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2.2 Kommunikation

Nachdem nun ein Organisationsverständnis für Clusterorganisationen erarbeitet worden ist, das unter Rückgriff auf die neoinstitutionalistische Organisationstheorie sowie die Strukturationstheorie Organisationen als soziale Gebilde versteht, die weitgehend in ihren Zielen, Strukturen und Rollenverständnissen durch Erwartungen der Umwelt beeinflusst sind, gleichzeitig aber durch das bewusste Handeln von Akteuren selber in der Lage sind, diese Erwartungen zu beeinflussen, soll es im Folgenden um die Rolle gehen, die die Kommunikation dabei hat.

Aus neoinstitutionalistischer Perspektive stellt Suddaby (2011: 187) fest: „At its core, institutional theory is a theory of communication“. Damit konstatiert er, dass sich seit der Jahrtausendwende eine stärker auf Kommunikation hin ausgerichtete Ausprägung des Neoinstitutionalismus entwickelt hat (vgl. dazu auch Sandhu 2013: 151). Kommunikation wird dabei ein starker Anteil an der Entstehung und Veränderung institutioneller Strukturen eingeräumt (vgl. z.B. Phillips et al. 2004; Zilber 2007; Green et al. 2009).

2.2.1 Kommunikation als soziales Handeln

Der Begriff „Kommunikation“ ist jedoch vieldeutig, weshalb im Folgenden eine Begriffsklärung erfolgen soll. Es existiert eine unüberschaubare Anzahl von Definitionen von Kommunikation: Bereits Mitte der 1970er kam Merten auf 160 Definitionen (vgl. Merten 1977: 168ff.). Zahlreiche wissenschaftliche Disziplinen haben ein eigenes, der Disziplin angepasstes Kommunikationsverständnis. Burkart stellt dazu fest: „Das Verständnis von Kommunikation (und damit auch ihre Definition) ist stets verbunden mit dem jeweiligen Erkenntnisinteresse und der damit zusammenhängenden (analytischen) Perspektive“ (Burkart 2003: 169). Im weitesten Sinne werden daher auch Prozesse unter Tieren, Prozesse innerhalb lebender Organismen, Prozesse innerhalb oder zwischen technischen Systemen oder zwischen Menschen und Computern und sonstigen technischen Apparaten als Kommunikation begriffen (vgl. Schulz 2002a: 153). Auch in der Kommunikationswissenschaft im engeren Sinne gibt es keine übergreifende, alles umfassende Kommunikationstheorie. In der deutschen Publizistikund Kommunikationswissenschaft wurde Kommunikation lange ausschließlich als Massenkommunikation verstanden: „Im Zentrum des Fachs steht die indirekte, durch Massenmedien vermittelte, öffentliche Kommunikation“, hieß es noch in den 2000er Jahren im Selbstverständnis der Deutschen Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft e.V. (DGPuK)(vgl. Höflich 2004: 3). Das Selbstverständnis der DGPuK seit 2008 baut aber auf ein erweitertes Kommunikationsverständnis auf: Aufgabe der Kommunikationswissenschaft sei es nun, die “sozialen Bedingungen, Folgen und Bedeutungen von medialer, öffentlicher und interpersonaler Kommunikation“ zu erforschen [1]. Daran wird deutlich, dass Kommunikation auf vielen Ebenen stattfindet.

Für eine ausführliche Diskussion des Begriffs Kommunikation sei auf andere Autoren verwiesen (z.B. Bonfadelli 2001: 19ff.; Burkart 2002: 20ff; Schulz 2002a: 153ff.). Hier sollen lediglich soziale Kommunikationsvorgänge interessieren, d.h. Kommunikation zwischen Menschen. Dabei lässt sich die Kommunikation grundlegend unterteilen in interpersonale Kommunikation (face-to-face), d.h. zwischen körperlich anwesenden Menschen, sowie technisch vermittelte Kommunikation (vgl. Schulz 2002a: 154f.), zu der sämtliche über technische Medien vermittelte Kommunikation gehört, vom Fernseher über das Internet bis hin zum Mobiltelefon. Kommunikationsprozesse sind keine isolierten Phänomene, sondern sie sind immer eingebettet in ein soziales und gesellschaftliches Umfeld, das Rückwirkungen hat auf die Art und Weise wie Kommunikation prozessiert wird.

