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2.2.2 Arenen der Kommunikation

Das Verständnis von Kommunikation als sozialem Handeln, das einerseits Strukturen (re)produziert, andererseits verändern kann, soll nun in einem nächsten Schritt auf verschiedenen Ebenen der Öffentlichkeit verortet werden.

Klassischerweise lassen sich gesellschaftliche Kommunikationsprozesse auf einer Mikro-, Mesound Makroebene analysieren, je nachdem, ob die Kommunikation von Individuen, Organisationen oder der gesamten Gesellschaft im Fokus steht (vgl. z.B. Ronneberger/Rühl 1992; Theis-Berglmair 2003: 565). Auf diesen drei Ebenen konstituieren sich verschiedene Formen von Öffentlichkeit, die sich am besten mit dem Arenenmodell der Öffentlichkeit von Gerhards/Neidhardt fassen lassen (1990; siehe auch Gerhards 1994; 1997; Gerhards/Rucht 2000). In der deutschen Kommunikationswissenschaft wurde dieses Modell breit rezipiert und diskutiert und kann als mittlerweile klassischer Ansatz gelten (vgl. z.B. Bentele/Haller 1997; Raupp 1999; Donges/Imhof 2001; Zerfaß 2004, Eilders 2008).

Danach ist Öffentlichkeit kein einheitlicher Kommunikationsraum. Neidhardt (1994) stellt vielmehr verschiedene Ebenen von Öffentlichkeit vor, die man sich als geschichtete Pyramide vorstellen kann:

1. Encounter-Öffentlichkeit: öffentliche Kommunikation findet zum Teil spontan statt,

z.B. auf der Straße oder am Arbeitsplatz

2. Themenoder Organisationsöffentlichkeit: öffentliche Kommunikation findet im Rahmen thematisch zentrierter Interaktionsoder Verhandlungssysteme statt, etwa auf Veranstaltungen oder innerhalb von Betrieben. Die Öffentlichkeit kann dabei sowohl spontan entstehen als auch einen hohen Organisationsgrad besitzen.

3. Medienöffentlichkeit: öffentliche Kommunikation findet dauerhaft über Medien vermittelt statt.

Diese Ebenen sind gleichzeitig als Selektionsstufen zu verstehen: von jeder Ebene gelangt nur ein Bruchteil an Themen auf die nächst höhere Ebene und wird dort verhandelt.

Auf diesen Ebenen kommen Foren öffentlicher Kommunikation zustande, „die sich zu bestimmten Themen bilden und je nach Konjunkturverlauf der Themen mehr oder weniger lange existieren“ (Gerhards/Neidhardt 1990: 27). Diese Foren der Kommunikation lassen sich als Arenen verstehen: Eine Öffentlichkeit wird darin zu einer Kommunikationsarena, in der die Sprecher auftreten, während das Publikum auf der umgebenden Galerie verortet ist. In der Arena befinden sich nur vergleichsweise wenige Akteure, während die Teilnehmerzahl auf der Galerie potenziell nach oben offen ist. Über den Erfolg der Kommunikation in der Arena wird auf der Galerie entschieden.

In der Realität ist von einer Vielzahl verschiedener Öffentlichkeiten mit einem unterschiedlichen Potenzial an Themenfeldern und Kommunikationsarenen auszugehen. Mit Zerfaß handelt es sich bei Öffentlichkeit und Kommunikationsarenen um „gesellschaftlich ausdifferenzierte Sphären des kommunikativen Handelns, deren Sinnbezüge und Rationalitätsvorstellungen einen Orientierungsrahmen für konkrete Mitteilungsund Verstehenshandlungen bereitstellen“ (Zerfaß 2004: 195).

Es ist daher ratsam, eher von Öffentlichkeiten als von einer singulären Öffentlichkeit zu sprechen. Diese Vielzahl von Öffentlichkeiten – seien es Betriebsöffentlichkeiten, Branchenöffentlichkeiten, wissenschaftliche oder künstlerische Öffentlichkeiten – sind auf vielfältige Arten miteinander verschränkt und aufeinander bezogen (vgl. Zerfaß 2004: 197). Die Strukturen solcher Kommunikationsarenen werden zu empirischen Rahmenbedingungen für alle Akteure, die sich darin bewegen. Jedes Handlungsfeld schränkt das Spektrum möglicher und durchsetzbarer Themen ein, zudem herrschen spezifische Kommunikationsstrukturen und Akteurskonstellationen. Diese werden durch die raumzeitliche Ausdehnung der Kommunikationsarena, die potenzielle Mitgliederzahl sowie die Verfügbarkeit bestimmter Medien bestimmt. Die gesellschaftspolitische Öffentlichkeit ist dabei nur eine von vielen Öffentlichkeiten – wenn auch die wichtigste und weitreichendste im Hinblick auf Ausdehnung, Mitgliederzahl, Themenstruktur und Medienverfügbarkeit (vgl. Zerfaß 2004: 197).

