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Soziale Arbeit und Stadtentwicklung
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3 Zusammenhänge zwischen Sozialplanung und StadtentwicklungDie Gegenstandsbereiche von Stadtentwicklung und Sozialplanung sind breit gefächert. Es liegt nahe, dass sehr unterschiedliche Disziplinen und Fachbereiche an der Planung von städtischen Räumen und sozialen Infrastrukturen beteiligt sind. Für die Stadtentwicklung trifft dies zu. Hier arbeiten neben der eigentlichen Stadtentwicklung Personen aus unterschiedlichen Fachbereichen mit, wie z.B. Hoch-Tiefbau, Verkehrsplanung, Umwelt und Sozialplanung, die wiederum aus verschiedenen Fachrichtungen stammen, wie z.B. Verwaltungswissenschaften, Urbanistik, Geographie, Architektur und Sozialwissenschaften. Im Vergleich zur Stadtentwicklung ist die Sozialplanungspraxis weniger transdisziplinär ausgerichtet. Die Sozialplanung teilt sich in der kommunalen wie auch städtischen (oder auch kantonalen) Verwaltung oftmals thematisch in verschiedene Fachstellen auf, z.B. Pflege, Gesundheit, Integration oder nach Zielgruppen (Kinder und Jugendliche, Familie, Ältere) definierte Bereiche. Dies hängt mit den eigenständigen Regelungswerken (z.B. Kinderund Jugendhilfegesetz, Pflegegesetz, Behindertengesetz) zusammen, ist aber auch historisch bedingt (z.B. Ausdifferenzierung der Verwaltung). Die einzelnen Planungsstellen sind in aller Regel übergeordneten Abteilungen oder Departementen zugehörig. Die fachund ressortgebundene Planung stellt eine besondere Herausforderung für fachübergreifende Gesamtplanung sowohl für die Sozialplanung als auch für die Stadtentwicklung dar. In städtischen Planungsräumen gibt es zahlreiche Überschneidungen zwischen Sozialplanung Stadtplanung und Stadtentwicklung. Dennoch arbeiten Sozialplanende und Stadtentwickler und Stadtentwicklerinnen meist in unterschiedlichen Fachstellen. Eine Ausnahme bildet beispielsweise die Stadt Offenbach, Deutschland, die beide Handlungsfelder in ein Referat „Soziale Stadtentwicklung und Sozialplanung“ integriert. Sozialplanung wird aus Sicht der Stadtentwicklung bereits seit längerem als Instrument wahrgenommen, um städtische Veränderungen weniger starr und eindimensional zu betrachten, sondern dynamisch, mehrdimensional und vor allem partizipativ zu planen und zu gestalten. Farenholtz (1973), der Sozialplanung in die Nähe von praktischer Sozialer Arbeit rückt, stellt Sozialplanung der starren, statischen und schwer vorschreibbaren Bebauungsplanung gegenüber und betont im Kontext von Sanierungsmassnahmen, dass Sozialplanung vor allem extrem beweglich und elastisch sein müsse, um Partizipation zu ermöglichen. Sozialplanung bietet zudem Beratung und Betreuung für die Betroffenen an (Farenholtz 1971: 191). Auch Herlyn (1975: 213) stellt Sozialplanung in den Zusammenhang mit sozialer Stadtentwicklung und versucht dies am Beispiel des 1971 in Kraft getretenen Städtebauförderungsgesetzes in Deutschland, welches seiner Auffassung nach einen Sozialplan darstellt, zu verdeutlichen. Das Gesetz sieht vor, dass die von Massnahmen der Stadterneuerung und -erweiterung betroffenen Personen an der Planung und Verwirklichung von Bauaufgaben mitwirken. Die Beteiligungsorientierung in der Sozialplanung in dieser Zeit war nicht nur der politischen Forderung