Für Kommunikation zwischen Menschen ist bestimmend, dass sie auf einen Zeichenprozess aufbaut und ein interaktiver Vorgang ist, der auf den Austausch zwischen verschiedenen Akteuren abhebt. Dieser Definition folgen unterschiedliche Kommunikationsmodelle (vgl. Bonfadelli 2001: 21; Burkart 2003; Theis-Berglmaier 2003: 28ff.). Der Zeichenprozess ist dabei in der Theorieentwicklung zunehmend problematisiert worden. Wo es in dem mathematischen Modell der Zeichenübertragung von Shannon/Weaver (1976) um die Übertragung von Zeichen zwischen einem Sender und einem Empfänger ging, die allenfalls durch Störquellen beeinträchtigt wird, berücksichtigen semiotische Ansätze verstärkt die Verund Entschlüsselung von Zeichen, die auch die Beziehung zwischen Zeichen und ihren Benutzern genauer fassen, z.B. die Art der Zeichennutzung oder auch die Sprachkompetenz (vgl. Schulz von Thun 1981; Watzlawick et al. 1990; Delhees 1994). Zudem spielt der Kontext eine stärkere Rolle: Zeichen erhalten ihren Sinn auch durch ihren Handlungsbezug. Darauf aufbauend entstand die Sprechakttheorie von John Austin (1962) und John Searle (1969, 1979), die das Sprechen einer Sprache als eine Form menschlichen Handelns begreift (vgl. auch Burkart 2003: 175). Die Bedeutung der Zeichennutzung ergibt sich dabei nicht nur aus der Kenntnis der Bedeutung der Zeichen, sondern auch aus dem Wissen, zu welchem Zweck der Sprecher die Worte nutzt oder nutzen will. Die seit den 1990er Jahren verstärkt sich durchsetzende konstruktivistische Perspektive auf den Zeichenprozess radikalisiert die Einsicht, dass Interpretationen von Zeichen durch zahlreiche Einflussfaktoren bestimmt werden (vgl. Schmidt 1994, Merten 1995; Rusch 1997). Danach werden im Rahmen von Kommunikationsprozessen stets Wirklichkeiten entworfen.

Kommunikation schließt dabei immer mindestens ein Gegenüber ein. Wird Kommunikation als interaktiver Vorgang verstanden, werden die Kommunizierenden zu Handelnden, deren Bewusstsein, Intentionen und Planungen eine Rolle bei der Kommunikation spielen. Zentral sind diese Einsichten im Modell des Symbolischen Interaktionismus nach G.H. Mead (1973) und in der Theorie des kommunikativen Handelns von Jürgen Habermas (1981) enthalten.

Diese Modelle heben auf das Handeln von Individuen oder Gruppen ab, die in wechselseitigen Beziehungen zueinander stehen, und auf die aus der Interaktion entstehende Wirklichkeitskonstruktion (vgl. Bonfadelli 2001: 19). Die Verhaltenspläne und Verhaltensweisen sind dabei auf die Intentionen und das Verhalten des anderen Interaktionspartners abgestimmt und die Reaktionsmöglichkeiten werden bereits auch als Erwartungen für das eigene Verhalten berücksichtigt. In einer solchen Sichtweise bekommt Kommunikation eine bedeutende Aufgabe im Zusammenhang mit der Bildung und Aufrechterhaltung der sozialen Beziehungen zwischen Akteuren zugewiesen, indem eine wechselseitige Verschränkung der Perspektiven durch Informationsaustausch zustande kommt. Unter Rückgriff auf Zeichenprozesse werden hier in der Interaktion durch soziales Handeln Probleme gelöst. Verständigung ist nur möglich, indem zwei Kommunikationspartner mithilfe von Symbolen ganz ähnliche Vorstellungen in ihrem Bewusstsein aktualisieren. Symbole werden dabei sozial geschaffen. Die Theorie des kommunikativen Handelns nach Jürgen Habermas (1981) greift auf die Sprechakttheorie von Austin und Searle zurück und definiert Sprechen als eine Form menschlichen Handelns. Habermas definiert kommunikatives Handeln als „die Interaktion von mindestens zwei sprachund handlungsfähigen Subjekten, die (sei es mit verbalen oder extraverbalen Mitteln) eine interpersonale Beziehung eingehen. Die Aktoren suchen eine Verständigung über die Handlungssituation, um ihre Handlungspläne und damit ihre Handlungen einvernehmlich zu koordinieren“ (Habermas 1981: 128). Verständigung werde jedoch dadurch erschwert, dass die Kommunikationspartner in unterschiedlichen Lebenswelten lebten und ideale Sprechsituationen fast nie zustande kämen. Im offenen Diskurs sei aber schließlich eine Verständigung möglich. Auf die weitreichenden normativen Aspekte der Theorie kommunikativen Handelns soll hier nicht weiter eingegangen werden. In der Kommunikationswissenschaft wurde dieses verständigungsorientierte Modell der Kommunikation jedoch breit rezipiert (vgl. z.B. Burkart 1993; Leeper 1996). Auch Zerfaß baut auf dieses Begriffsverständnis auf und hält fest: „Kommunikative Handlungen sind eine spezielle Form sozialen Handelns und Kommunikationsprozesse damit eine Spielart von symbolischen Interaktionen“ (Zerfaß 2004: 231).

Für Kommunikation gilt damit dasselbe, was auch für eine Organisation zutrifft: Sie konstituiert sich in einem Wechselspiel aus voluntaristischem Handeln und gesellschaftlichen Strukturen, die einander bedingen. Damit lässt sich Kommunikation auch strukturationstheoretisch fassen. Ein Akteur vollzieht danach kommunikative Handlungen, die Bezug nehmen auf Regeln und Ressourcen, z. B. Sprache, Symbole und Bedeutungen. Im kommunikativen Handeln werden die Strukturen aktualisiert und reproduziert, gleichzeitig bietet sich dem Akteur auch die Möglichkeit der Beeinflussung und Veränderung dieser Strukturen. Kommunikation als soziales Handeln umfasst also sprachliches (sowie symbolisches) und nichtsprachliches Handeln von Personen und Organisationen und dient der Verwirklichung spezifischer Interessen (vgl. Zerfaß 2004: 56ff).

  • [1] Vgl. dgpuk.de/uber-die-dgpuk/selbstverstandnis, abgerufen am 20.3.2015
 
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