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1.3 Verfassungsrechtlicher Rahmen und staatsrechtliche Dogmen – die Landesregierung als Spitze der Landesverwaltung

Die Landesverwaltung ist durch das (öffentliche) Recht konstituiert und geprägt. Verfassungsrechtliche Leitnormen zu ihrer Organisation sind Art. 37 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3 der Niedersächsischen Verfassung (NV), wonach es Sache der Landesregierung ist, die Geschäftsbereiche der Ministerien festzulegen26, sowie Art. 38 Abs. 1 und Art. 56 NV, die ein Monopol zur Ausübung der Verwaltung durch die Landesregierung und die dieser nachgeordneten Behörden statuieren sowie den Erlass von gesetzlichen Organisationsregelungen ermöglichen bzw. erzwingen.

Will man die Landesverwaltung im Sinne der klassischen Gewaltenteilungslehre27 einordnen, gehört sie der vollziehenden Gewalt28 bzw. der Exekutive zugeordnet. Selbstverständlich ist ihre Bindung an Recht und Gesetz29; sie vollzieht im Rahmen und aufgrund insbesondere der fachgesetzlichen Vorgaben – dem Besonderen Verwaltungsrecht30 – maßgeblich in den Bahnen des Allgemeinen Verwaltungsrechts31, wie z.B. dem Verwaltungsverfahrensgesetz.32

Gemäß Art. 56 Abs. 1 NV übt das Land seine Verwaltung durch die Landesregierung und die ihr nachgeordneten Behörden aus. Der Landesregierung nicht nachgeordnete – unabhängige – Verwaltungsstellen sind demnach verfassungsrechtlich unzulässig, soweit nicht die Verfassung selbst Ausnahmen hiervon macht.33 Als solche sog. ministerialfreien Räume, die der Landesverwaltung im weiteren Sinne zugerechnet werden können, kennt die Niedersächsische Verfassung den Landtag34, den Landesrechnungshof35 und den Landesbeauftragten für den Datenschutz.36 Deren Verwaltungsapparat ist nicht der Landesregierung, sondern diesen selbst zugeordnet.

Die Landesverwaltung ist nach staatsrechtlicher Dogmatik als der (Hilfs-)Apparat der Landesregierung bzw. die Summe der (Hilfs-)Apparate des Ministerpräsidenten (Staatskanzlei) und der Minister zu begreifen. Die Landesregierung, der Ministerpräsident und die Minister befähigen als Organe37, die juristische Person und Körperschaft öffentlichen Rechts „Land Niedersachsen“ zu handeln. Über die Landesregierung und ihre Mitglieder wird jedem Amtswalter im Apparat, etwa einem Polizisten, der zu einer Festnahme schreitet, die notwendige demokratische Legitimation38 vermittelt. Es besteht so eine Legitimationskette vom Volk, von dem alle Staatsgewalt ausgeht39, ununterbrochen über den von ihm gewählten Landtag, der wiederum die Landesregierung bzw. Minister trägt, weiter über den Staatssekretär, Abteilungsleiter, Referatsleiter bis zum Sachbearbeiter.40 Daher zeichnet etwa der Amtswalter im Ministerium „Im Auftrage“41 – nämlich seines Ministers, der letztlich für dieses Handeln Verantwortung trägt.42 Die Hierarchie der und innerhalb der Verwaltung und damit insbesondere die Weisungsunterworfenheit – „Ober sticht Unter“ – ist insofern grundsätzlich demokratietheoretisch notwendig.43 Auch der nachgeordnete Bereich und die dort Bediensteten sind Teil dieser Kette, freilich wird sie „dünn“. Die Organisationsgewalt als eine der Kernkompetenzen der Landesregierung nimmt dort ab. Insofern kann es der weiteren Legitimation durch gesetzliche Regelung bedürfen. Die Niedersächsische Verfassung gibt diesem Spannungsverhältnis mit den Art. 38 Abs. 1 und 56 Abs. 2 einen Rahmen.44 Hiernach beschließt die Landesregierung über die Organisation der (unmittelbaren) (Landes-)Verwaltung, soweit nicht Gesetze die Organisation regeln. Der allgemeine Aufbau – nicht aber die Zuständigkeiten der Behörden45 – und die räumliche Gliederung der allgemeinen Verwaltung bedürfen allerdings eines Gesetzes.46 Die Staatspraxis zeigt sich mit guten Gründen – klare Verantwortlichkeiten, Flexibilität erhalten, „Versteinerung“ verhindern – zurückhaltend mit Eingriffen in die Organisationsgewalt der Landesregierung durch den Gesetzgeber.47 Selbst große Reformen der allgemeinen Verwaltung wie die Abschaffung der Bezirksregierungen wurden nicht zum Anlass genommen, ein allgemeines Landesorganisationsgesetz48 zu erlassen, sondern wurden durch Spezialgesetz abgesichert.49 Etliche Landesbehörden bzw. Einrichtungen sind so durch Organisationserlass der Landesregierung eingerichtet bzw. aufgelöst50 worden. Zuständigkeiten werden zumeist im Verordnungswege den Behörden bzw. Einrichtungen zugewiesen. Innerhalb der Verwaltung wird durch Geschäftsverteilungspläne dem einzelnen Amtswalter ein Aufgabenbereich zugeordnet.

Die Landesregierung wirkt zusammen mit dem Landtag nicht nur an der Staatsleitung mit (gubernative Funktion), sondern ist – wie gezeigt – nach niedersächsischem Verfassungsrecht Ausgangspunkt aller Landesverwaltung sowie deren Spitze. Hiernach hat sie dafür Sorge zu tragen, dass die politischen Vorgaben im Rahmen des Rechts durch die Landesverwaltung umgesetzt und vollzogen werden (exekutive Funktion). Dazu muss sie eine Übersetzungsleistung aus dem politischen in den Raum der Verwaltung – den auf Neutralität51 verpflichteten Apparat, der „gegründet auf Sachwissen, fachliche Leistung und loyale Pflichterfüllung [...] einen ausgleichenden Faktor gegenüber den das Staatsleben gestaltenden politischen Kräften darstellen soll“52 – vollbringen.53 Ein Baustein hierzu ist das politische Beamtentum54, wonach in der Leitungsebene der obersten Landesbehörden Amtswalter eingesetzt und jederzeit wieder abberufen werden können, die das besondere Vertrauen des Ministerpräsidenten bzw. der Minister genießen.55

 
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