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3.3.2 Spezifika von Clusterorganisationen

Eine Clusterorganisation wird im Rahmen dieser Arbeit als ein spezifischer Organisationstyp verstanden. In der Literatur ist bislang kein Konsens darüber erzielt worden, wodurch sich Clusterorganisationen im Einzelnen auszeichnen und wie sie sich von anderen Organisationstypen unterscheiden. Dies aber wäre nötig, um den Untersuchungsgegenstand abzugrenzen und zu einem einheitlichen Verständnis von Clusterorganisationen zu gelangen. Stattdessen ist die Literatur zu Clusterorganisationen eher deskriptiv und erschöpft sich vor allem in der Auflistung von Aufgaben und Zielen, häufig anhand von einzelnen Fallstudien (vgl. Lindqvist 2009: 256).

Für diese Arbeit wird daher der Ansatz gewählt, die in den organisationstheoretischen Grundlagen vorgestellten Organisationsmerkmale (vgl. Kap. 2.1) auf den Organisationstyp Clusterorganisation anzuwenden. Entsprechend werden Clusterorganisationen entlang der folgenden Merkmale analysiert:

1. Organisationsziele: Durch welche spezifischen Interessen und Ziele sind Clusterorganisationen gekennzeichnet? Auf welchen Zeithorizont hin sind Clusterorganisationen als Organisation angelegt?

2. Organisationsmitgliedschaft: Wer kann Mitglied werden und wie gestalten sich die Mitgliedsrollen? Durch welche Institutionen werden Mitgliedsrollen strukturiert?

3. Formale Struktur: Über welche Ordnung werden die organisationsinternen Interaktionen koordiniert und gesteuert? Auf welche Art und Weise grenzen sich Clusterorganisationen von anderen Handlungszusammenhängen und ihrer Umwelt ab?

Organisationsziele

Als das Ziel jeglicher Form von Clusterorganisation kann gelten, Entstehung, Wachstum und Weiterentwicklung eines Clusters zu fördern. Clusterorganisationen sind dadurch eng an einen vorgegebenen Raum gebunden – die Stadt oder Region, in der das Cluster entstehen oder weiterentwickelt werden soll und in der die Akteure der Clusterorganisation ihren Sitz haben. Der gemeinsam geteilte Raum aller Mitglieder der Clusterorganisation ist eines der wesentlichen verbindenden Elemente.

Wie eng oder weit das Verständnis von Region dabei angelegt werden sollte, wird in der Praxis uneinheitlich gehandhabt. Auch muss Region nicht zwingend mit einer Verwaltungsregion sein – wobei dies durch involvierte Akteure der öffentlichen Verwaltung häufig so ist. Inhaltlich aber drehen sich Clusterorganisationen um funktionale Regionen (vgl. Karlsson/Olsson 2006). Clusterorganisationen sind auf der subnationalen Ebene angesiedelt und können sich auf einen Stadtteil, einen Technologiepark, eine Stadt oder auch eine Metropolregion oder grenzüberschreitende Region beziehen.

Inhaltlich verfolgen Clusterorganisationen auf höchst unterschiedliche Weise ihren Organisationszweck. Die Ziele umfassen dabei in der Regel sowohl unternehmensbezogene als auch lokale und regionale Ziele. Dies kann durchaus zu Spannungen führen (vgl. Beer/Terstriep 2010).

Lindqvist (2009: 260f.) kritisiert, dass in der Literatur die Analyse dessen, was Clusterorganisationen tun, höchst deskriptiv sei und dass die dabei zustande kommenden Auflistungen einfach zu Listen von clusterpolitischen Zielen führten, anstatt zu einer integrierten Sicht von organisationsspezifischen Zielen. Ausgehend von einer quantitativen Auswertung gruppiert Lindqvist (2009: 62) die Aktivitäten von Clusterorganisationen in sieben Handlungsfelder, die eine Typologie der Ziele von Clusterorganisationen bilden:

Ÿ Gemeinsame Produktion

Ÿ Personalentwicklung

Ÿ Markenbildung

Ÿ Unternehmensentwicklung

Ÿ Wirtschaftliches Umfeld

Ÿ Marktinformationen

Ÿ Gemeinsame Forschung und Entwicklung

Das „Cluster Initiative Greenbook“ (Sölvell et al. 2003: 27ff.) gruppiert die möglichen Ziele in sechs Segmente, denen jeweils mehrere Ziele zugeordnet sind:

Tabelle 3: Ziele von Clusterorganisationen

Typischerweise verfolgen Clusterorganisationen Ziele aus vier bis fünf dieser sechs Segmente gleichzeitig. Diese aufgeführten Ziele treten unterschiedlich häufig bei Clusterorganisationen auf. Eine Umfrage unter 509 Clusterorganisationen (Sölvell et al. 2003: 27) nennt in absteigender Reihenfolge die folgenden zehn Ziele als häufigste Nennungen:

