen Leute, deren Namen ich in Spendenberichten noch nie gesehen habe. Es gibt Mitglieder in unserm Präsidium, die verdienen…

I: Sind Sie hingegangen zu einem eigenen Konto und haben, äh, 5 knappe Million in bar abgehoben, also?

B: Ja, ich hab' eine Firma, und diese E…Einnahmen, die aus der Firma habe, hab' ich benutzt, um diesen Flyer zu finanzieren.

I: Ja, dann begreif' ich nicht, warum die Staatsanwaltschaft denken kann, dass dieses Geld von einem Konto in Luxemburg kommt, das, äh, Sie angeblich nur treuhänderisch verwalten.

B: Als die Staatsanwaltschaft ihr Ermittlungsverfahren eingeleitet hat, hat sie erklärt, diese Einleitung erfolge ausschließlich aufgrund von Angaben aus der Führung der FDP, und darauf bezogene Presseberichte, äh, und ich geh davon aus, da jetzt die Anwälte ja jetzt mit der Staatsanwaltschaft gesprochen haben, dass in überschaubarer Zeit die Einstellung des Verfahrens erfolgt.

I: Dann sagen Sie's uns auch noch mal klarer, von welchem Konto haben Sie an welchem Tag wie viel Geld abgehoben, in bar.

6

B: Äh, soll ich Ihnen noch sagen was ich dabei für'n Anzug

getragen habe?

I: (zustimmend) Mmh.

B: Ähm,… 7

I: Danach, dann.

B: es ist, es ist eigenes Geld, und ich frag' Sie auch nicht, wann Sie von Ihrem Konto welches Geld abheben.

I: Ähm, das stimmt, aber es gibt auch keinen Grund, mich zu fragen. Der Grund,…

B: Ooooh, das… I: Sie zu fragen,…

B: weiß ich gar nicht.

I: Sie zu fragen, ist, Herr Möllemann, dass Sie seit einem halben Jahr ein Ermittlungsverfahren laufen lassen, und nicht hingeh'n und sagen, zack, hier isses. Soundso viel hunderttausend Mark sind ganz leicht nachweisbar.

B: Ja, das ist ja erfolgt. Die Der Staatsanwaltschaft ist das en detail dargetan worden.

I: Aha.

B: Deswegen bin ich ja so optimistisch, dass sie einstellen wird, und ich glaube, es wäre klüger, jedenfalls sehen das die Anwälte so, dass man ein solches Verfahren nicht im Fernsehen führt.

I: Und wie kommt es, dass Sie vier verschiedene Versionen der Frage beigebracht haben, wo diese Million herkommt?

B: Nicht vier vers… verschiedene, es gab am Anfang im Wahlkampf, als der Streit mit Herrn Friedman lief, ähm, über die Politik von Sharon und die Unterstützung Sharons durch Friedman, und in dieser Frage halte ich meine Meinung aufrecht, ich 8 möchte in einem freien Land weiterhin meine Meinung sagen können, werde weiterhin… (Applaus)

I: Ja, bleiben wir bei dem Punkt, über den wir gesprochen haben.

B: werde weiterhin kritisieren, jaja! Versteh'n Sie, wir können ja nicht so tun, als ginge es nicht in Wahrheit um dieses Thema!

I: Nee, dann haben Sie Recht, und eben der Applaus hat mich 9 auch drauf aufmerksam gemacht, also, dann muss ich doch mal

deutlich nachfragen, ähm, an welchem Punkt Sie für etwas kritisiert worden sind, was viele andere Leute in diesem Land auch sagen, nämlich dass man Israels Militärpolitik kritisieren kann.

B: Nicht Israels, sondern die der Regierung Sharon. I: Ja.

B: Äh, ich bin von Herrn Spiegel und von Herrn Friedman deswegen des Antisemitismus bezi… bezichtigt…

I: Wann?

B: worden. An mehreren Tagen! I: Ja wann?

B: In mehreren Medien, ja ich hab'… I: Sagen Sie mal die Tage!

B: jetzt hier keine Dokumentation dabei!

I: Äh, ich weiß einen Punkt am 16. Mai. Das war der Tag, an 10 dem Sie sich gegenseitig vorgeworfen haben, Sie haben gesagt, also solche Leute wie Friedman, die schüren doch Antisemitis mus, und Friedman hat gesagt, das is' 'ne antisemitische Äußerung. Vorher sind sie immer schon durch die Gegend gegangen

und haben gesagt, ich kritisiere doch nur die israelische Regierung, und der nennt mich dafür einen Antisemiten. Ich hab' alles in Bewegung gesetzt, ich hab' nicht eine solche Äußerung von Herrn Friedman vor dem 16. Mai gefunden.

