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2.3.4 Theorien der integrierten Organisationskommunikation

Die dargestellte zunehmende Konvergenz der Handlungsfelder Marketing und PR führt dazu, dass Ansätze, die die Kommunikation einer Organisation gesamthaft betrachten und steuern wollen, heute den Theoriediskurs dominieren. Diese Ansätze kursieren unter verschiedenen Bezeichnungen. Neben dem bereits diskutierten Begriff Kommunikationsmanagement sind auch Termini wie Corporate Communications, Unternehmenskommunikation oder integrierte Kommunikation gebräuchlich (vgl. Nothhaft 2011: 285). Darin äußert sich das Bestreben, die vielfältigen Kommunikationsmaßnahmen eines Unternehmens mit internen und externen Zielgruppen zu koordinieren und an den Unternehmenszielen auszurichten, um in der Kommunikation ein einheitliches Erscheinungsbild zu gewährleisten. Welchem Verständnis allerdings im Einzelnen gefolgt wird, unterscheidet sich von Ansatz zu Ansatz jedoch stark.

Die wissenschaftliche Diskussion zu integrierten Ansätzen der Organisationskommunikation geht von der Grundannahme aus, dass es positiv für eine Organisation sei, wenn sie totale Kontrolle über sämtliche Kommunikationsaktivitäten erlange und diese dahingehend steuere, dass ein einheitliches Bild der Organisation über alle Kanäle vermittelt wird (vgl. Christensen/Cornelissen 2013; Sandhu 2013).

In der Praxis insbesondere großer Unternehmen führt dies zu Versuchen, alle Kommunikationsaktivitäten unter einem einheitlichen Dach zu bündeln, häufig unter der Bezeichnung Corporate Communications. Die theoretische Beschäftigung mit Corporate Communications ist jedoch meist darauf beschränkt, summarisch aufzuführen, welche Kommunikationsaufgaben von Corporate Communications integriert werden (vgl. Argenti 1998; Dilenschneider 2000). So teilt auch van Riel die verschiedenen Teilbereiche der Corporate Communications in Management Communication, Marketing Communication sowie Organizational Communication ein (vgl. van Riel 1997; van Riel/Fombrun 2007; Herger 2004: 90f.).

Anders als ein Dachbegriff für verschiedene Teilbereiche der Kommunikation zu sein, kann als eigentliche Aufgabe der Corporate Communications jedoch die Orchestrierung der verschiedenen internen und externen Kommunikationskanäle hin zu einem einheitlichen Erscheinungsbild gegenüber unterschiedlichen Stakeholdern gelten (vgl. z.B. van Riel/Formbrunn 2007; Cornelissen 2008; Christensen/Cornelissen 2013). Anstatt also unterschiedliche Botschaften gegenüber unterschiedlichen Stakeholdern zu vertreten, sollen Organisationen mittels Corporate Communications zu einer einheitlichen und konsistenten Botschaft gegenüber verschiedenen Stakeholdern gelangen (vgl. z.B. Schultz/Schultz 2003; van Riel/Formbrunn 2007). „A central characteristic of corporate communications as a field of research and practice, thus, is that it conceives of the organization as a single unit in comparison with its stakeholders“ (Christensen/Cornelissen 2013: 48). Im Kern der Corporate Communications steht also die Integration, Koordination und Orchestrierung der Kommunikationen einer Organisation, um ein kohärentes und konsistentes Erscheinungsbild gegenüber verschiedenen Zielgruppen und Medien zu erreichen (vgl. Christensen/Cornelissen 2013: 47)

Theorien der integrierten Organisationskommunikation stammen nicht nur aus der Betriebswirtschaft, sondern auch aus der Kommunikationswissenschaft: Herger (2004: 125133; 2006: 52ff.) entwickelt so etwa eine Matrix der ganzheitlichen Organisationskommunikation, in die er sowohl Marktkommunikation als auch Public Relations einordnet. Während die Marktkommunikation – also das Marketing – transaktionsorientiert sei, sei die Public Relations interaktionsorientiert. Dabei sieht er „Marketing und Public Relations als gleichrangige Bereiche mit unterschiedlichen Fachkompetenzen unter einer Organisationseinheit zusammengefasst“ (Herger 2006: 51). Für beide Kommunikationsbereiche gebe es jeweils eine Angebotsebene sowie eine Organisationsebene. Entsprechend kommt er zu einer Vier-Felder-Matrix der Organisationskommunikation (vgl. Herger 2004: 127).

