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3 Erfolgsbedingungen von und Reaktionen auf PEGIDA in Sachsen

Nach dem bisher Gesagten stellt sich auch die Frage, warum PEGIDA anders als in anderen Bundesländern lediglich in Sachsen und hier vor allem in Dresden erfolgreich werden konnte. Dafür ist ein Blick auf Reaktionen wichtiger Akteure aus Politik, Wissenschaft und Bildung in Sachsen, die eine meinungsbildende Funktion haben, unerlässlich.

3.1 Politische Reaktionen auf PEGIDA

Während von LINKEN, SPD und GRÜNEN sehr schnell eine deutliche Distanzierung von PEGIDA und eine Thematisierung des dort vertretenen Rassismus erfolgte, schwanken die Positionen von CDU, FDP und Staatsregierung zwischen Distanz, Sympathie und politischen Anbiederungsversuchen. Da es zu weit führen würde, alle Details dieser mittlerweile sehr unübersichtlich gewordenen politischen Debatte hier auszubreiten, konzentriere ich mich auch einige zentrale Akteure. [1]

Bereits am 23. November 2014 verkündete Innenminister Markus Ulbig (CDU) die Gründung einer Sondereinheit der Polizei für straffällig gewordene Asylbewerber, die bereits zum Dezember 2014 an allen fünf sächsischen Polizeidirektionen eingesetzt werden solle. Er kommentierte dies mit den Worten: "Es darf nicht sein, dass einer, der kein Recht auf Asyl hat und dann noch schwer straffällig geworden ist, durch das Zusammentreffen von Strafprozessordnung und Ausländerrecht am Ende mit einer Art Bleiberecht belohnt wird" (LVZ 2014a). Ulbig verwies darauf, dass lediglich 3 % der Flüchtlinge so genannte Mehrfachstraftäter seien, in Sachsen also rund 160 bis 170 Personen, die jedoch für über 1 000 Straftaten verantwortlich seien (mdr 2014b). Bemerkenswert daran ist, dass ihm bereits wenig später der Dresdner Polizeipräsident Dieter Kroll in Teilen widersprach, indem er sich gegen den Begriff "Sondereinheit" wehrte. Kroll wird mit den Worten zitiert: "Wir wollten kein Bild einer Spezialeinheit mit Messern zwischen den Zähnen hervorrufen. Es ist zum Kotzen, denn genau das ist eingetreten". Kroll verwies darauf, dass es sich lediglich um eine organisatorische Umgestaltung in der Polizeiarbeit handele, wie sie es bis zum Jahr 2011 bereits gegeben habe. Kroll verwies zudem darauf, dass die Kriminalität im Umfeld von Asylbewerberheimen nicht ansteige (ebd).

Bemerkenswert ist weiterhin, dass Innenminister Ulbig in Beantwortung einer Kleinen Anfrage der GRÜNEN Landtagsabgeordneten Eva Jähnigen zugeben musste, dass die Begehung von Straftaten nicht zu einem Bleiberecht im rechtlichen Sinne führt, sondern die Interessenerwägung der Strafverfolgungsbehörden dazu führen kann, dass das Interesse an einer Strafverfolgung in Deutschland schwerer wiegt, als eine an und für sich zu vollziehende Abschiebung (Jähnigen 2014).

Innenminister Ulbig hat also zu einem Zeitpunkt, zu dem die PEGIDA-Demonstrationen in Dresden noch längst nicht die 10 000-Marke erreicht hatte, einen zentralen Inhalt der Demonstrationen aufgegriffen und in der Öffentlichkeit das Bild des kriminellen Asylbewerbers, dem der Rechtsstaat nicht beikommen kann, befördert. Sollte sein Kalkül gewesen sein, damit den Organisatoren und Demonstranten von PEGIDA den Wind aus den Segeln zu nehmen, ist er damit gescheitert, mehr noch, es steht zu befürchten, dass dieses vorurteilsbeladene Bild von Asylbewerbern, das weit verbreitet ist, dadurch noch genährt wurde.