B: Hätten Sie mich doch angerufen, hätt' ich Ihnen geben können, ich hab jetzt natürlich keine Dokumentation hier in einer Sendung… Sehen Sie, äh, es ist doch zwischen den Büros telefoniert worden, da wäre es ein leichtes gewesen, verehrte gnädige Frau, wenn Sie mich gebeten hätten, das Ihnen zu dokumentieren, hätt' glatt gemacht.

I. Sie haben Belege dafür.

B: Ja selbstverständlich. 11

I: Sie haben Zitate, da hat er das und das gesagt. B: Wir haben mehr als genug,…

I: Ja.

12

B: Herr Friedman hat gesagt, die Ermordung der Menschen äh,

begi… beginnt mit den Worten wie denen von Jürgen Möllemann. Können sich eine schlimmere…

I: Ja. Es geht…

B: Beschuldigung vorstellen?

I: Ja, Es geht immer um den Zeit… B: Ist ungeheuerlich!

I: Es geht immer um den Zeitrahmen. War das, bevor es eskaliert ist…

B: Nein diese Äußerung… I: oder danach?

B: diese Äußerung ist unerträglich, dass er, dass dieser Mann sich erkühnt,…

I: Herr Möllemann, Verzeihung, aber das was Sie… B: so was zu sagen.

I: mir eben anbieten, Dokumente zu liefern, Belege zu liefern, B: Genau.

I: haben Sie vor… vor einiger Zeit den Kollegen des ARDMagazins „Panorama“ genauso geantwortet. Hätte ich gewusst, dass ich hier irgendwas belegen muss, dann hätt' ich Belege mitgebracht. Die haben heute noch nicht die Belege.

B: Tja, die haben sich bei mir nicht mehr gemeldet.

I: Die Zitate, doch. In Ihrem Büro, genau wie Sie's gesagt hatten. 13 B: Äh, das weiß ich nicht, woher Sie das wissen, aber ich glaube,

is' auch nicht ergiebig…

I: Äh, gut, ich kann auch nur sagen, wir haben in keiner Zeitung nirgendwo irgendetwas gefunden vor diesem Eskalationspunkt, ähm…

B: Also die deutsche Bevölkerung hat in den letzten Monaten sehr gefestigt, das weiß ich aus abertausenden, ungefähr 70.000

Zuschriften, den Eindruck gewonnen, dass Herr Friedman und 14

Herrn Spiegel mich immer wieder wegen meiner Sharonkritischen Äußerungen des Antisemitismus bezichtigt haben.

I: Das haben Sie ja auch oft genug so gesagt, ja.

B: Ja, aber es muss doch möglich sein, Sharon zu kritisieren, ohne Antisemit zu sein! Gerhard…

I: Es ist möglich in Deutschland.

B: Schröder kritisieren ist ja nicht anti-deutsch!

I: Aber es ist möglich, He… Herr Möllemann, in Deutschland. B: Nein! Wir erleben das ja, was…

I: Ich hab das oft genug gemacht, die FAZ macht es jeden Tag, die taz macht es jeden Tag, tausende von Zeitungen und Menschen machen das jeden Tag,…

B: Na, also die deutsche Polit… 15

I: genauso wie Sie werden sie deswegen… B: …beim Thema Israel…

I: des Antisemitismus geziehen.

B. beim Thema, äh, Israels Politik und beim Thema die Vorgehensweise von Michael Friedman sind die deutschen Politiker in aller Regel auf Tauchstation.

I: Mmh. Kommen wir noch mal zurück zu Ihnen und den Ermittlungen, die im Moment laufen gegen Sie. Es geht ja nicht nur um die Finanzierung des Flyers, sondern auch um fingierte Spenden, manipulierte, ähm, Unterlagen im NRW-Landesverband im Jahr 2000 zum Beispiel Was mich daran fasziniert, ist, dass das auf

dem Höhepunkt der Kohlschen und hessischen CDU 16 Spendenaffäre war. Haben Sie nie, und das Parteiengesetz ist verschärft worden, haben Sie nie mal daran gedacht, dass Sie dadurch im Knast landen könnten, ganz persönlich?

B: Ja, aber, äh, ich sag doch gerade, Ermittlungen sind Untersuchungen aufgrund von Behauptungen. Es gibt kein Strafverfahren gegen mich,…

I: Ja.

B: ich geh' davon aus, dass es eingestellt wird, und wäre dankbar, wenn das dann geschieht, dass Sie an einem solchen Abend das dann auch wieder…

I: Sie wieder einladen. B: ...breit bringen.

I: Sie… Sie sagen, es ist nicht belegt,... B: Ja, so ist es.

I: dass, ähm, das Spendernamen fingiert worden sind, zum Teil hießen die Leute Mustermann, die da Geld eingezahlt haben,

B: Gibt es viele. I: Ja, die gibt es. B: Schöner Name.

