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1.1 Fallstudie zur Vororientierung

Zur Verdeutlichung der Problemstellung, mit der sich die vorliegende Arbeit befasst, dient im Folgenden eine Fallstudie als Vororientierung. Als Untersuchungsobjekt dient dazu die Clusterorganisation Øresund IT, die das Cluster im Bereich Informationstechnologie (IT) in der grenzüberschreitenden Øresund-Region zwischen Dänemark und Schweden vertritt. Die Fallstudie baut methodisch auf einer Dokumentenanalyse der verschiedenen Publikationen von und über die Clusterorganisation auf, ergänzt durch ein strukturiertes Interview mit dem Clustermanager.

Für die Einordnung der Clusterorganisation werden zunächst einige Rahmenbedingungen der Clusterregion näher erläutert, bevor im nächsten Schritt die Clusterorganisation und ihr Kommunikationsmanagement selbst näher analysiert werden.

Der Øresund ist eine grenzüberschreitende Region zwischen dem östlichen Dänemark und dem südlichen Schweden, um die Meerenge zwischen der dänischen Hauptstadt Kopenhagen und der südschwedischen Stadt Malmö herum. In der Øresundregion leben rund 3,7 Millionen Einwohner auf einer Fläche von 21.203 Quadratkilometer [1]. Seit dem Jahr2000 sind Kopenhagen und Malmö durch eine die Meerenge überquerende Brücke – die Øresundbrücke – miteinander verbunden. Durch die verbesserte Infrastruktur und das durch die Brücke veränderte Raumgefüge der Region wurde auch die Grundlage für einen gemeinsamen Wirtschaftsraum und eine stärkere Integration der Akteure der Region gelegt. Die Institutionen der Region wurden stärker vernetzt und mehrere eng miteinander verflochtene Initiativen geschaffen, die die Ausrichtung der Region auf Innovation und die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit durch gemeinsame Aktionen der Innovationsakteure beider Länder befördern sollten. Dazu gehörte die Øresund University, ein Netzwerk zwischen den Universitäten der Region (vgl. OECD 2006).

Die Clusterorganisation Øresund IT hat ihren Ursprung im Jahr 1999. Unter dem Namen „IT Øresund“ wurde sie als gemeinsame Initiative der Øresund University und dem Øresund Business Council gegründet, um die Informationsund Kommunikationstechnologie-Branche (IKT) in der Region zu fördern. Die Clusterorganisation begann damit als Kooperation von dänischen und schwedischen öffentlichen Akteuren und diente der Clusterentwicklung. Eine Mitgliedschaft anderer Akteure war in diesem Stadium noch nicht möglich.

Im Jahr 2001 – nach der Eröffnung der Brücke über den Øresund – wurde die Initiative selber Teil der noch größeren Initiative „Øresund Science Region“ (OSR), die durch koordinierte Aktivitäten die wirtschaftliche Entwicklung und Clusterentstehung in vier Themenbereichen befördern sollte, in denen das größte Potenzial in der Region gesehen wurde: biomedizinische Technologie, Informationstechnologie, Ernährungsdienstleistungen und Umweltforschung (vgl. OECD 2006: 15). Im Rahmen der OSR entstanden dazu vier Clusterorganisationen: Medicon Valley (biomedizinische Technologie), das Øresund Food Network (Ernährungsdienstleistungen), die Øresund Environment Academy (Umweltforschung) sowie IT Øresund (Informationstechnologie), das 2002 in Øresund IT Academy umbenannt wurde, um die enge Verknüpfung mit den Hochschulen und der Forschung herauszustellen (vgl. OECD 2006: 32f.). In 2002 startete die Øresund IT Academy gemeinsam mit den Wirtschaftsfördereinrichtungen der Region eine Marketing-Kamgne unter dem Titel „Øresund IT – the human-tech region“. Im Jahr 2005 wurde die Øresund IT Academy zu einer mitgliedschaftsbasierten Organisation, offen für Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik aus beiden Ländern. Im Jahr 2008 fand eine erneute Namensänderung statt: Aus der Øresund IT Academy wurde nun Øresund IT, d.h. der Name der MarketingKampagne und die Initiative wurden identisch, zudem ist es wieder eine Rückkehr zu dem Gründungsnamen IT Øresund. Als Begründung für diesen Schritt geben die Initiatoren an, dass damit kommuniziert werden soll, dass die Initiative für den gesamten IT-Sektor offen sei, nicht nur für die Hochschulen und Forschungseinrichtungen.

