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3 Stadtentwicklung aus Sicht der Sozialen Arbeit

In der Wachstumsphase der 1960er-Jahre widmete sich die öffentliche Hand mit ihren Entwicklungsplanungen vorrangig der Erneuerung und Erweiterung technischer Infrastruktursysteme (Straßenbau, U-Bahn-Bau). Parallel dazu hieß es: Flächenabriss und Kahlschlagsanierung. Die Rede war von „rückständigen Vierteln“, die durch neue Stadtstrukturen ersetzt werden sollten (Trabantenstädte).

Gegen solche Sanierungsverfahren regte sich Widerstand, gelegentlich von GWA unterstützt. Bekannt gewordenes Beispiel waren die Auseinandersetzungen im Frankfurter Westend.

Aber auch wohnungswirtschaftlich hatte dieser Sanierungstyp langfristig keine Chance. Das Ersetzen preiswerter Altbestände durch sozialen Wohnungsbau ließ Wohnungsengpässe entstehen, die Mängel der Trabantenstädte mit ihren eindimensionalen Strukturen wurden deutlich. Das Ende der Vollbeschäftigung Mitte der 1970er-Jahre unterstützte diese Dynamik.

Das führte zu einer Phase kleinräumiger Sanierung und Erneuerung der Bestände unter dem Schlagwort „behutsame Stadterneuerung“:

„Ganzheitlich und kleinteilig waren die Kennzeichen ihrer Strategie – und die Einsicht, dass die Erneuerungsziele nicht durch einen einmaligen Eingriff erreicht werden können, sondern dass Stadterneuerung eine Daueraufgabe ohne Dauerlösung ist.“ (Häußermann u.a. 2008, 231).

Mit dem Inkrafttreten des Städtebauförderungsgesetzes 1971 in Deutschland wurde nun auch die Beteiligung von Mietern, Eigentümern und Gewerbetreibenden des Quartiers vorgeschrieben. Die Stadtentwicklung überhaupt konzentrierte sich auf Quartiere, wurde zur Stadtteilentwicklung, bei der ebenfalls mehr Bürgerbeteiligung vorgesehen war. Bürgerbeteiligungsverfahren, wie die Planungszelle, die Advokatenplanung oder andere konsequente Formen der Bürgerbeteiligung sind allerdings Einzelerscheinungen geblieben.

In den 1980erund 1990er-Jahren führten die wirtschaftlichen Entwicklungen zum einen dazu, dass im kommunalen Handel „wirtschaftliche Parameter und wirtschaftliche Akteure wie auch die – oft nur vermeintlichen – Bedürfnisse dieser Akteure und 'des Marktes' (...) deutliche Priorität“ (Heinz 2000, 242) erhielten. Für die Stadtentwicklung hieß das, dass – vor allem in Mittelstädten – sektorale Fachplanungen unter dem Primat kommunaler Wirtschaftsförderung gesehen wurden (Stadtmarketing als Stadtentwicklung) und sich in Großstädten die Projektplanung imagewirksamer Großvorhaben (z.B. Neue Mitte Oberhausen) etablierte. Da hier immer wieder öffentliche und private Interessen gebündelt werden mussten, waren für diese Planung diskursive und verfahrensorientierte Vorgehensweisen erforderlich. Allerdings waren diese eingebunden in eine einseitige Stadtentwicklungspolitik, „die nicht die soziale Integration anstrebt, sondern die gesamte Stadt der globalen Konkurrenz ausliefert“ (Dangschat 1999, 40).

„Angesichts der mit den zunehmenden (sozial-)räumlichen Ungleichheiten verbundenen sozialen Desintegrationstendenzen und Konflikte, welche die Integrität der Zivilgesellschaft und somit auch die ungehinderte Wirtschaftstätigkeit zu gefährden drohten, wurde zum anderen in den 1980er Jahren damit begonnen, rein unternehmerische Stadtentwicklungsstrategien durch territorial ausgerichtete Maßnahmen zur Bekämpfung der sozialen Exklusion zu flankieren.“ (Rund 2010, 25).

So wurde auf der Ebene der Stadterneuerung, also bezogen auf die Quartiere selbst, seit den 1980er-Jahren Stadtentwicklung

„in zunehmenden Maße als eine Verknüpfung städtebaulicher, sozialund beschäftigungspolitischer, ökologischer, kulturpolitischer und umweltrelevanter Aspekte begriffen“ (Pfotenhauer 2000, 251).

Diese sogenannte „soziale Stadtentwicklung“ machte ebenfalls diskursive Verfahren, also die Beteiligung aller Betroffenen erforderlich. Das weckte bei den Vertretern der Gemeinwesenarbeit große Hoffnungen, die jedoch zumeist enttäuscht wurden.

Für die Stadtentwicklung des 21. Jahrhunderts sehe ich vier Aspekte, die eine wichtige Rolle spielen und in fortgeschrittenen Modellen der Stadterneuerung auch schon (ansatzweise) umgesetzt werden:

§ Stadterneuerung bedarf des aktiven Engagements und der Mitentscheidung der betroffenen Bevölkerung. Die Einführung von Stadtteilbüros Ende der 1980er-Jahre als Mittler und Motoren der Bürgerbeteiligung hat dem schon Rechnung getragen.

§ Stadterneuerung braucht die Rückbesinnung auf ökologische Zusammenhänge, z.B. auf Modelle der kostengünstigen, umweltverträglichen und quartiersnahen Produktion von Wärme und Energie.

§ „Drehund Angelpunkt künftiger Stadterneuerungsstrategien muss die Sicherung, Bereitstellung und bessere Verteilung von Arbeit sein.“ Es geht

„um die Begünstigung lokaler Ökonomie u.a. durch kleinteilige Erneuerungskonzepte und um die Förderung, Stärkung und Vernetzung neuer Formen von Arbeit“ (Pfotenhauer a.a.O., 256).

§ Schließlich muss – ohne das weiter ausführen zu können – auch über neue Finanzierungsmodelle in der Stadt(teil)entwicklung nachgedacht werden (z.B. Quartiersbudgets, Mobilisierung von Risikokapital etc.).

Worauf ich mit diesem groben historischen Rückblick hinauswollte: GWA und Stadtentwicklung haben sich mit ihren Ansätzen aufeinander zu bewegt und weitgehend angenähert (Bürgerbeteiligung, lokale Ökonomie).Der Begriff, mit dem sich diese Annäherung zu vollziehen scheint, heißt „Stadtteiloder Quartiersmanagement“. Wolfgang Hinte sieht im Quartiersmanagement die konsequente Fortführung des Arbeitsprinzips Gemeinwesenarbeit und der darauf basierenden stadtteilbezogenen Sozialen Arbeit (Hinte 1998, 156), Monika Alisch als notwendige Weiterentwicklung der „behutsamen Stadterneuerung“ der 80erJahre (Alisch 1998,12).

 
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