1. Personennetzwerke

2. Unternehmenswachstum

3. Unternehmensnetzwerke

4. Innovationsfähigkeit fördern

5. Neue Technologien

6. Unternehmensansiedlung

7. Marke für die Region entwickeln

8. Exportunterstützung

9. Geschäftsunterstützung

10. Marktdaten

Auch wenn sich die konkrete Benennung im Einzelnen unterscheiden mag, ist doch festzustellen, dass das Spektrum der Ziele von Clusterorganisationen international vergleichsweise homogen ist. Dies spricht dafür, dass die zunehmende Professionalisierung des Clustermanagements zu einem gängigen Repertoire an Zielen für die Organisationsform Clusterorganisation geführt hat (vgl. Terstriep 2008: 8). Jedoch gibt es Unterschiede bei den Schwerpunktsetzungen, was u.a. auf unterschiedliche Mitgliederzusammensetzungen, regionale Bedürfnisse, Branchenanforderungen, aber auch Organisationsstrukturen oder Finanzierungsmodelle zurückzuführen sein kann.

Daneben spielt auch das makroökonomische Umfeld eine bedeutsame Rolle. So gibt es deutliche Unterschiede in der Priorisierung der Ziele, je nachdem, ob eine Clusterorganisation in einem westlichen Industrieland (Advanced Economy), einem Schwellenland (Transition Economy) oder einem Entwicklungsland (Developing Economy) aktiv ist (vgl. Lindqvist 2009: 56f.).

Tabelle 4 gibt das Ergebnis einer Untersuchung von über 500 Clusterorganisationen im Rahmen des Global Cluster Initiative Survey 2005 (vgl. Ketels et al. 2006) wieder. Die Clusterorganisationen wurden gefragt, welche Ziele von Clusterorganisationen für sie zu den drei wichtigsten gehören. Anhand der Antworten lassen sich Rangunterschiede bei den Zielen zwischen Organisationen aus Industrie-, Schwellenund Entwicklungsländern erkennen: Deutlich ist, dass Clusterorganisationen in Industrieländern vor allem Innovationsförderung als Ziel angeben, gefolgt davon, das Wettbewerbsumfeld zu stimulieren und Investoren und neue Firmen anzulocken. Im starken Gegensatz dazu steht bei Clusterorganisationen in Entwicklungsländern die Erhöhung des Wertschöpfungsbeitrags der Produktion als oberste Priorität, gefolgt von Exportförderung. In Schwellenländern ist die Rangfolge vergleichbar.

Die Ziele von Clusterorganisationen unterscheiden sich aber auch in Industrieländern abhängig davon, welche Ausprägung das makroökonomische Umfeld der Organisation hat. Lindqvist (2009: 56ff.) nutzt den „Varieties of Capitalism“-Ansatz (Hall/Soskice 2001), um dein Einfluss der Nationalökonomie auf die Ziele von Clusterorganisationen deutlich zu machen. Danach lassen sich „liberale Marktwirtschaften“ (liberal market economies), in denen Firmen vor allem über Hierarchie und Wettbewerb ihre Aktivitäten ausführen, von „koordinierten Marktwirtschaften“ (coordinated market economies) unterscheiden, in denen nicht-marktliche Beziehungen eine bedeutendere Rolle spielen, z.B. über Eingriffe des Staates. In Europa wäre damit Großbritannien ein Beispiel für eine liberale Marktwirtschaft und Deutschland ein Beispiel für eine koordinierte Marktwirtschaft. Firmen und andere Organisationen richteten sich in ihren Aktivitäten auf diese Ausprägung hin aus. Lindqvist (2009: 57f.) macht deutlich, dass dies auch auf Clusterorganisationen zutrifft: In koordinierten Marktwirtschaften legen Clusterorganisationen ihren Fokus stärker auf Vernetzung von Wirtschaft und Wissenschaft zur Innovationsförderung und sind generell stärker von staatlicher Seite beeinflusst, während es in liberalen Marktwirtschaften einen stärkeren Fokus auf Exportförderung gibt.

Tabelle 4: Clusterorganisationsziele nach Entwicklungsstand des Landes

Im Großteil der Literatur zum Clusterkonzept und zu Clusterpolitik werden Cluster als objektiv beobachtbare Einheiten behandelt (vgl. Lindqvist 2009: 64). Zu wenig findet dabei die subjektive Wahrnehmung von Clustern durch verschiedene Akteure Beachtung. Gerade aber das Verständnis eines Clusters als kognitives Konstrukt gewinnt an Bedeutung, wenn Clusterorganisationen ins Zentrum des Forschungsinteresses rücken. In Clusterorganisationen arbeiten sehr verschiedene Akteure zusammen, bei denen es eine Rolle spielt, welches Verständnis eines Clusters sie haben und welche Erwartungen sie an den Erfolg einer Clusterorganisation stellen (vgl. Lindqvist 2009, S 26; Kasabov/Sundaram 2013). Die Akteure haben sehr unterschiedliche Hintergründe und repräsentieren verschiedene Anspruchsgruppen. Grundsätzlich ist jeder Akteur bestrebt, im Rahmen der Clusterorganisation Ziele zu erreichen, die er selbstständig nicht erreichen kann. Welche Ziele dies im Einzelnen sind, ist aber je nach Hintergrund unterschiedlich. Mindestens lassen sich Akteure aus dem öffentlichen Bereich und Akteure aus dem privatwirtschaftlichen Bereich voneinander abgrenzen. Vertreter von öffentlichen Organisationen werden vor allem die Interessen des Standorts und Beschäftigungswachstum im Blick haben, während es Unternehmensvertretern um Profitmaximierung geht (vgl. Teigland/Lindqvist 2007).