Grundsätzlich lässt sich Öffentlichkeit jedoch mit dem Arenenmodell auch als Netzwerk verstehen, „welches andere Interaktionsfelder überlagert und Verbindungslinien zu anderen Lebensund Gesellschaftssystemen bzw. -bereichen herstellt “ (Weder 2007: 14). Es existiert ein Geflecht verschiedener sich überlappender Kommunikationsarenen mit unterschiedlichen Kristallisationspunkten. Dabei entstehen auch „zugleich inund ausschließende Kommunikationsfelder, die das intern Öffentliche für nicht zugelassene Akteure zum Geheimnis erheben“ (Zerfaß 2004: 200).

Das Handeln in den Kommunikationsarenen wird durch Rollen vorstrukturiert, die je nachdem von verschiedenen Akteuren eingenommen werden. Donges/Imhof (2001) unterscheiden zwischen Sprecher, Vermittler und Publikum als Rollen, die Akteure einnehmen können. Jedoch können Akteure auch zwischen diesen Rollen wechseln. Sprecher sind danach „Angehörige kollektiver oder korporativer Akteure, die sich in der Öffentlichkeit zu bestimmten Themen zu Wort melden“ (Donges/Imhof 2001: 109). Mit den Vermittlern sind vor allem die Journalisten und das Massenmediensystem im weiteren Sinne erfasst. Sie beobachten „die soziale Entwicklung auf allen Öffentlichkeitsebenen, wenden sich an Sprecher, greifen Themen auf und kommentieren diese“ (Donges/Imhof 2001: 109). An das Publikum schließlich wenden sich beide Rollen: „Das Publikum ist Adressat der Äußerungen von Sprechern und Vermittlern, die Aufmerksamkeit erhalten wollen [...]. Erst durch die Anwesenheit eines Publikums wird Öffentlichkeit konstituiert“ (Donges/Imhof 2001: 110).

Diese Rollen können auf den verschiedenen Öffentlichkeitsebenen unterschiedlich wahrgenommen werden. Auf der Encounter-Ebene existiert keine scharfe Trennung: Jeder Akteur kann fallweise als Sprecher oder als Publikum auftreten, eine Vermittler-Rolle gibt es hier nicht. Auf der Ebene der Themenoder Organisationsöffentlichkeit sind die Rollen ausgeprägter und werden seltener gewechselt. In der Medienöffentlichkeit schließlich ist die Differenzierung der Rollen am weitesten vorangeschritten: Journalisten nehmen die Vermittlerrolle ein, und auch das Publikum ist mehr oder weniger dauerhaft vorhanden.

Die Veränderungen, die Globalisierung und vernetzte Kommunikationsmedien mit sich gebracht haben, haben auch Rückwirkungen auf das Verständnis von Öffentlichkeit (vgl. Friedland/Hove/Rojas 2006; Castells 2008). Im Folgenden soll daher eine Erweiterung des ursprünglichen Arenenmodells von Gerhards/Neidhardt (1990) diskutiert werden, die von Raupp (2011) vorgestellt wurde und die adäquat für die heutige Form der vernetzten Öffentlichkeit ist. Raupp sieht insbesondere aufgrund der breiten Durchdringung der Gesellschaft durch das Internet und den Erfolg von Social Media einen Aktualisierungsbedarf gegeben: „The levels and the arenas have become more permeable and the roles are now more diverse“ (Raupp 2011: 24). Ihr Vorschlag besteht darin, das Arenenmodell von Gerhards/Neidhardt (1990) mit sozialen Netzwerktheorien zu verknüpfen, um die heutigen Bedingungen von Öffentlichkeit theoretisch schärfer fassen zu können (Raupp 2011: 19). In Zusammenfassung der Theorien sozialer Netzwerke stellt sie Netzwerke dabei aus Knotenpunkten (nodes) und Beziehungen (ties) von unterschiedlicher Stärke und Gerichtetheit bestehend dar. Sie ergänzt nun das Arenenmodell, indem sie auf jeder Ebene den Netzwerkcharakter der Beziehungen betont. Auf der individuellen Ebene der EncounterPersönlichkeit entstehen Netzwerke auch zunehmend durch Begegnungen zwischen Individuen in den sozialen Medien des Internets, z.B. auf Facebook oder anderen Social Networking Platforms. Auf der Meso-Ebene, d.h der Ebene der Themenoder Organisationsöffentlichkeit, besteht die Erweiterung darin, neben den intraorganisationellen Netzwerken auch die interorganisationellen Netzwerke verstärkt zu betrachten, d.h. die Beziehungen zwischen Organisationen: „Public relations research focuses on the relationships between organizations and stakeholder groups, but often neglects the fact that stakeholders are organizations which are in turn embedded in stakeholder relationships“ (Raupp 2011: 26). Anstatt also eine singuläre Organisation ins Zentrum der Analyse zu setzen, zu der Stakeholder in verschiedenen Beziehungen stehen, müsse vielmehr die Vernetzung der Organisationen untereinander stärker beachtet werden. Die Folgerung lautet also: „evaluating organizations as embedded in a network of actors, and characterized by network structures themselves“ (Raupp 2011: 26).