Auch inhaltlich hat sich die Initiative – obwohl im Kern weiterhin eine Initiative für die IT-Branche – auf thematische Erweiterungen eingelassen. Durch die gestiegene Wahrnehmung der Kreativwirtschaft als Wirtschaftsfaktor wurde seit 2004 auch Øresund IT verstärkt in diese Richtung hin erweitert, insbesondere auf IT-nahe Themenfelder wie die Computerspieleindustrie und mobile Applikationen.

Im Jahr 2009, zehn Jahre nach der Gründung, umfasste Øresund IT über 100 Mitglieder und überspannte in der Mitgliederstruktur Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Mitglieder waren sowohl Großunternehmen wie Ericsson, IBM oder Siemens, ebenso wie zahlreiche kleine und mittelständische Unternehmen (KMU), die den Großteil der Mitglieder ausmachten. Als dritte wesentliche Mitgliedergruppe engagierten sich die Universitäten von Lund und Malmö auf schwedischer Seite sowie die Copenhagen Business School und die IT University Copenhagen in der Clusterorganisation. Schließlich waren auch Wirtschaftsförderinstitutionen und Kommunen Mitglied bei Øresund IT. Damit hatte Øresund IT eine für Clusterorganisationen typische Mischung der Mitgliederstruktur– verbunden mit ebenso vielen verschiedenen Interessen und Ansprüchen, auch im Hinblick auf die Kommunikation.

Øresund IT beschäftigte zu diesem Zeitpunkt neun Vollzeitangestellte in den Büros in Malmö und Kopenhagen, darunter einen Clustermanager, einen Kommunikationsmanager, mehrere Projektmanager sowie Verwaltungsfachkräfte. Ein Board, bestehend aus Vertretern der Mitgliedsorganisationen, war für die strategische Ausrichtung zuständig. Die Finanzierung der Organisation folgte einem Mischmodell aus öffentlicher Grundfinanzierung und Mitgliedsgebühren. Als Ziel von Øresund IT wurde formuliert:

„Our mission is to create growth and make the Øresund Region even more attractive to internal and external stakeholders of the region's ICT cluster. Our core strategic work supports this by focusing on delivering knowledge and contacts, increase and maintain our network, initiating and managing projects and supporting innovation in close collaboration with companies, universities, public authorities and investors[2].“

Kommunikation nahm eine vergleichsweise hohe Bedeutung für Øresund IT ein und war eines von mehreren Hauptbetätigungsfeldern der Organisation, was sich auch schon an den oben formulierten Organisationszielen zeigt. Die Kommunikationsstrategie wurde von mehreren Akteuren entwickelt, neben dem Kommunikationsmanager nahmen auch der Clustermanager und das Board darauf Einfluss. Zielgruppe der Kommunikation waren primär die Clustermitglieder wie auch potenzielle Neumitglieder, d.h. Unternehmen von innerhalb wie auch außerhalb der Region, die für eine Mitgliedschaft bzw. Ansiedlung in der Region gewonnen werden sollen. Eine weitere wichtige Zielgruppe waren – bedingt durch die Relevanz der Forschung im Rahmen der Øresund Science Region – auch Universitäten und Ausbildungseinrichtungen.

Die Ziele der Kommunikation von Øresund IT lagen insbesondere darin, die Region Øresund als Marke für IT zu etablieren sowie auch die Clusterorganisation bekannter zu machen und neue Mitglieder zu werben. Zudem sollten die Clustermitglieder untereinander besser vernetzt werden und zu Kooperationsprojekten ermuntert werden sowie Fachkräfte und Investoren in die Region gelockt werden. Eine Gründungskultur sollte befördert werden und Unternehmen bei der Internationalisierung sowie bei der Kommerzialisierung von Forschungsergebnissen unterstützt werden. Die Kommunikation baute sowohl auf klassische Maßnahmen wie Marketing-Kampagnen und ein Cluster-Magazin, der Schwerpunkt lag aber auf den Online-Kanälen: E-Mails, Website, Online-PR, später auch Social Media – ergänzt durch persönliche Treffen und Veranstaltungen, bei denen die Clustermitglieder zusammenkamen.

Schlussfolgerungen:

Am Beispiel der Clusterorganisation Øresund IT lässt sich verdeutlichen, welche vielfältigen Anforderungen an das Kommunikationsmanagement im Laufe der Lebenszeit einer Clusterorganisation gestellt werden können.

