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1.3 Forschungsstand

Zwei Aspekte sind bei der Betrachtung des Forschungsstandes des Kommunikationsmanagements von Clusterorganisationen relevant: einerseits die Berücksichtigung von Fragen der Organisationskommunikation in der Forschung zu Clustern, andererseits entsprechend die Berücksichtigung des Organisationstyps Clusterorganisation in der Organisationskommunikationsforschung.

Hinsichtlich des ersten Aspekts lässt sich feststellen, dass Organisationskommunikation im gegenwärtigen Forschungsdiskurs über Cluster nur eine untergeordnete Rolle spielt. Generell sind sämtliche Fragen des effektiven und effizienten Managements von Clusterorganisationen nur sehr gering wissenschaftlich erforscht, – bisherige Ansätze gehen eher von makroökonomischen, wirtschaftspolitischen bzw. -geographischen Schwerpunkten aus (vgl. Jacobsen 2008, Machnig/Mikfeld 2003). Im Kern der Forschung zu Clustern steht so eher das Entstehen von Clustern, die Vorund Nachteile für die Regionalentwicklung, die Mechanismen zur Identifizierung und öffentlichen Förderung von Clustern. Beispiele für die reichhaltige Forschung auf diesem Feld sind etwa Baptista/Swann (1998), Rehfeld (1999), Bathelt et al. (2002), Enright (2003), Sautter (2004) oder Gordon/McCann (2005). Hinzu kommt eine umfangreiche Praktikerliteratur in Form von Richtlinien und Handbüchern (vgl. z.B. Sölvell et al. 2003; Scheer/von Zallinger 2007; Meier zu Köcker/Buhl 2008).

Kommunikation taucht als Thema allenfalls in der wissenschaftlichen Begleitforschung zu Clusterförderprogrammen auf. Der Kommunikation in Clustern wird sich hier aus Perspektive der Organisationssoziologie genähert. Ein solches Beispiel ist die empirische Untersuchung der internen Kommunikation von Clusterorganisationen in Ostdeutschland von Müller et al. (2002). entstanden als Teil der Begleitforschung des InnoRegioProgramms der Bundesregierung. Entsprechend stehen hier als Untersuchungsobjekte die InnoRegio-Netzwerke in Ostdeutschland im Kern. Methodisch ist die Untersuchung der Dokumentenanalyse und teilnehmenden Beobachtung verpflichtet, um so Aussagen über die interne Kommunikation der Netzwerke zu treffen. Dabei geht es insbesondere um die direkte Kommunikation zwischen den Mitgliedern der Organisation. Fragen der Moderation und des Informationsmanagements stehen hier im Mittelpunkt. Kommunikation an externe Stakeholder wird hingegen nicht weiter erörtert. Insofern liefert die Studie einen Anhaltspunkt für die interne Kommunikation von Netzwerkorganisationen, greift jedoch für die Fragestellung dieser Arbeit zu kurz.

Eine Ausnahme bildet ein Paper von Blasini et al. (2014), die einen ersten Versuch liefern, die kommunikative Dimension von Clustern in einen Referenzrahmen einzubetten und dabei auch auf kommunikationswissenschaftliche Methoden zurückgreifen. Jedoch werden hier eher ganze Hightechstandorte wie Cambridge oder München analysiert, zudem steht

eher die Mikro-Ebene der individuellen Kommunikatoren im Vordergrund, so dass auch dieser Ansatz für die Fragestellung dieser Arbeit nur wenige Erkenntnisse liefert.

Hinsichtlich der Organisationskommunikationsforschung lässt sich umgekehrt feststellen, dass Clusterorganisationen bislang auch nur wenig bis gar nicht behandelt wurden. Dabei müssen jedoch zunächst mehrere disziplinäre Perspektiven voneinander unterschieden werden. Für die Ziele dieser Arbeit sind besonders die wissenschaftlichen Ansätze relevant, in denen die Kommunikation von Organisationen als gesteuertes und zielorientiertes Handeln verstanden wird. Entsprechende Ansätze stammen sowohl aus der Betriebswirtschaft im Rahmen der Marketingforschung sowie aus der Kommunikationswissenschaft im Rahmen der PR-Forschung (vgl. Signitzer 1992: 135ff.; Stuiber 1992: 207ff.; Röttger 2000: 25ff.; Zerfaß 2004: 46ff).