nach mehr Demokratie geschuldet. Sozialplanung zur damaligen Zeit war zudem relativ stark von den Ansprüchen der Sozialen Arbeit beeinflusst. In die Sozialplanung, insbesondere auch der Verwaltungspraxis, floss somit das von der Sozialen Arbeit eingeforderte Prinzip, soziale Veränderungsprozesse unter Beteiligung der Bevölkerung zu gestalten (vgl. Peters 1982). An dieser Stelle wird ein erweitertes Verständnis von Sozialplanung angesprochen, demzufolge Sozialplanung als eine „sozial sensibilisierte" Stadtund Raumplanung interpretiert werden kann (vgl. Nimmermann 1973: 87) bzw. eine soziale Stadtentwicklung ermöglichen soll (vgl. Korte 1986). Ein solches Verständnis macht die soziale Fürsorge durch den Staat in Form einer entsprechenden lokalen Infrastruktur nicht zum alleinigen Ausgangpunkt von Sozialplanung. Sozialplanung als „sozial sensibilisierte“ Stadtund Raumplanung knüpft an die Idee zentraler Daseinsgrundfunktionen (vgl. Partzsch 1965) an, die der jeweilige Lebensraum erfüllt. Am Vorhandensein und der Qualität der geleisteten Daseinsgrundfunktionen werden die Lebensbedingungen und Lebensqualität vor Ort offensichtlich. Sozialplanung im Sinne einer "sozial sensibilisierten" Stadtund Raumplanung stellt nicht nur räumlich lokalisierbare Bedarfe im Rahmen sozialer Sicherung fest, sondern plant die örtliche Infrastruktur mit Blick auf die Funktionen von Wohnen, Erholen, Arbeiten, Bildung erlangen, aber auch Mobil sein und der Möglichkeiten zur Vergemeinschaftung. Eine solche Sichtweise würde Sozialplanung als Sensorium für ein breites Feld sozialer Veränderungen im städti- schen Kontext begreifen. Im weiteren Verlauf des städtischen Planungsprozesses kämen dann die partizipativen Kräfte der Sozialplanung (vgl. Herlyn 1975) hinzu. Die Überlappung zwischen Sozialplanung und Stadtentwicklung zeigt sich auch daran, dass Fachstellen der Sozialplanung die soziale Stadtentwicklung als ihren zentralen Aufgabenbereich begreifen. In der Schweiz gibt beispielsweise die Fachstelle Sozialplanung der Stadt Bern als Handlungsfeld die soziale Stadtentwicklung an und verweist in diesem Zusammenhang auf ihre Aufgabe, die soziale Lage in der Stadt und in den Quartieren zu bestimmen und mit anderen Fachstellen dafür zu sorgen, dass soziale Angebote möglichst bedarfsgerecht ausgerichtet sind (vgl. Stadt Bern 2014). Es gibt Belege dafür, dass Sozialplanung und Stadtentwicklung in der Verwaltungspraxis häufig zusammenarbeiten. In der Studie von Schubert (2014) wurden 73 Sozialplanende aus Nordrhein-Westfalen (Deutschland) nach ressortübergreifender Zusammenarbeit befragt. Am meisten wurde die Zusammenarbeit mit Stadtund Regionalplanung genannt. 76% der befragten Sozialplanenden gaben an, dass sie mit der Stadtplanung bzw. mit der Regionalplanung auf der Ebene der (Land)Kreise kooperieren (Schubert 2014: 22). In einer offenen Kategorie wurde nachgefragt, was die Kooperation dabei zum Thema hat. Bezogen auf die Stadtentwicklung und -planung wurden genannt: die Planung von Bedarfsflächen (z.B. Standorte von Kindertagesstätten), Bauleitplanung, Bebauungspläne, Bauordnung, Soziale Stadt, soziale Quartiere, Sozialraumkonzepte, Stadtteilarbeit, Quartiersentwicklung, Stadt(teil)-Entwicklungsplanung und familiengerechte Stadt (Schubert 2014: 23). |
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