Einen ähnlich integrierten Ansatz entwickelt Zerfaß (2004) mit seinem Modell der Unternehmenskommunikation. Diesem ursprünglich 1996 vorgestellten Ansatz gelingt es in besonderem Maße, sowohl die kommunikationswissenschaftlichen als auch die betriebswirtschaftlichen Aspekte zu integrieren und dabei den Fokus auf den organisatorischen Gesamtkontext zu legen. Mit starkem Bezug auf Grunig rekonstruiert er PR als „unverzichtbaren Bestandteil der strategischen und operativen Unternehmensführung“ (2004: 290). Zerfaß untermauert nicht nur Grunigs Modell, sondern geht darüber hinaus: Eine einheitliche sozialtheoretische Grundlegung sei erforderlich zur Verknüpfung von Erkenntnissen aus den verschiedenen Wissensgebieten, um nicht beliebig Konzepte miteinander zu mischen, die eigentlich auf unterschiedlichen Grundlagen beruhten (Zerfaß 2007: 23). Entsprechend geht die Theorie der Unternehmenskommunikation nach Zerfaß (2004) hier gegenüber Grunig einen Schritt weiter, indem sie eine einheitliche sozialwissenschaftlich fundierte Basis schafft. Dies ist bei Zerfaß das Ergebnis der Verknüpfung von sozialund gesellschaftstheoretischen, kommunikationsund PR-theoretischen sowie wirtschaftswissenschaftlichen Ansätzen.

Zerfaß fasst unter dem Begriff Unternehmenskommunikation sämtliche Kommunikationsprozesse in und von erwerbswirtschaftlichen Organisationen zusammen: Unternehmenskommunikation seien „alle kommunikativen Handlungen von Organisationsmitgliedern, mit denen ein Beitrag zur Aufgabendefinition und -erfüllung in gewinnorientierten Wirtschaftseinheiten geleistet wird“ (Zerfaß 2004: 287). In dieser Sicht erfülle Unternehmenskommunikation die Aufgabe, potenziell divergierende Handlungen im Organisationsfeld, in der ökonomischen Sphäre und in den gesellschaftspolitischen Handlungsarenen miteinander abzustimmen und die Zielerreichung der Organisation zu unterstützen.

Der Ansatz legt den Fokus auf die Unternehmung und ihre Rolle in der Gesellschaft. Unternehmenspolitische Handlungsspielräume sind von gesellschaftlicher Akzeptanz abhängig, und so sei in Unternehmen nicht nur eine Ausrichtung der kommunikationspolitischen Instrumente auf die Absatzmärkte notwendig, sondern ebenso auf die gesellschaftlichen Bezugsgruppen wie auch die eigenen Mitarbeiter. Dies geschehe alles vor dem Hintergrund der Aufgabe jeder Unternehmung: Gewinn zu erzielen (vgl. Zerfaß 2004: 302).

Als Ergebnis steht eine Neuordnung der kommunikativen Funktionen von Unternehmen unter einer einheitlichen Zugangsweise: Marktkommunikation, Organisationskommunikation und PR seien danach die drei Komponenten der Unternehmenskommunikation. Wo Marktkommunikation die Kommunikation mit dem Marktumfeld bezeichnet, handele es sich bei Organisationskommunikation um die Kommunikation mit dem (internen) Organisationsumfeld. PR schließlich sei danach die Kommunikation mit dem gesellschaftlichen Umfeld. Als Hauptgrund für diese begriffliche Trennung von Kommunikationsarten nennt Zerfaß unterschiedliche Koordinationsmechanismen in den verschiedenen Kommunikationsarenen:

Ÿ Organisationskommunikation richte sich nach innen auf die Organisationsöffentlichkeit. Dabei unterscheidet Zerfaß zwischen der direkten Kommunikation zwischen den verfassungskonstituierenden Organisationsmitgliedern einerseits und der administrativen Koordination der übrigen Rollenträger (vgl. Zerfaß 2004: 289).

Ÿ Bei Marktkommunikation konstituieren die Akteure der Absatzmärkte die Öffentlichkeit. Marktkommunikation folge einer tauschvertraglichen Abstimmung (vgl. ebd.).

Ÿ PR schließlich sind die Kommunikationsaktivitäten im gesellschaftspolitischen Umfeld, die das Ziel einer Integration der wesentlichen Bezugsgruppen in die Unternehmung haben. Soziale Integration habe das Ziel, „prinzipielle Handlungsspielräume zu sichern und konkrete Strategien zu legitimieren“ (Zerfaß 2004: 317).

Diese Dreiteilung findet auch noch in Zerfaß (2007) statt, wobei Organisationskommunikation nun terminologisch in interne Kommunikation geändert wurde. Im Rahmen dieser Theorie ist damit nach wie vor dasselbe gemeint, jedoch wird durch diese Umbenennung die Mehrdeutigkeit des Begriffs Organisationskommunikation umgangen (vgl. Kap. 2.3.1: 53).

