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3.3 Clusterorganisationen

3.3.1 Definition und Abgrenzung

Ein Cluster durchläuft mehrere Entwicklungsphasen. Sobald ein Cluster nicht nur statistisch identifiziert wird, sondern sich auch bei den Akteuren aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik in der Region ein gemeinsames Verständnis davon entwickelt, gemeinsam ein Cluster zu bilden, und sich eine Struktur bildet, die dieses Cluster weiterentwickeln soll, kommen die Frage nach der Cluster-Governance auf, d.h. auf welche Art und Weise und durch wen die Aktivitäten umgesetzt werden sollen. Die Gründung einer Clusterorganisation ist dabei eine von mehreren Möglichkeiten.

Von Provan/Kenis (2007: 233ff.) stammt eine Typologisierung verschiedener Clustermanagement-Modelle. Sie unterscheiden einerseits zwischen einer Steuerung durch die Mitglieder selber oder durch einen externen Akteur, andererseits zwischen einer verteilten und einer zentralisierten Governance. Aus den verschiedenen Kombinationen ergeben sich drei Typen des Clustermanagements:

1. Ein erstes Modell des Clustermanagements besteht aus einer verteilten Steuerung durch die Mitglieder selbst: „At one extreme, networks may be governed completely by the organizations that comprise the network“ (Provan/Kenis 2007: 233). Dies führt zu einer höchstgradig dezentralisierten Cluster-Governance, bei der jeder Akteur mit jedem anderen interagiert, wodurch ein dichtes Netzwerk ohne Zentrum entsteht. Die Verantwortung für die verschiedenen Clustermanagement-Aufgaben wird unter den Partnerunternehmen aufgeteilt und von keinem wird eine dezidierte Führungsrolle eingenommen. Entscheidungen werden kollektiv getroffen und keine einzelne Partnerorganisation repräsentiert das Cluster als Ganzes. Das Management kann in seiner Ausprägung dabei von formal bis eher informell reichen, d.h. von regelmäßigen Treffen designierter Partnerrepräsentanten bis hin zu kontinuierlichen, aber unkoordinierten Aktivitäten interessierter Akteure (vgl. Provan/Kenis 2007: 234). Ein Netzwerk, das diesem Modell der Cluster-Governance folgt, ist hochgradig abhängig vom Engagement der Partner.

In vielen Situationen kann die verteilte Cluster-Governance zu EffizienzProblemen führen, da Abstimmungsprozesse sehr lange dauern können: „While shared, participant governance may involve many or all network members, there are many situations that may not be conducive to such decentralized, collective selfgovernance“ (Provan/Kenis 2007: 235).

2. Ein zweites Modell der Cluster-Governance, das auch auf Clustermanagement durch die Mitglieder selber aufbaut, besteht daher darin, die wichtigsten ClustermanagementAufgaben bei einer einzelnen Leitorganisation, z.B. einem großen Unternehmen oder einer Universität, zu konzentrieren: „In business, lead organization governance often occurs in vertical, buyer-supplier relationships, especially when there is a single powerful, often large, buyer/supplier/funder and several weaker and smaller supplier/buyer/resource recipient firms“ (Provan/Kenis 2007: 235). Die einzelnen Partner sind in diesem Fall nur für wenige Aufgaben selber verantwortlich. Hier liegt eine hochgradig zentralisierte ClusterGovernance vor, die zu asymmetrischen Machtverhältnissen im Cluster führen kann. Die Leitorganisation verfügt über genügend Ressourcen und die Legitimation, eine derartige Führungsrolle einzunehmen. Sie trifft alle wichtigen Entscheidungen selbst und führt die meisten Cluster-Aktivitäten durch bzw. unterstützt die Partner beim Erreichen der Cluster-Ziele. Die Ressourcen werden entweder von der Leitorganisation selbst gestellt oder anteilig von den Partnern getragen. Ebenso kann eine Finanzierung ganz oder teilweise durch Fördermittelgeber erfolgen. Die Aufgaben der Leitorganisation können aus dem Kreis der Partner heraus entstanden oder auch per Mandat von einem Fördermittelgeber gekommen sein (vgl. Provan/Kenis 2007: 235f.).