Auf der Makroebene der Gesellschaft schließlich – der Medienöffentlichkeit im ursprünglichen Arenenmodell – existieren Verknüpfungen zwischen den verschiedenen sozialen Systemen, z.B. der Wirtschaft und der Politik. Im Gegensatz zum Modell von Gerhards/Neidhardt (1990) sieht Raupp jedoch das politische System in keiner privilegierten Position mehr gegenüber den anderen Systemen (vgl. Raupp 2011: 27), die Beziehungen sind hingegen dynamisch und die Beeinflussungsrichtung kann sich verändern.

Neben diesen Netzwerkbeziehungen auf jeder Ebene der Öffentlichkeit im Arenenmodell existieren auch Beziehungen zwischen den Ebenen – etwa wenn ein Individuum in Beziehung zu einer Organisation tritt (vgl. Raupp 2011: 27).

Wie dargestellt sind Organisationen Zwitter in dem Sinne, dass sie sowohl als korporative Akteure gegenüber anderen Akteuren in der Gesellschaft auftreten, aber ebenso auch Strukturen sind, in denen wiederum Individuen handeln (vgl. Schimank 2001: 35). Dies gilt in besonderem Maße auch für Clusterorganisationen. Für die Zwecke dieser Arbeit lässt sich das Arenenmodell der Kommunikation folgendermaßen adaptieren: Clusterorganisationen sind auf der einen Seite selber eine Kommunikationsarena für das kommunikative Handeln der Organisationsmitglieder. Dies umfasst sowohl die zufällige, informelle Kommunikation zwischen Mitgliedern der Clusterorganisation am Arbeitsplatz oder bei TreffVeranstaltungen (Encounteröffentlichkeit) als auch die stärker vorstrukturierte Organisationsöffentlichkeit, die durch Themen und Sprecherwie Publikumsrollen geprägt ist – man denke hierbei etwa an die interne Kommunikation z.B. in Form eines Intranets oder Newsletters, aber auch Sitzungen und thematisch strukturierte interne Veranstaltungen. Diese Kommunikationsarena ist eine Mikro-Meso-Beziehung (vgl. Röttger et al. 2011: 116). Auf der anderen Seite treten Clusterorganisationen als korporativer Akteur gegenüber anderen Organisationen und der Medienöffentlichkeit auf. Bentele/Nothhaft (2010) sehen das 20. Jahrhundert geprägt durch die vorrangige Stelle der „Organisation“ als zentralem Akteur der Öffentlichkeit: Organisationen hätten primär das Privileg, Vertreter in die öffentliche Arena zu schicken und ihren Standpunkt dort zu kommunizieren. Die organisierte und professionalisierte Kommunikation, wie sie sich in der Entstehung des Berufsfelds„Public Relations“ manifestiert, kennzeichnet die Öffentlichkeit des 20. Jahrhunderts. Diese Kommunikationsarena, die auf Meso-Makro-Beziehungen aufbaut (vgl. Röttger et al. 2011: 116), wird durch die Ausübung professionalisierter Rollen innerhalb der Organisationen ermöglicht, darunter auch die Rolle des Kommunikationsmanagers oder Pressesprechers. Indem Individuen die Rollen wahrnehmen und innerhalb der Organisationen Regeln für das Treffen verbindlicher Entscheidungen existieren, um bestimmte Ziele zu erreichen, können Clusterorganisationen als kommunikativ handelnde Akteure gegenüber ihrer Umwelt auftreten.

Damit sind bereits zwei Arten von Organisationskommunikation berührt: die eher informelle, ungeplante Kommunikation zwischen Mitgliedern der Organisation einerseits sowie die organisierte und professionalisierte Kommunikation als Funktion der Organisation andererseits. Um die verschiedenen Theorien der Organisationskommunikation geht es in den folgenden Abschnitten.

 
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