Im Bereich der betriebswirtschaftlichen Marketingforschung existieren einige wenige Arbeiten – vorwiegend Dissertationen – die sich dem Markenaufbau von Clustern sowie der Rolle des Clusterkonzepts im Zuge des Regionalund Standortmarketings widmen (vgl. Huttenloher 2006, Kaminski 2009; Kasabov/Sundaram 2013).

Huttenloher (2006) verfolgt in der Arbeit „Das Clusterkonzept im Standortmarketing der Bundesländer“ das Ziel, ein Konzept für clusterbasiertes Standortmarketing auf der Ebene der deutschen Bundesländer zu entwickeln. Dazu vereint er die Clustertheorie mit Theorien des Standortmarketing und entwickelt einen theoretischen Referenzrahmen, da

„die Standortmarketingtheorie auf der einen und das Clusterkonzept auf der anderen Seite noch nicht ausreichend im Zusammenhang betrachtet worden sind“ (Huttenloher 2006: 21). Der theoretische Referenzrahmen wird anhand einiger ausgewählter Fallstudien überprüft. Sein erklärtes Ziel ist es auch, „ein Handlungskonzept für wirtschaftspolitische Entscheidungsträger zu entwickeln“ (Huttenloher 2006: 154). Die kundig geschriebene Arbeit gelangt schließlich zu einem Modell der Standortanalyse von Bundesländern nach Clusterpotenzial, auf dessen Ergebnissen basierend Huttenloher verschiedene Strategien des clusterbasierten Standortmarketings empfiehlt, die wiederum auch die Verwirklichung durch bestimmte Organisationen nahelegen (vgl. Huttenloher 2006: 297ff.). Indem sich die Arbeit jedoch den Bundesländern als Akteur des Standortmarketings widmet und sich eher konzeptuellen Fragen der Marketingstrategie verpflichtet sieht, spielen die Erkenntnisse für die hier verfolgte Fragestellung eine untergeordnete Rolle. Tatsächlich tauchen Clusterorganisationen in der Arbeit so gut wie gar nicht auf. Einzig als eine von mehreren Organisationstypen, um clusterbasiertes Standortmarketing zu verwirklichen, werden sie kurz erwähnt (Huttenloher 2006: 324ff.).

Die Dissertation von Sandra Kaminski mit dem Titel „Die regionale Clustermarke – Konzept strategischer Markenführung“ (2009) widmet sich aus marketingtheoretischer Perspektive der Frage, welche Chancen eine gemeinsame Markenstrategie regionalen Clusterakteuren bietet. Dazu versucht die Arbeit, Clustertheorie und identitätsorientierte Ansätze der Markentheorie zusammenzubringen, um ein Konzept für den Aufbau einer regionalen Clustermarke zu entwickeln. Die Clustermarke wird dabei als eine zusätzliche Marke verstanden, die die weiterhin eigenständigen Einzelmarken der Unternehmen ergänzt, um so die Wettbewerbsfähigkeit der regionalen Clusterakteure zu erhöhen. Kollaborative Markenführung ist dabei kein neues Konzept, wohl aber die Anwendung auf regionale Akteure. Der Ansatz von Kaminski ist eine notwendige Auseinandersetzung mit markenpolitischen Erwägungen, die sich beim Engagement von Unternehmen in Clustern ergeben, da die Dachmarke eines Clusters komplexe Herausforderungen an die Markenpolitik der beteiligten Akteure stellt. Kritisch ist anzumerken, dass die Arbeit von Kaminski weitgehend ohne Akteur auskommt. Es bleibt vage, wer die Markenführung des Clusters in der Realität konkret betreibt. Nur am Rande wird die besondere Rolle von Clusterorganisationen dafür erwähnt, etwa in Bezug auf eine „institutionalisierte Inhaberschaft der regionalen Clustermarke, welche die Interessen der Mitglieder des regionalen Clusters vertritt und die Nutzung der Clustermarke sichert“ (Kaminski 2009: 227). Ebenso wird der Begriff des „Cluster“ nicht klar von dem der „Clusterorganisation“ getrennt. Beide Begriffe werden meist synonym verwendet, was zu definitorischen Problemen führt.

Die Arbeit konzentriert sich ausschließlich auf markenpolitische Fragestellungen, die sich im Rahmen des Clusterkonzepts ergeben, insbesondere aus Perspektive kleiner und mittlerer Unternehmen. Dies ist für eine Arbeit, die sich im Bereich Marketing verortet, durchaus schlüssig, dennoch ist anzumerken, dass die Markenführung nur einer von mehreren Aspekten ist, die sich aus Perspektive des Kommunikationsmanagements im Rahmen von Clustern und Clusterorganisationen ergibt. Die in der Realität vorherrschenden vielfältigen Interessen von Clusterakteuren – und davon sind auch Kommunikationsinteressen betroffen – werden aus der Perspektive der Etablierung einer regionalen Clustermarke nur zu wenig einbezogen.