3. Wo die Leitorganisation noch selber ein Cluster-Akteur ist, besteht eine weitere Ausprägung der zentralisierten Cluster-Governance darin, dass eine neue Organisation als separate administrative Einheit nur für das Clustermanagement aufgesetzt wird – Provan/Kenis (2007: 236) nennen dies eine „Network Administrative Organization“, was als synonym mit einer Clusterorganisation zu verstehen ist. Im Gegensatz zum Modell der Leitorganisation ist diese Managementorganisation selber kein Cluster-Akteur, sondern eine externe Organisation, deren einzige Aufgabe das Clustermanagement ist. Diese ist z.B. „a government entity, or a nonprofit, which is often the case even when the network members are for-profit firms“ (Provan/Kenis 2007: 236). Ähnlich beschreibt auch die OECD (2000: 26) diese Form der Cluster-Governance, bei der ein externer Akteur das Clustermanagement ausübt:

„Active clustering may require a new form of cluster-wide, dynamic self-help organisation. It is often easiest to start afresh with a new form of governance, a more concentrated spatial focus and a ‚cluster' rather than ‚industry' reach. Once operational, a new organisation can be folded into established structures. Such organisations require committed leadership, active participation from the relevant members of the public and private sectors, and a dedicated secretariat to take care of ongoing activities.“

Eigenständige Clusterorganisationen sind ein Werkzeug der Clusterpolitik, um die Clusterentstehung in einer Region zu befördern und die Wettbewerbsfähigkeit eines Clusters zu erhöhen (vgl. Lindqvist 2009: 18). Sie lassen sich daher auch als die „normative Wendung eines empirisch festgestellten Phänomens“ (Pätzold/Spars 2008: 105) betrachten. Während das Clusterkonzept zunächst nur ein theoretisches Konstrukt ist, für dessen reale Auswirkungen es empirische Hinweise gibt, und Clusterpolitik eine Rezeption des Clusterkonzepts in der Wirtschaftspolitik ist, dreht es sich bei Clusterorganisationen um die operative Umsetzung dieses Konzepts.

Diese eigenständigen Clusterorganisationen sind das Untersuchungsobjekt dieser Arbeit, da es sich hier um eine neue Organisationsform handelt, während die ersten beiden Formen der Cluster-Governance schwerpunktmäßig auf neue Funktionen des Netzwerkmanagements in existierenden Organisationsformen aufbauen. Selbstverständlich sind diese drei Typen nur die Idealformen, zwischen denen in der Realität ein Kontinuum an Erscheinungsformen existiert, so dass etwa auch das bei einer Leitorganisation verortete Clustermanagement nach außen wie eine eigenständige, separate Clusterorganisation auftreten kann. Hier existiert die Clusterorganisation informell, aber nicht als rechtliche Einheit.

Auch hier besteht jedoch Bedarf für terminologische Klärung. In der wirtschaftspolitischen Praxis wird etwa auch von Clustern gesprochen, wenn eigentlich Clusterorganisationen gemeint sind (vgl. Kiese 2008c: 11f; Bode 2011: 146). Ebenso mehrdeutig wird der Begriff Clusterinitiative genutzt. Als Clusterinitiative werden zum einen clusterpolitische Initiativen verstanden (vgl. Lindqvist 2009: 18), etwa die Cluster-Offensive Bayern der bayerischen Landesregierung [1]. Gleichzeitig wird eine Clusterinitiative aber z.T. auch als regionales Netzwerk verstanden, das als Clusterorganisation agiert (vgl. Sölvell et al. 2003). Während der Begriff Clusterinitiative stark auf die Handlungen abhebt, um ein Cluster zu erzeugen, verweist der Begriff der Clusterorganisation stärker auf die Organisationseinheiten, die solche Handlungen als Akteur umsetzen (vgl. Lindqvist 2009: 18). Eine Clusterinitiative enthält typischerweise eine Clusterorganisation – oder auch mehrere, wenn für jedes Cluster eine eigene Organisation gegründet wird (vgl. Europäische Kommission 2008: 8). Auch in der Praktikerliteratur werden Clusterinitiative und Clusterorganisation zum Teil synonym verwendet. Das Cluster Initiative Green Book (vgl. Sölvell et al. 2003) verwendet etwa den Begriff Clusterinitiative, meint aber eigentlich Clusterorganisation. Das European Cluster Observatory nutzt hingegen dafür ausschließlich den Begriff Clusterorganisation (vgl. European Cluster Observatory 2008: 8).

