Desktop-Version

Start arrow Sozialwissenschaften arrow Soziale Arbeit und Stadtentwicklung

  • Increase font
  • Decrease font


<<   INHALT   >>

9 Perspektiven

Die Ergänzung der GWA auf Stadtteilebene um eine intermediäre Funktion hat zur Folge, dass sie zu mehr Seiten als bisher kommunikationsfähig ist und damit ihre latente Institutionenferne aufgibt. Dies wiederum räumt der GWA – über ein enges Verständnis des Sozialen hinaus – die Möglichkeit ein, den Blick auf weitere, für die Lebensbedingungen der Bewohner/innen relevante Politikfelder auszudehnen. Durch das Ausdifferenzieren von parteilichen und intermediären Funktionen kann die GWA ihre Wirkungsmacht bei der Gestaltung von Lebenswelten erhöhen.

In Analogie zu dieser doppelten Funktion zeichnet sich Intermediarität durch eine „Ambivalenz von Abhängigkeit und Autonomie, Integration in den staatlichen Herrschaftsapparat und Widerständigkeit und Distanzierung“ (vgl. von Trotha 1995: 18) aus. Die Existenz spezieller intermediärer Brückeninstanzen kann somit

„zugleich Ausdruck der Unfähigkeit und Unwilligkeit von Großorganisationen sein, sich ‚zu vermitteln', und Teil eines Versuches, bislang unterbewerteten Bedürfnis-sen und Interessen Einfallstore in Welten zu öffnen, die ihnen bislang verschlossen waren; sie können zugleich Teil neuartiger Konzepte des Machterhalts und der Demokratisierung sein“ (Evers zit. in Grimm 2004: 70).

Die große Grundkontroverse in der Sozialen Arbeit lautet: „Soziale Veränderung im Lebensinteresse der Menschen oder soziale Reform im Interesse des Systemerhalts?“ Die GWA ist eine der wenigen professionellen Zugänge, die diese Ambivalenz nicht in eine Richtung aufzulösen versucht, sondern die Exklusionsmechanismen in und von benachteiligten Stadtteilen markiert und „in systemwie sozialkompatibler Weise“ (Bossong 2011: 601) bearbeitbar macht. Die Frage, ob Gemeinwesenarbeit als intermediäre Instanz für die Verwaltungsund Regierungsmaschinerie des Staates eher ein „gut geöltes Kugellager“ oder doch „Sand im Getriebe“ ist, muss daher mit einem entschiedenen „Sowohl-als-auch“ beantwortet werden.

Für professionelles Handeln in diesen Spannungsverhältnissen von Systeminteressen und Lebensweltinteressen bringt die GWA ein erhebliches Maß an Kenntnissen, Kompetenzen, gesellschaftspolitischer Analyse und professionellem Reflexionsniveau mit. Das lässt die intermediär erweiterte GWA als einen geradezu idealen Akteur zur Absicherung und zum Managen eines Dialogs zwischen lokalem Gemeinwesen und kommunaler Administration erscheinen. Für die Stadtteilentwicklung können die Chancen einer intermediär ergänzten Quartiermanagements dann realisiert werden, wenn es der intermediären GWA gelingt, sich mit hoher konzeptioneller Klarheit, fundierter sozialpolitischer Analyse und einem gut kalibrierten fachlichen Kompass immer wieder genau in das Spannungsverhältnis von Regelverletzung und Realpolitik zu begeben. Die Grundvoraussetzung dafür bildet die Gewährleistung intermediärer Funktionen durch eine strukturelle und nachhaltige Finanzierung (vgl. Beck 2014).

 
<<   INHALT   >>

Related topics