2.1.2 Entstehung und Wandel von Organisationen
In den Sozialwissenschaften ist die Unterscheidung in eine Mikro-, Mesound Makroebene der Analyse üblich (vgl. Röttger et al. 2011: 113). Wo sich die Mikroebene mit sozialen Handlungen von Individuen befasst, steht die Makroebene für die Untersuchung der Gesellschaft und ihrer Strukturen (vgl. Donges 2011: 217). Die dazwischen liegende Meso-Ebene fokussiert sich auf Organisationen. Organisationen können so auch als Mittler „zwischen dem individuellen sozialen Akteur und der Gesellschaft“ (Röttger 2011 et al.: 114) verstanden werden. Donges (2011: 217) stellt dazu fest: „Der weite Weg zwischen Mikro und Makro, zwischen dem sozialen Handeln von Individuen und gesellschaftlichen Strukturen, führt in der Regel über bzw. durch Organisationen“. Organisationen sind damit Zwitter, da sie sowohl als korporative Akteure gegenüber anderen Akteuren in der Gesellschaft handelnd auftreten, aber ebenso auch Strukturen sind, in denen wiederum Individuen handeln (vgl. Schimank 2001: 35). Der Begriff „Organisation“ kann entsprechend sowohl den Akt des Organisierens selbst wie auch das organisierte Gebilde umfassen und ist damit mehrdeutig (vgl. Türk 1978: 2). Die Mehrdeutigkeit, die dem Organisationsbegriff innewohnt, zeigt bereits dessen Pendeln zwischen Struktur und Handlung. Auch Organisationstheorien legen entsprechend unterschiedliche Akzente. Je nachdem, ob sie eher auf das Handeln von Akteuren eingehen, die Organisationen konstituieren, oder Organisationen als Systeme begreifen, die durch Strukturen gekennzeichnet sich, lassen sich strukturalistische und verhaltensorientierte Ansätze unterscheiden (vgl. Kieser/Ebers 2006; Kieser/Walgenbach 2007: 31ff.; Röttger 2000: 134ff.). Eine grundlegende Herausforderung der sozialwissenschaftlichen Theoriebildung ist es, eine Integration beider Perspektiven zu leisten und den Zusammenhang zwischen Struktur und Handlung zu erklären, d.h. eine Antwort zu finden auf die „Frage, wie die Ebene von sozialen Handlungen (Mikroebene) mit der Ebene der Gesellschaft und ihren Strukturen (Makroebene) in Verbindung gebracht werden kann“ (Donges 2011: 217). Im Kern geht es dabei um die Frage, wie sich beide Aspekte bedingen: Bestimmen existierende Strukturen die Handlungen, die darin möglich sind? Oder ist es vielmehr so, dass sich Strukturen erst aus Handlungen ergeben – und sind damit die Handlungen das zentrale Element? Dieser Zusammenhang zwischen Akteur und System bzw. Handlung und Struktur sowie die Überwindung des Dualismus zwischen beiden Ebenen prägte die sozialwissenschaftliche Debatte der letzten Jahrzehnte (vgl. für einen Überblick: Kneer/Schroer 2009).
Um die Art und Weise, wie sich Strukturen und Handlungsrollen in Organisationen ausprägen und verändern, genauer fassen zu können, soll im Folgenden näher auf zwei allgemeine Sozialtheorien eingegangen werden, die wiederum eine eigene Perspektive auf Organisationen, ihre Entstehung und insbesondere ihren Wandel bieten: die neoinstitutionalistische Organisationstheorie sowie die Strukturationstheorie. Zwischen beiden gibt es große theoretische Schnittmengen, so dass ein theorieintegrierendes Vorgehen hier naheliegt (vgl. Walgenbach/Meyer 2008: 138). Dadurch können auch Schwachpunkte der jeweiligen Theorie kompensiert werden – das Problem der Operationalisierbarkeit, das sich bei der Strukturationstheorie stellt, ebenso wie die fehlende Mikrofundierung des NeoInstitutionalismus (vgl. Wilkesmann 2009: 123).
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