Weitere Arbeiten aus Marketing-Perspektive – etwa von Merrilees et al. (2007) oder Falcone (2007) – sollen hier nicht weiter erörtert werden, da sie sich dem Thema ebenfalls nur aus Perspektive der Firmen-Mitglieder in einem Cluster nähern, nicht aber aus der Perspektive der Clusterorganisation selbst. Eine Ausnahme bilden hier jedoch Kasabov/Sundaram (2013), die für einen Stakeholder-Management-Ansatz beim Marketing von Clustern als Regionalmarken plädieren. Insgesamt lässt sich festhalten, dass die existierenden Arbeiten zu Clustern aus Marketing-Perspektive den Schwerpunkt einseitig auf markenpolitische Fragestellungen legen, wie sie sich für Unternehmen oder regionalpolitische Akteure ergeben. Die Perspektive der Clusterorganisation und die Vielfalt der Interessen weiterer Akteure werden aber weitgehend außen vor gelassen.

Ein anderer Zugang zur Kommunikation von Organisationen bietet sich in der PRForschung. Die Beschäftigung mit PR als wissenschaftliches Forschungsfeld im Rahmen der Kommunikationswissenschaft ist eine vergleichsweise neue Entwicklung (vgl. Zerfaß 2004: 46; Bentele 2003: 56). In den 1950er und 1960er Jahren fand die Auseinandersetzung mit PR an Hochschulen und Ausbildungseinrichtungen vor allem als PR-Kunde statt. Dies wurde als Vermittlung von handlungspraktischen Sozialtechniken verstanden, die die bewusste Manipulation der öffentlichen Meinung zum Ziel hatten. In den 1990ern wurden jedoch einige grundlegende Theoriebeiträge vorgelegt – etwa Ronneberger/Rühl (1992), Theis (1994) oder Zerfaß (2004, erstmals 1996) – und eine deutschsprachige PR-Forschung hat sich nach und nach etabliert. Sammelbände von Röttger (2004a) und Bentele et al. (2005a) geben einen Überblick über die Vielfalt der Positionen, in europäischer und internationaler Perspektive wird die deutsche PR-Forschung insbesondere Zerfass et al. (2008) sowie Zerfaß et al. (2013) verortet, für die amerikanische PR-Forschung sei auf Heath (2010) verwiesen.

Aus der Perspektive der PR-Forschung liegen bislang praktisch keine Arbeiten zur Kommunikation von Clusterorganisationen vor. Der Schwerpunkt der PR-Forschung liegt auf Unternehmenskommunikation, und die meisten Theorieansätze haben ihren Bezugspunkt im gewinnorientierten Unternehmen (vgl. Grunig/Hunt 1984; Röttger 2000; Zerfaß 2004; Mast 2008). Zerfaß (2004: 410) schlägt jedoch vor, in der Netzwerkkommunikation ein mögliches viertes Handlungsfeld der Unternehmenskommunikation (neben der internen Kommunikation, der Marktkommunikation und der PR) zu sehen. Dies ist der Beobachtung geschuldet, dass sich Netzwerke von Unternehmen zunehmend als eigene Koordinationsform jenseits von Markt und Hierarchie etablieren und Unternehmen vermehrt Mitglieder in solchen Netzwerken werden. Als Beispiele führt Zerfaß neben Unternehmensnetzwerken auch virtuelle Unternehmen oder Clusterinitiativen an. Netzwerkkommunikation sind danach alle kommunikativen Handlungen von Organisationen „mit denen dauerhafte Beziehungen in Unternehmensnetzwerken, Clusterinitiativen und virtuellen Unternehmen gestaltet werden“ (Zerfaß 2004: 410). Der Ansatz der Netzwerkkommunikation ist vielversprechend und relevant für die Ziele dieser Arbeit. Jedoch ist er bei Zerfaß aus der Perspektive von Unternehmen gedacht, die ihr Engagement in Netzwerken als eine weitere, vierte Säule ihrer Unternehmenskommunikation aufsetzen müssen, nicht aus Perspektive von Clusterorganisationen.

