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2 Verwaltungsgeschichtliches

Landesverwaltung ist zugleich ein Spiegel der politischen, gesellschaftlichen und technischen Gegebenheiten.56 Am Beispiel Niedersachsens kann man sehen, dass die Veränderung der Verwaltung so stetig ist wie diese selbst. Seit 1946 wird – wie in etlichen anderen Ländern auch – „in Schüben“ reformiert.57 Zumeist wurde und wird dabei nicht gänzlich „Neues“ geschaffen und oft an „Altes“ angeknüpft. Nicht selten sind „alte Zöpfe“ belassen worden, die man zuweilen erst später abschnitt.

Gerade bei der Verwaltungsgliederung, die in ihrer räumlichen Dimension auch politische Geografie ist58, lassen sich Traditionslinien gut erkennen. In nicht unerheblichem Maß sind Verwaltungsstrukturen daher nur mit einem Blick zurück zu verstehen.59 Niedersachsen ist dabei kein Sonderfall im Konzert der Länder.

2.1 Aufbau und erster Reformschub in den 1970er Jahren

Niedersachsen wurde Ende 194660 als ein neues Land mit alten Wurzeln infolge der Vereinigung der ehemaligen Freistaaten Braunschweig, Oldenburg und Schaumburg-Lippe sowie des im August 1946 errichteten Landes Hannover61 gegründet. Im Zuge dessen wurde zunächst, wie etwa auch in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen, in der neuen Landeshauptstadt eine Ministerialbürokratie neu aufgebaut. Unterhalb dieser obersten Verwaltungsebene wurde, was seinerzeit typisch für deutsche Flächenländer war, eine Mittelebene errichtet bzw. beibehalten. In Nachfolge der Regierungsbezirke in der (preußischen) Provinz Hannover62 standen mittlere Landesbehörden mit gleicher Bezeichnung in Hildesheim, Lüneburg, Stade, Osnabrück, Aurich und Hannover. Letzterer umfasste auch Schaumburg-Lippe. „In memoriam“ der „alten“ Länder Braunschweig und Oldenburg waren dort als Mittelbehörden sog. Niedersächsische Verwaltungsbezirke eingerichtet, die einen zwar weitgehend identischen, jedoch im Vergleich zu den Regierungsbezirken überschießenden Aufgabenbestand63 hatten. Der Aufbau einer auf Demokratie und Rechtsstaat verpflichteten Verwaltung – der freilich weit mehr als die Organisation vor allem die Zusammensetzung und Einstellung des Personalkörpers betraf – in einem geeinten Niedersachsen, was zuweilen noch stärker zusammenwachsen musste, war eine nicht zu unterschätzende („Aufbau“-)Leistung.64

Technischer Fortschritt sowie budgetäre Zwänge bedingten u.a. einen stetigen Prozess der Konzentration und Straffung, der in Teilen auch ein Rückzug des niedersächsischen Zentralstaates „aus der Fläche“ bedeutete. Dabei können Reformschübe beobachtet werden, die einschneidende Wegmarken der niedersächsischen Verwaltungsgeschichte sind.65 In den 1970er Jahren kam es – wie in etlichen Ländern schon geschehen66 – zu erheblichen Neugliederungen der Kommunen67 als auch der Landesverwaltung, deren Höhepunkt die „Bezirksreform“ war. 1978 wurden aus den acht Verwaltungsund Regierungsbezirken nunmehr vier Bezirksregierungen68 – Hannover, Weser-Ems69, Lüneburg70 und Braunschweig71. Es blieb also bei einer gestrafften Einrichtung von Mittelbehörden, allerdings wurde der „alte Zopf“ der Verwaltungsbezirke abgeschnitten.72 Dieser Reformschub, der sich über Jahre hinzog, wurde wissenschaftlich maßgeblich von der sog. „Weber-Kommission“ vorbereitet.73

Nach dieser umfassenden Reform in den 1970er Jahren nahmen die Veränderungen in den späten 1990er Jahren wieder zu. In dieser Zeit wurden nicht wenige Behörden aufgelöst.74 Dazu gehörte etwa in der Jahreswende 1997/98 das 1958 geschaffene Landesverwaltungsamt75, damals die größte Behörde im Lande. In seinen Hochzeiten verfügte es über ca. 2.900 Bedienstete – mit einem bunten Portfolio wechselnder und unterschiedlichster Zuständigkeiten etwa von der Statistik über die Denkmalpflege, der Landesvermessung, der Versorgungsverwaltung bis hin zur Informationsund Kommunikationstechnologie.76 Zudem fällt in die Zeit dieses betriebswirtschaftsdominierten Jahrzehnts – legt man den Fokus auf das Verwaltungsinnere – die Bewegung um das New Public Management/Neues Steuerungsmodell.77 Wohl weniger aufgrund der damit verbundenen Neuerung als vielmehr wegen gesellschaftlicher und technischer Veränderungen insgesamt kann spätestens seit den 1990er Jahren ein Wandel der Verwaltungskultur beobachtet werden. Grob, aber damit verdeutlichend gesagt, ging die Entwicklung weg von einer eher obrigkeitlichen hin zu einer bürgerorientierten Verwaltung unter „Schleifung“ hierarchiebetonter Unterschiede.78 Diese Entwicklung betraf also sowohl das Auftreten gegenüber dem Bürger als auch das verwaltungsinterne Verhältnis der verschiedenen Ebenen.

 
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