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Strategien der extremen Rechten
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II. Gegenstrategien Kultur und MedienTable of Contents:
Viraler Hass: Rechtsextreme Wortergreifungsstrategien im Web 2.0Alice Lanzke "brennt die scheiße schon vorher ab", "Wo kein Haus ist, kann auch keiner wohnen!!", "Das heißt ab nächsten Jahr Haus immer abschließen und den Hund abrichten…", "Sie können auch nach 100 jahren keine deutschen sein wenn ein Esel im Pferdestall geboren wird bleib er trotzdem ein ESEL"[1] Die Facebook-Seite der selbst ernannten Bürgerinitiative "Nein zum Heim in Pätz", die seit Oktober 2013 gegen ein Flüchtlingsheim in der brandenburgischen Stadt hetzt, strotzt vor solchen und ähnlichen Parolen. Gleichzeitig zeigt die Seite exemplarisch, mit welchen Mitteln rechtsextreme, rassistische und menschenverachtende Inhalte heutzutage über die Kommunikationswege des Web 2.0 verteilt werden. [2] 1 Offene Hetze als KommunikationsstrategieBesonders lokale Themen und Konflikte werden dabei von Neonazis gerne instrumentalisiert, um offensiv ihre Propaganda zu streuen: Wenn es beispielsweise um den Bau von Moscheen oder eben Flüchtlingsunterkünften geht, finden sich schnell sogenannte "Bürgerinitiativen" zusammen, deren Mitglieder sich online gegenseitig in ihren Vorbehalten und stereotypen Menschenbildern bekräftigen. Besonders gefährlich dabei ist allerdings, dass nicht jeder dieser "besorgten Bürger", wie es im Duktus der rechten Initiativen gerne heißt, rechtsextrem ist. Durch die offene Propaganda politisch klar einzuordnender Diskutierender verschärft sich jedoch schnell das Diskussionsklima – Solidarisierungseffekte treten ein. So lassen sich auch nicht rechte Nutzerinnen und Nutzer leicht mit in den Strudel aus Aggression, Vorurteilen und Hass hineinziehen. Genau auf diesen Solidarisierungseffekt setzen rechtsextreme Kommunikationsstrategen: Typische Feindbild-Strukturen sollen aufgebaut und erhalten werden. Verallgemeinerung und Vereinfachung komplexer sozialer Gefüge erzeugen ein künstliches "Gruppen-Wir", das dann gegen das feindliche "Die Anderen" abgegrenzt wird. Durch die ständige Wiederholung radikaler Stereotype und fanatischer Zukunftsvisionen versuchen Rechtsextreme darüber hinaus, Ängste in der nicht-rechten Bevölkerung zu schüren. Neben rassistischen, antisemitischen und homophoben Beschimpfungen, die leider auch in der Alltagssprache verwendet werden, sind typische Feindbilder mit passenden Begriffen versehen. Die Regierung ("Besatzerregime") besteht im Sprachgebrauch der Neonazis nur aus "Systempolitikern" und "Systemparteien". Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus und für Demokratie einsetzen, werden zu "Multikulti-Extremisten", "Multikulti-Umerziehern" oder einfach "Gutmenschen". Migranten werden grundsätzlich als "Asylbetrüger" oder ironisch "Kulturbereicherer" bezeichnet. Mit der vergleichsweise leicht zu durchschauenden Strategie der Eskalierung versuchen Rechtsextreme, Diskussionen zu verschärfen und zu radikalisieren. Ziel dieser Strategie ist, rationale Argumentationsgrundlagen zu entkräften, um Unruhen sowie Aggressionen zu entfesseln. Nutzerinnen und Nutzer sollen "endlich handeln", so zumindest die oft verwendete Forderung rechter Propagandisten. Die Instrumentalisierung gefühlsbeladener Themenbereiche wie "Kindesmissbrauch" garantiert den Rechtsextremen ein großes Aufmerksamkeitspotenzial. In einem Klima emotionaler Instabilität oder gar direkter Betroffenheit der Diskutierenden ist es darüber hinaus leichter, radikale "Lösungsansätze" als logische Konsequenz eines komplexen Problems zu platzieren. Gerade bei offen rassistischen und menschenverachtenden Postings scheint es schwierig, ruhig zu bleiben, doch genau darum muss es bei der Deeskalation derartiger Debatten gehen: um eine Versachlichung der Diskussion. Hierbei lassen sich typische Stammtisch-Parolen oft leicht entkräften, indem auf Lücken und Fehler in den Argumentationsstrukturen hingewiesen wird. Wenn das nicht hilft, muss der Mut aufgebracht werden, Diskussionen abzubrechen – wenn möglich mit klärenden Worten. Grundsätzlich ist es eine mühselige Aufgabe, regelmäßig und ausdauernd auf offen rechtsextreme Hetze zu reagieren. Und dennoch bleibt sie notwendig: Denn Nicht-Handeln bestärkt die Aggressoren und verunsichert andere Nutzer und Nutzerinnen. Außerdem demonstrieren Erwiderungen auf Nazi-Parolen Solidarität mit den Betroffenen. Dazu kommt in allen sozialen Netzwerken die Möglichkeit des "Löschens" oder "Meldens" von Beiträgen.
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