Abbildung 6: Teilbereiche der Kommunikation von Unternehmen

Quelle: Zerfaß 2004: 289

Zerfaß stellt die Beziehungen eines Unternehmens zu dessen sozialem Umfeld als Integrationsproblematik dar. Kommunikationsmanagement wird danach zu einem Koordinationsmechanismus der sozialen Integration, der vor dem Hintergrund von Effektivitätsund Effizienzkriterien umgesetzt werden müsse. Kommunikation als soziales Handeln kann dabei eine sehr unterschiedlich große Reichweite haben. Zerfaß (2004: 122f. und 208ff.) spricht dabei von einer Integration im Nahbereich (unter Anwesenden) sowie einer Integration im Fernbereich (durch medial vermittelte Kommunikation).

Ein wesentliches Element von Zerfaß' Ansatz ist, dass die Kommunikation mit den Absatzmärkten und die Kommunikation mit dem gesellschaftspolitischen Umfeld gleichrangig nebeneinander stehen und nicht in einer Hierarchie. Hier folgt Zerfaß einem Leitbild der integrierten Kommunikation, nach dem die drei Teilbereiche der Unternehmenskommunikation gesamthaft betrachtet und inhaltlich, formal, zeitlich und dramaturgisch abgestimmt werden müssten (vgl. Zerfaß 2007: 23).

Um dies realisieren zu können, plädiert Zerfaß im Anschluss an Grunig für eine Einbettung des Kommunikationsmanagements auf oberster Ebene im Organisationsgefüge, z.B. als Stabstelle der Geschäftsführung. Unternehmenskommunikation sei nur dann erfolgreich, wenn sie direkt mit der Unternehmensstrategie abgeglichen sei und deren Ziele unterstütze.

Zerfaß erweitert Grunigs Ansatz jedoch, indem er an die Erkenntnisse der Strukturationstheorie anknüpft. Die strukturationstheoretische Annahme, dass Struktur und Handlung sich gegenseitig bedingen und dass im Handeln Strukturen (re)produziert und verändert werden, führt aus Perspektive des Kommunikationsmanagements zu der Frage, inwieweit Organisationen durch kommunikatives Handeln selber die Strukturen verändern können, die sie prägen. Denn Kommunikation als soziales Handeln diene nicht nur der Vermittlung von Bedeutungen, sondern auch der Beeinflussung: „Wer als Kommunikator oder Rezipient aktiv wird, will entweder bei sich selbst oder bei anderen Wissen, Einstellungen, Vorstellungsbilder und Handlungsweisen verändern, sei es durch eine diskursive Erörterung im kleinen Kreis oder durch persuasive Formen der Massenkommunikation“ (Zerfaß 2004: 141ff.).

Kommunikationsmanagement finde dabei in einem Wechselspiel zwischen Struktur und Handlung statt. Einerseits befänden sich Organisationen in einem vorgegebenen Spannungsfeld von Stakeholder-Interessen und es existierten etablierte Modi und Verfahrensweisen der Kommunikation wie etwa die Routinen der Pressearbeit und des Lobbying. Andererseits könne das Kommunikationsmanagement auch partiell existierende Regeln beeinflussen und verändern und damit die Unternehmensumwelt gestalten. Kommunikation diene der Verständigung mit internen und externen Anspruchsgruppen, gleichzeitig aber auch der Beeinflussung und damit der Veränderung der sozialen Umwelt der Organisation.

Einen ebenfalls auf die Strukturationstheorie aufbauenden Ansatz entwickelt Röttger (2000), die Organisationen als soziale Systeme organisierten Handelns begreift. Das Ziel von PR sei es demnach, Handlungsspielräume zu sichern und unternehmerisches Handeln zu legitimieren (Röttger 2000: 172). Aus strukturationstheoretischer Perspektive sei es demnach die Funktion der PR, Deutungsmuster, Interpretationsschema und Normen zu beeinflussen (Röttger 2000: 176). PR werde damit zu einer zentralen Kontaktstelle von Organisationen zur gesellschaftspolitischen Umwelt und den relevanten Bezugsgruppen.

Diese Perspektive, die Organisationen die Möglichkeit zubilligt, ihre Umwelt zu gestalten, mag jedoch vor allem auf Großunternehmen zutreffen, denen genug Marktmacht und gesellschaftlicher Einfluss zugestanden wird, selber auch die Umwelt zu gestalten. Kleinere Unternehmen und Organisationen haben für sich genommen jedoch keine solche Gestaltungsmacht. Eher trifft dies aber auf Netzwerke und Zusammenschlüsse von Unternehmen und anderen Akteuren zu, „die im Verbund versuchen, die Umwelt im Sinne ihrer Interessen zu beeinflussen (angefangen von wirtschaftlicher Marktbearbeitung bis hin zu politischem Lobbyismus)“ (Preisendörfer 2011: 132) In dieser Gruppe lassen sich auch Clusterorganisationen verorten, weshalb die strukturationstheoretisch fundierte Ausprägung der Theorie des Kommunikationsmanagements hier von Relevanz ist.

 
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