Diese verschiedenen Akteure werden eine deutlich unterschiedliche Wahrnehmung des Clusters haben, die sich in unterschiedlichen Zielen und Prioritäten manifestiert. Diese Unterschiede können zu einem Problem für den Erfolg der Clusterorganisation werden, wenn es nicht gelingt, die unterschiedlichen Perspektiven zu integrieren. Ergebnisse der Organisationsforschung legen nahe, dass in Organisationen, die aus einer Vielzahl von heterogenen Mitgliedern bestehen, die Vielfalt zu einem Hemmnis für die Entscheidungsfindung werden könne und entsprechend die Interaktionsprozesse erschwere (vgl. Maznevski 1994). Diese Vielfalt der unterschiedlichen Ziele und Motivationen könne in ineffektiver Kommunikation resultieren, die wiederum zu einem Scheitern der Organisation führen könne. Umgekehrt könne ein Zielkonsens in organisationsübergreifenden Beziehungen zu einer besseren Performanz führen (vgl. Van de Ven 1976; Provan/Kenis 2007). In Gruppen, die aus sehr heterogenen Mitgliedern bestehen, nähmen die verschiedenen Mitglieder nicht nur unterschiedliche Informationen wahr – sie nähmen auch dieselben Informationen unterschiedlich wahr, was die Konstruktion einer gemeinsam geteilten sozialen Realität verhindere (vgl. Maznevski 1994). Dieser soziale Aspekt von Clusterorganisationen wurde nur wenig erforscht.

Lindqvist (2009: 285ff.) stellt anhand einer Fallstudie einer BiotechnologieClusterorganisation in Uppsala dar, dass die Mitglieder der Organisation, die aus dem öffentlichen Bereich stammen, ein deutlich positiveres Bild von der Wettbewerbsfähigkeit des Firmen im Cluster haben als die Firmen selber. Zu vergleichbaren Ergebnissen kommen Kasabov/Sundaram (2013) in einer empirischen Untersuchung des BiotechnologieClusters in Südwestengland. Die Gründe für diese optimistischere Sicht des Clusters und der Clusterorganisation aus Sicht der öffentlichen Akteure lassen sich unterschiedlich erklären. So ist etwa denkbar, dass die Unternehmen, die sich tagtäglich im Wettbewerb mit Konkurrenten befinden, sowohl regional als auch international, eine deutlich nüchternere Sicht auf die die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts und dessen, was eine Clusterorganisation leisten kann, haben, als die öffentlichen Akteure, die sich solchen wirtschaftlichen Herausforderungen nicht stellen müssen und denen sich insofern eine verklärte Sicht der wirtschaftlichen Situation vorwerfen ließe (vgl. Lindqvist 2009: 302). Andererseits ließe sich auch argumentieren, dass die öffentlichen Akteure einen besseren Einblick in die Gesamtsituation am Standort haben, da sie mit einer Vielzahl von Unternehmen im Austausch stehen und so ein vollständigeres Bild der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der regionalen Wirtschaft haben können, als dies einzelnen Unternehmen möglich ist. Zudem schätzen öffentliche Akteure den möglichen Effekt von Clusterorganisationen sowie ihre Rolle bei der Unterstützung der Firmen höher ein als die Mitglieder aus dem privatwirtschaftlichen Bereich.

Insgesamt zeigt sich daran, dass die verschiedenen Mitglieder von Clusterorganisationen eine unterschiedliche Realitätswahrnehmung haben und entsprechend auch unterschiedliche Ziele durch ihr Engagement in einer Clusterorganisation verfolgen. Aufgrund der unterschiedlichen Wahrnehmung der Wettbewerbssituation des Clusters können die Akteure auch den Handlungsbedarf auf verschiedenen Feldern verortet sehen.

Provan/Kenis (2007) argumentieren, dass ein organisationsübergreifendes Netzwerk auch effizient sein könne, wenn nur ein mittlerer Zielkonsens zwischen den Mitgliedern herrsche – solange das Management der Beziehungen effizient organisiert sei. Die Aufgabe des Managements der Clusterorganisation sei es, die Kommunikation mit den Mitgliedern aufrecht zu erhalten, die Ziele transparent zu machen, mögliche Konflikte aufzulösen und die Bindung an und das Engagement in der Clusterorganisation zu fördern. Das Kommunikationsmanagement kann dazu einen wesentlichen Beitrag leisten.

 
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