Eine erste Herausforderung besteht darin, dass sich die äußeren Rahmenbedingungen der Organisation mehrfach verändert haben. Zunächst als unabhängige Clusterorganisation gestartet, wurde Øresund IT zwei Jahre später selber in eine übergreifende Initiative eingebettet. Damit wurde ein zusätzlicher Kontext der Kommunikation geschaffen – es ging nicht mehr nur um eine Branche, sondern die wissensintensiven Industrien generell. Aus Sicht des Kommunikationsmanagements entstand dadurch ein doppelter Organisationsbezug: als Clusterorganisation der IT-Branche wie als Teil einer übergreifenden Dachorganisation. Dadurch entstehen neue Fragen, die insbesondere die Abstimmung der Kommunikation zwischen einzelner Clusterorganisation und dem Rahmenprogramm sowie zwischen den einzelnen themenbezogenen Clusterorganisationen untereinander betreffen. Dies kann sowohl das Erscheinungsbild, die eingesetzten Kommunikationsmaßnahmen sowie die grundsätzliche Kommunikationsbotschaft tangieren. Auch ist es eine Frage des Schnittstellenmanagements: In den einzelnen Clusterorganisationen sind jeweils unterschiedliche Akteure versammelt, zwischen denen es geringe Schnittmengen gibt – Unternehmen aus dem Life-Sciences-Bereich und Unternehmen aus dem IT-Sektor werden mangels gemeinsamer Themen im Normalfall selten miteinander in Austausch treten. Dennoch muss durch entsprechende Gremien und Austauschplattformen die Kommunikation zwischen diesen einzelnen Clusterorganisationen funktionieren, um ein erfolgreiches Kommunikationsmanagement auch der Einzelinitiativen zu erreichen.

Am Beispiel von Øresund IT lässt sich ebenfalls der Prozess der mehrfachen Repositionierung im Laufe des Lebenszyklus der Organisation beobachten. Dies ist im Kern eine Frage des Selbstverständnisses und der Mission der Organisation gewesen, die aber Auswirkungen auf deren Namensgebung und die Botschaft hatte. Dies zeigt sich in der Namensänderung von IT Øresund zu Øresund IT Academy bei gleichzeitigem Launch einer Marketing-Kampagne Øresund IT und schließlich die Umbenennung der gesamten Organisation in Øresund IT.

An Øresund IT zeigt sich auch, wie sich eine ursprünglich technologiebezogene Clusterinitiative nach und nach in Richtung des Themas Kreativwirtschaft bewegt. In den Publikationen der Organisation taucht dieser Begriff seit 2004 auf, und die Øresundregion wird seitdem auch als Kreativwirtschaftscluster gesehen.

Eine weitere, grundsätzliche Herausforderung des Kommunikationsmanagements, die sich am Beispiel Øresund IT zeigt, ist der hier gegebene grenzüberschreitende Charakter. Abgesehen von den unterschiedlichen regulativen Bedingungen, die im Gebiet der Clusterorganisation gelten, sowie der Herausforderung, Büros in zwei Ländern zu unterhalten, kommen zusätzlich noch Sprachunterschiede hinzu, so dass im Gebiet der Clusterinitiative nicht einmal eine gemeinsame Sprache existiert. Dies erschwert nicht nur den Austausch untereinander, sondern zwingt die Clusterakteure auch dazu, in ihrer Außenkommunikation rein auf die gemeinsame Fremdsprache Englisch auszuweichen, so dass die Clusterorganisation schon per se internationale Kommunikation betreiben muss.

Zusätzlich komplexer wird der grenzüberschreitende Charakter noch dadurch, dass dabei gleichzeitig eine funktionale Region, die Øresundregion, im Rahmen des Clusterprogramms konstruiert wird. Die Initiative wird damit selbst zu einem Akteur, der durch sein Schaffen diese politisch konstrtuierte Region Øresund konstruiert. So ist denn auch eine Dimension des Kommunikationsmanagements nach innen gerichtet: daraufhin, dass sich die Clusterakteure selbst als Teil einer grenzüberschreitenden Øresundregion verstehen und damit identifizieren.

Am Beispiel von Øresund IT lassen sich in kompakter Form also viele Aspekte aufzeigen, die das Kommunikationsmanagement von Clusterorganisationen in der Realität zu einer höchst komplexen Herausforderung machen können. Es mangelt bisher an einem Modell, das diese verschiedenen Aspekte zu integrieren vermag, und einen theoretisch fundierten Handlungsrahmen für die Praxis aufspannt. Dies ist Ziel dieser Arbeit.

  • [1] Vgl. oresundsregionen.org/en/about-the-oeresund-region, abgerufen am 20.3.2015
  • [2] Vgl. oresund.org/it/about-us/vision-mission, abgerufen am 20.3.2015
 
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