Clusterorganisationen bewegen sich hinsichtlich ihrer Stakeholder jedoch in einem Spannungsfeld zwischen Akteuren der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Politik. Kein vorliegender Ansatz bietet eine überzeugende Einordnung der Spezifika des Kommunikationsmanagements dieses Organisationstyps. Auch aus empirischer Sicht fehlen hier Erkenntnisse. Die Analyse der Kommunikation von Clusterorganisationen wird damit zu einem Forschungsdesiderat der PR-Forschung.

Das Bewusstsein von der Notwendigkeit, die Kommunikation von anderen Organisationstypen als Unternehmen stärker zu thematisieren, ist in der Kommunikationswissenschaft generell steigend. An Artikeln in führenden Journalen der Forschung zu PR und Organisationskommunikation wie der „Public Relations Review“ oder dem „International Journal of Strategic Communication“ lässt sich deutlich erkennen, wie Aspekte der Organisationskommunikation von anderen Organisationstypen als Unternehmen zunehmend untersucht werden. Beispiele für untersuchte Organisationsformen sind Non-ProfitOrganisationen allgemein (Lovejoy et al. 2012; Schwarz/Pforr 2012; Bieth 2012; Waters at al. 2009; Voss 2007), Umweltorganisationen (Waters et al. 2012; Jun 2011), Wohltätigkeitsorganisationen (Ingenhoff/Koelling 2010), Gesundheitsorganisationen (Briones et al. 2012; Seltzer et al. 2012) oder auch Militärorganisationen (Schoenberger-Orgad 2011). Ausführlichere Arbeiten existieren zudem für Verbände (vgl. Hackenbroch 1998; Dernbach 2005; Hoffjann/Stahl 2010), Gewerkschaften (Arlt 1998), Non-Profit-Organisationen (Voss 2007) oder Hochschulen (Bühler et al. 2007).

Neben diesen Untersuchungen der Kommunikation konkreter Organisationsformen existieren zudem verschiedene Ansätze der Kommunikation für unterschiedliche Themen oder gesellschaftliche Aufgabenfelder. Hier zu nennen sind etwa Wissenschafts-PR als Kommunikation über Forschungsergebnisse und deren gesellschaftliche Relevanz (vgl. Seidenfaden et al. 2005: 3f.), Innovationskommunikation als Maßnahme zur Bekanntmachung und Durchsetzung von (Unternehmens-)Innovationen (vgl. Mast/Zerfaß 2005), politische Öffentlichkeitsarbeit als PR von Parteien und anderen politischen Akteuren (vgl. z.B. Schulz 2011: 305ff.; Fröhlich 2008: 193ff.; Kamps 2007) oder auch Public Marketing als Sammelbegriff für das Marketing von öffentlichen Akteuren (vgl. z.B. Hohn 2006). Als Teilbereich dessen lässt sich das Regionalmarketing mit den Unterformen Tourismusoder Destinationsmarketing (mit der Zielgruppe Touristen) oder Standortmarketing (mit der Zielgruppe Investoren) sehen (vgl. Balderjahn 2004; Kirchgeorg 2005).Da sich das Kommunikationsmanagement von Clusterorganisationen in einem Spannungsfeld von Wirtschaft, Politik und Wissenschaft bewegt, wird es von sehr unterschiedlich institutionalisierten Formen des Kommunikationsmanagements aus diesen Feldern beeinflusst. Neben der Unternehmenskommunikation lassen sich ferner auch Wissenschaftskommunikation, Innovationskommunikation, Public Marketing und StandortMarketing, Politische Öffentlichkeitsarbeit oder Verbandskommunikation nennen (vgl. Abbildung 1).

Abbildung 1: Spannungsfeld der Cluster-Kommunikation

Quelle: Eigene Darstellung

Insgesamt wird dadurch deutlich, dass für die Ziele dieser Arbeit keine einfache Übertragung eines dieser Ansätze auf die Organisationskommunikation von Clusterorganisationen möglich ist, sondern ein Ansatz des Kommunikationsmanagements entwickelt werden muss, der an die etablierten Theorien der Organisationskommunikation anschlussfähig ist, dabei aber auf einem organisationstheoretisch fundierten Modell aufsetzt, das die Eigenarten von Clusterorganisationen hinreichend berücksichtigt. Dazu ist eine stärkere Auseinandersetzung mit organisationstheoretischen Ansätzen besonders aus der Soziologie vonnöten, die in den oben angeführten eher management-orientierten Ansätzen noch nicht hinreichend rezipiert wurden.

 
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