Innenminister Ulbig war es dann auch, der trotz schwerwiegender Kritik einem Treffen mit den Organisatoren von PEGIDA zustimmte, zu einem Zeitpunkt als die massiven rassistischen Ausfälle diverser PEGIDA-Organisatoren, dezidierte Analysen über den am nationalsozialistischen Sprachgebrauch angelehnten PEGIDA-Parolen von der "Lügenpresse" und den "Volksverrätern" bereits vorlagen und auch das kriminelle Vorleben von Lutz Bachmann bekannt war. Mehr als genug Gründe also, einem Dialog mit den Organisatoren eine Absage zu erteilen. Stattdessen fand das Treffen von Innenminister Ulbig am 25. Januar 2015 statt, also kurz nachdem auch noch die rassistischen Äußerungen von Lutz Bachmann und dessen Posieren mit Hitler-Frisur bekannt wurde. Zwar nahm an dem Treffen Bachmann nicht (mehr) teil, ein fragwürdiges Licht wirft dies jedoch schon auf das Agieren von Staatsminister Ulbig, zumal am gleichen Tag in Reaktion auf die PEGIDA-Demonstrationen eine von Bürgern initiierte Veranstaltung unter dem Motto "Offen und bunt – Dresden für alle" stattfand. Ein Treffen von Staatsminister Ulbig mit den Organisatoren der zahlreichen Gegenproteste gegen PEGIDA oder Vertretern von Flüchtlingsinitiativen als unmittelbar betroffene der durch PEGIDA massiv geschürten ausländerfeindlichen Stimmung ist hingegen nicht bekannt.

Die Rolle von Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) hingegen ist ambivalent. Mit Blick auf die PEGIDA-Demonstranten mahnte er im Dezember 2014 Solidarität mit Flüchtlingen an und verwies dabei auch auf die große Solidarität, die den Ostdeutschen im Herbst 1989 und danach zuteil geworden sei (LVZ 2014b). Auch ein Angebot der PEGIDA-Organisatoren auf einer der nächsten Demonstrationen zu sprechen wies Tillich deutlich zurück, indem er darauf verwies, dass er nicht von einer Bühne sprechen werde, "von der die Kanzlerin und andere Politiker mehrfach unsachlich beschimpft und gegen Ausländer gehetzt wurde". Zudem merkte er an, dass diese Demonstrationen der Stadt Dresden schaden würden und die dort transportierten Inhalte nicht der Mehrheitsmeinung in Sachsen entsprechen würden (Tillich 2015). An anderer Stelle jedoch goss er deutlich Wasser auf die Mühlen der PEGIDA-Bewegung, indem er der Aussage von Bundeskanzlerin Angela Merkel, der Islam gehöre zu Deutschland, widersprach, und die Auffassung vertrat, der Islam gehöre nicht zu Sachsen (tagesschau.de 2015b).

Insgesamt ist die Haltung in der Staatsregierung zu PEGIDA uneinheitlich. Während, wie eben gezeigt, Innenminister Ulbig wenig Distanz zu PEGIDA aufbaut, ist die Haltung von Ministerpräsident Tillich grundsätzlich zwar klar, mit seiner Aussage über den Islam hat er jedoch auch eine Brücke in Richtung PEGIDA gebaut. Der Auffassung, der Islam gehöre nicht zu Sachsen, widersprach der stellvertretende Ministerpräsident Martin Dulig (SPD). Über twitter verbreitete er die Nachricht: "Angela Merkel hat recht. Der Islam gehört zu Deutschland. Das gilt auch für Sachsen." (Dulig 2015). Die sächsischen Integrationsministerin Petra Köpping (SPD) hatte zuvor schon dazu aufgerufen, an den Kundgebungen des Bündnisses "Dresden für alle" teilzunehmen (LVZ 2014b), das ein Akteur in der Organisation zivilgesellschaftlichen Protest gegen PEGIDA ist.

  • [1] Einen Eindruck von den Diskussionen innerhalb der sächsischen CDU vermittelt ein Tagesspiegelartikel von Matthias Meisner (Meisner 2015).
 
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