I. Ja, äh, würden Sie sich ausgedacht haben, mög… mag derjenige sich ausgedacht haben, der das Geld für Sie eingezahlt hatte?

B: Frau Bauer, das hat doch keinen Zweck, wenn ein Ermittlungsverfahren läuft, das ist auch unseriös, was Sie jetzt machen. Darf ich das in aller Härte sagen.

I: Mmh. Ich… 17

B: Is' wirklich, das ist wirklich nicht seriös.

I: Mmh. 18

B: Äh, wenn ein Ermittlungsverfahren läuft, wo die Staatsanwälte prüfen, wo Anwälte meine Rechte vertreten, dass Sie hier in einer Art öffentlichem Fernsehverhör glauben, sich an die Stelle der Anwälte oder Staatsanwälte setzen zu können. Hätten Sie mir das gesagt, dass das der Gegenstand des Gesprächs ist, hätte ich

Ihnen gesagt, unterhalten Sie sich bitte mit meinem Anwalt. 19

I: Heißt das auch, dass sie sagen, in Nordrhein-Westfalen ist nichts fingiert worden, keine Spendenquittungen,…

B: Na, ich sagte bereits, ich ich

I: sind keine Spenden gestückelt worden usw.?

B: ich stelle mich hier nicht einem Verhör anstelle des Gesprächs 20

mit der Staatsanwaltschaft.

21

I: Aha. Also keine Antwort auf die Frage.

B: Natürlich we… äh werde ich nicht die Details, äh, der Gespräche mit der Staatsanwaltschaft Ihnen hier dartun.

22

I: Sie… in Ihrem Buch, ähm…

B: Aber es sind Behauptungen Dritter, und eben nicht erwiesene Tatsachen.

I: Mmh. Sie sind mit… Sie sind wegen nichts verurteilt, ja das ähm,…

B: Ja das finde ich schon nicht unwichtig,… I: ist keine Frage.

B: find' ich nicht unwichtig.

I: Habe ich aber auch nicht behauptet. Ähm, wenn Sie im Moment…

B: Na jaaa, also, Sie haben da Vergleiche gezogen zu dem CDUSpendenprozess, wo von Gerichts wegen bewiesen worden ist, und das find' ich nicht fair.

23

I: Mmh.

B: (Applaus) Äh, ich finde das nicht in Ordnung, was Sie hier machen.

I: Mmh. Ähm, im Moment, ähm, stellen Sie in dem Buch eine Art vage Programmatik … (…)

Anmerkungen

1: Sinnvoll, hier eine geschlossene Frage zu stellen, um den Befragten festzulegen.

2. Interpretierende Nachfrage, gut, dass I den B damit zwingt, sich festzulegen. 3: Gut zugehört und eine schöne Folgerung aus der Antwort des Befragten.

4: Mutig und risikoreich, dies zuzugeben. Aber da eine solche Antwort selten ist, verblüfft sie offenkundig den Befragten und er nutzt dies nicht zu einer Kritik an der Interviewerin. Es ist daher wahrscheinlich eine gute Reaktion der Interviewerin.

5: Rückkehr zum Handlungsablauf, plastisch. 6: Präzise Frage.

7: Originell, damit karikiert die Interviewerin den Befragten, der sie doch karikieren wollte.

8: Riskante Frage, denn der Befragte könnte nach den vier Versionen fragen. Aber da er im ersten Teil des Interviews – und auch später – gelernt hat, die Interviewerin habe gut recherchiert, stellt er die Äußerung nicht in Frage.

9: Die Interviewerin setzt sich über den Applaus hinweg und bleibt bei Ihrem Thema.

10: Gutes Beispiel für hartnäckiges Nachfragen.

11: Das ist einer der klassischen Tricks der Befragten, Einwände abzuwehren… 12: …der erfreulicherweise hier nicht funktioniert.

13: Wieder: Recherchematerial.

14: Gut: Die Interviewerin besteht auf den Ergebnissen Ihrer Recherche.

15: Riskant: Die Interviewerin formuliert ihre Meinung. Der Befragte hätte hier mit der Gegenfrage reagieren können „Woher wissen Sie das?“.

16: Neues Thema. Handwerklich: Information plus Frage. Gute persönliche Frage am Ende der Information.

17: Gut aufgenommen.

18: Angriff des Befragten, um sich der Fragen zu erwehren.

19: Mit dem „Mmh“ lässt die Interviewerin die Kritik an sich abtropfen.

20: Neuerlicher Angriff, denn die Interviewerin wird langsam zur Staatsanwältin. 21: Dennoch: Sie macht unbeirrt weiter, was

22: bei dem Befragten zu einer neuerlichen Zensur der Interviewfragen führt, allerdings verheddert er sich in den folgenden Antworten.

23: Übergeht geschickt die Kritik mit einem neuen Thema.

25. Das lange Interview zur Person 323

 
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