Desktop-Version

Start arrow Medien und Kommunikationswissenschaft arrow Kommunikationsmanagement von Clusterorganisationen

  • Increase font
  • Decrease font


<<   INHALT   >>

5.5.2 Automobilwirtschaft

Die Automobilwirtschaft ist ein vergleichsweise etablierter Branchenkomplex und existiert in allen Ländern Europas. Der Begriff Automobilwirtschaft umfasst „alle Unternehmen, die überwiegend mit der Herstellung, der Vermarktung, der Instandhaltung sowie der Entsorgung von Automobilen und Automobilteilen beschäftigt sind“ (Diez/Reindl 2001: 59). Damit ist neben der produzierenden Automobilindustrie auch der Bereich Autohandel abgedeckt.

Kennzeichen der Automobilwirtschaft ist, dass sie in den westlichen Industrieländern als reifer Markt einzustufen ist: Es herrscht ein hoher Motorisierungsgrad und Fahrzeugbestand und auch die meisten Privathaushalte sind mit mindestens einem Pkw ausgestattet. Als betriebswirtschaftliche Folge der hohen Marktreife lässt sich festhalten, dass Automobilhersteller versuchen, die Fertigungsund Entwicklungstiefe zu verringern und auf die dem Verkauf nachgelagerten Stufen der Wertschöpfung Einfluss zu nehmen, da hier am ehesten noch Gewinnpotenziale erwartet werden (vgl. Diez 2006: 19f.). Die Automobilwirtschaft ist zudem durch konjunkturbedingte und saisonale Nachfrageschwankungen geprägt. In der Wirtschaftskrise der Jahre 2008/2009 war der schwere Umsatzeinbruch der Automobilwirtschaft deutlich zu spüren. Entsprechend ist die Automobilwirtschaft auch als zyklischer Markt zu begreifen (vgl. Diez 2006: 22f.).

Die Automobilwirtschaft stellt im Marktschema der mikroökonomischen Theorie ein Oligopol dar: Viele Nachfrager stehen relativ wenigen Anbietern gegenüber. Global existieren vergleichsweise wenige Automobilkonzerne, die wiederum aber eine Vielzahl von Marken unter sich vereinen: Toyota, Volkswagen und General Motors sind mit die größten Konzerne der Automobilwirtschaft. Damit lässt sich der Markt als sehr wettbewerbsintensiv bezeichnen. Es findet eine kontinuierliche Beobachtung der Wettbewerber untereinander statt, um Innovationen und neue Modelle oder Vertriebsstrategien frühzeitig zu erkennen und entsprechend schnell darauf zu reagieren (vgl. Diez 2006: 22 f.).

Die Struktur der Automobilwirtschaft lässt sich als Wertschöpfungskette über drei Stufen (vgl. Abbildung 13) modellieren (vgl. im Folgenden Diez/Reindl 2001:60):

Abbildung 13: Wertschöpfungskette der Automobilwirtschaft

Quelle: Diez/Reindl 2001:60

Auf der ersten Stufe der Wertschöpfungskette sind die Zulieferer angeordnet. Dabei lassen sich Zulieferer im weiteren Sinne – die auch noch andere Industrien beliefern und damit nicht Teil der Automobilwirtschaft sind (z.B. Stahlkonzerne) – und Zulieferer im engeren Sinne – die ausschließlich Automobilzulieferer sind – unterteilen. Auf der zweiten Wertschöpfungsstufe stehen die eigentlichen Automobilhersteller, die das Endprodukt Auto fertigen. Neben der Produktion haben diese Unternehmen auch enormen Einfluss auf Produkttechnologie und Markenbildung und steuern damit auch vorund nachgelagerte Wertschöpfungsstufen. Neben den Automobilherstellern sind auf dieser Stufe auch Komplementärbetriebe angeordnet, z.B. Hersteller von Karosserien und Aufbauten. Die dritte Wertschöpfungsstufe, das Kraftfahrzeuggewerbe, ist mit Vermarktung und Instandhaltung der Automobile beschäftigt. Dies sind sowohl fabrikatsgebundene Betriebe als auch freie Betriebe. Am Ende der Wertschöpfungskette steht schließlich der Kunde.

Von der Unternehmensstruktur ist die Automobilwirtschaft damit unterteilt in einige wenige Großkonzerne – die Automobilhersteller – mit enormen Einfluss auf alle Stufen der Wertschöpfung sowie in überwiegend mittelständisch geprägte Zulieferbetriebe und ein sehr kleinteilig organisiertes Kraftfahrzeuggewerbe.

Aus Sicht der Wertschöpfungskette hat sich die Automobilwirtschaft seit den 1980er Jahren erheblich verändert: Aus relativ geschlossenen nationalen Industrien hat sich nach und nach eine globale Wertschöpfungskette entwickelt (vgl. Sturgeon et al., 2008: 302). Gleichzeitig aber wurde auch die Produktion durch diese Entwicklung stärker regionalisiert,

d.h. die Standorte der Fabriken wurden geographisch breiter gestreut (vgl. Lung et al. 2004; Dicken 2005). Zu den Gründen dafür gehören die Nähe zu den Märkten, regionale Geschmacksunterschiede sowie auch politischer Druck (vgl. Sturgeon et al. 2008: 302f.). Einerseits konnten dadurch neue Automobilregionen entstehen, die sich durch die Etablierung regionaler Zulieferer zu Clustern entwickelt haben. Gleichzeitig aber bleibt festzuhalten, dass auch die alten Automobilcluster ihre Stellung behaupten konnten, v.a. als Keimzelle von Entwicklung und Innovation, was eine enge Zusammenarbeit von Ingenieuren und Designern erfordert: „the heavy engineering work of vehicle development, where conceptual designs are translated into the parts and sub-systems that can be assembled into a drivable vehicle, remain centralized in or near the design clusters that have arisen near the headquarters of lead firms“ (Sturgeon et al. 2008: 303). Die Automobilindustrie kann damit von der Industriestruktur her als Summe von global vernetzten spezialisierten Clustern verstanden werden (vgl. Sturgeon et al. 2008: 303).

 
<<   INHALT   >>

Related topics