Im Rahmen dieser Arbeit wird ausschließlich der Begriff Clusterorganisation verwendet. Da sich diese Arbeit mit Fragen der Organisationskommunikation beschäftigt, wird mit dieser Begriffswahl hinreichend deutlich gemacht, wer der Akteur der Kommunikation ist.

Die akademische Literatur, die sich Clusterorganisationen widmet, ist relativ spärlich. Meist werden sie als Randaspekt in Artikeln erwähnt, die sich der Clusterpolitik oder dem Clusterkonzept widmen (vgl. z.B. Enright 2000; Fromhold-Eisebith/Eisebith 2005). Eine Ausnahme bildet Lindqvist (2009). Ebenso werden Clusterorganisationen implizit in Texten zum Clustermanagement abgehandelt (vgl. z.B. Terstriep 2008). Dennoch finden sich Informationen zu Clusterorganisationen vornehmlich abermals in Texten, die für die Praxis gedacht sind.

Die zahlreichen handlungspraktischen Clustermanagement-Handbücher definieren Clusterorganisation jeweils auf eigene Art. Im Cluster Management Guide des EU-Projekts „Clusters linked over Europe“ (CLoE) findet sich die Definition einer Clusterorganisation als „organised regional sectorial networks among economic partners aiming at improving innovation performance and international competitiveness“ (CLoE 2006: 10). Das Cluster Initiative Greenbook (Sölvell et al. 2003) definiert Clusterorganisationen folgendermaßen:

„Cluster initiatives are organised efforts to increase the growth and competitiveness of clusters within a region, involving cluster firms, government and/or the research community“ (S. 31). Das European Cluster Observatory versteht Clusterorganisationen als „publicprivate organisation set up to improve the growth and competitiveness of a cluster in a region“ (European Cluster Observatory 2010: 8). Die deutsche Initiative Kompetenznetze Deutschland, die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) ins Leben gerufen wurde, versammelt zahlreiche Netzwerke, die als Clusterorganisation gelten können. Der Begriff Clusterorganisation wird dabei zwar nicht verwendet, es ist vielmehr von Kompetenznetzen die Rede. Es wird aber auch ausgedrückt, dass „Kompetenznetze, die eine regionale Orientierung aufweisen, ein Instrument [sind], um Cluster gezielt zu entwickeln“ (Meier zu Köcker/Buhl 2008: 9). Derartige Kompetenznetze können also ebenfalls als Synonym für Clusterorganisationen gelten.

Die Existenz der verschiedenen Definitionen von Clusterorganisation verdeutlicht die Notwendigkeit, auch im Rahmen dieser Arbeit klarzustellen, welches Verständnis von einer Clusterorganisation verfolgt wird. Gerade für die empirische Erhebung ist eine Eingrenzung und Abgrenzung vonnöten. Dabei soll hier eine Definition von Clusterorganisationen angelegt werden, die eine eindeutige Definition von Clusterorganisationen in der Praxis zulässt und andererseits eine hohe Kompatibilität zu bisherigen Definitionen in der Literatur aufweist.

Aus den verschiedenen Definitionen von Clusterorganisationen sowie den eingehend beschriebenen Charakteristika des Clusterkonzepts und der Organisationskommunikation lässt sich für die Zwecke dieser Arbeit die folgende Definition synthetisieren:

  • [1] Vgl. cluster-bayern.de, zuletzt abgerufen am 20.3.2015
 
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