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3.3 Sozialer Rechtsstaat

Art. 1 Abs. 2 NV konstituiert das Land Niedersachsen auch als sozialen Rechtsstaat. Wie auch im Demokratieprinzip ist im Rechtsstaatsprinzip eine Reihe von zentralen Elementen enthalten, die auch ohne weitere Normierung unmittelbar verfassungsrechtliche Geltung erlangen.58 Gesondert geregelt und damit ausdrücklich hervorgehoben ist aber durch Art. 2 Abs. 2 NV die strikte Rechtsbindung aller staatlichen Gewalt. Danach ist die Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung von Bund und Land, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden. Damit sind für die Exekutive der Vorrang und der Vorbehalt parlamentarischer Gesetze etabliert. Zugleich wird der Vorrang der Verfassung ausdrücklich statuiert, der Grundlage für die Rechtsprechungskompetenzen des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs ist. Zu den traditionellen Elementen des deutschen Rechtsstaatsprinzips zählen ferner die Garantie gerichtlichen Rechtsschutzes sowie eine Reihe von Justizgrundrechten wie das Recht auf ein faires Verfahren, der Gedanke der Rechtssicherheit, der durch die Grundsätze der Bestimmtheit und des Vertrauensschutzes konkretisiert wird, sowie das nahezu universale Verhältnismäßigkeitsprinzip. Auch die staatliche Pflicht zur Beseitigung von Rechtsverstößen gilt als Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips. Schließlich werden auch die Grundrechte und ihr Schutz als vom Rechtsstaatsprinzip erfasst angesehen. Art. 53 NV begründet zusätzlich entsprechend Art. 19 Abs. 4 GG eine Rechtsweggarantie bei Eingriffen in die Rechte des Einzelnen durch die Exekutive und damit zugleich eine institutionelle Garantie der Verwaltungsgerichtsbarkeit für Niedersachsen. Das Sozialstaatsprinzip wirkt dagegen nur als Staatsziel und Interpretationsleitlinie.

3.4 Kommunale Selbstverwaltung

Zu den Rahmenbedingungen des Regierens in Niedersachsen gehört auch, dass die Verfassung in Art. 57 NV für die kommunalen Gebietskörperschaften eine Selbstverwaltungsgarantie gewährleistet, die freilich auch bereits durch Art. 28 Abs. 2 GG bundesverfassungsrechtlich abgesichert ist. Die Niedersächsische Verfassung sichert die kommunale Selbstverwaltung vor allem in Finanzfragen noch deutlich stärker ab als das Grundgesetz. Zwar gehört die Finanzhoheit zum Kern der Selbstverwaltung und ist insoweit auch durch Art. 28 Abs. 2 GG geschützt, die Niedersächsische Verfassung normiert aber zudem eine Garantie angemessener Finanzausstattung (Art. 58 NV) sowie eine Deckungsgarantie im Fall der Übertragung staatlicher Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung (Art. 57 Abs. 4 NV). Dieser Regelung, dass bei einer Übertragung gleichzeitig Bestimmungen über die Deckung der Kosten getroffen werden müssen, kommt auch selbständige normative Bedeutung zu, die trotz des Gestaltungsspielraumes des Gesetzgebers auch bereits zur Nichtigkeit eines Finanzausgleichsgesetzes geführt hat.59

Die kommunale Autonomie steht unter einem Gesetzesvorbehalt, da sie sich „im Rahmen der Gesetze“ (Art. 57 Abs. 1 NV) bewegen muss. Die Reichweite dieses Vorbehalts entscheidet daher maßgebend über die Spielräume der kommunalen Gebietskörperschaften.60 Der Niedersächsische Staatsgerichtshof versteht die Selbstverwaltungsgarantie als subjektives Recht der Kommunen61 und unterwirft die Gesetze, welche die Selbstverwaltung einschränken, dem Verhältnismäßigkeitsprinzip (Geeignetheit, Erforderlichkeit, Angemessenheit).62 Das geht über die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts63 hinaus.

 
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