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Strategien der extremen Rechten
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4 FallbeispieleWie rechtsextreme Frauen denken und in Wechselwirkung mit ihrem Umfeld agieren, sollen die folgenden Beispiele illustrieren. Es gibt sie nicht, die typische Rechtsextremistin und insofern ist eine Auswahl bestimmter Personen schwierig. Die Entscheidung für die vorzustellenden Frauen fiel, weil sie innerhalb der rechtsextremen Szene und in Fachkreisen einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht haben. Sie sind keine Nobodys. Außerdem gehören sie unterschiedlichen Spektren des Rechtsextremismus an. Silvia Kirschner, besser bekannt unter dem Namen Berisha, versteht sich heute als "nationale Bioheidin", die völkisch-traditionell orientiert ist. Mareike Bielefeld und Marlen Pucknat könnten vom Alter her ihre Töchter sein. Sie sehen sich als politische Kämpferinnen und "Nationale Sozialistinnen". Als die beiden führenden Mitglieder des "Mädelrings Thüringen" waren sie es, die Thesen zum "Nationalen Feminismus" publizierten. 4.1 Silvia Kirschner – Völkische Bioheidin"Das ist eine ganz patente Frau, die sich in der Kommune engagiert", so urteilt ein Nachbar über Silvia Kirschner (Gespräch mit der Autorin, Juni 2007). Die achtfache Mutter lebt in einer kleinen Gemeinde im Landkreis Schmalkalden/Meiningen und ist das, was man eine gestandene Rechtsextremistin nennen könnte. Besser bekannt unter dem Namen Berisha, war sie bereits seit den frühen 1990er Jahren in der Naziszene aktiv. Sie gehörte dem Skingirl-Freundeskreis Deutschland (SFD) an, kandidierte in Niedersachsen für die NPD bei den Bundestagswahlen 2002, zog nach Thüringen und leitete dort als eine der ganz wenigen Frauen in einer solchen Funktion den NPD-Verband im Wartburgkreis. Im Jahre 2006 gab sie die Führung des Kreisverbandes offiziell in jüngere Hände ab. Gleichwohl hat sie ein Auge auf die Nachwuchskader, besucht gemeinsam mit ihnen Veranstaltungen, auch des politischen Gegners, schreibt unter Pseudonym für das lokale Mitteilungsblatt ihrer Gesinnungsgenossen und ist zur Stelle, wenn Kinderbetreuung für eine Partei-Veranstaltung benötigt wird. Als "Mutter der Kompanie" genießt sie höchstes Ansehen. Nicht nur ihre politische Erfahrung wird geschätzt, sondern es ist vor allem ihre große Kinderzahl, die ihr Respekt und Anerkennung der Kameradinnen und Kameraden verschafft. Die Kinder der 45-Jährigen sind es auch, von denen besagter Nachbar lobend erwähnt, sie seien immer ordentlich angezogen und würden stets freundlich grüßen – so wie es sich gehört! Was er wohl nicht weiß, die Kinder erlernen Zucht und Ordnung nicht zuletzt in der Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ); einer rechtsextremen Vorfeldorganisation, die, wie Kritiker anmerken, in der Tradition der verbotenen WikingJugend steht. Auch in dieser umstrittenen Organisation ist die rechtsextreme Multifunktionärin seit Jahren aktiv (vgl. Röpke 2007). Im Frühjahr 2008 und wohl ahnend, dass es zu einem Verbot der HDJ kommen würde, schickt sich Silvia Kirschner an, einen "Familienkreis" in Thüringen zu gründen. "Seine Aufgabe", schreibt sie im Mitteldeutschen Gesprächskreis der NPD, "soll es sein, Familien zusammen zu führen, sich auszutauschen, gemeinsam Freizeit zu verleben und mit den Kindern zu basteln, spielen usw." Gefragt, wieso es denn schon wieder eine Neugründung geben müsse, anstatt bestehende Organisationen zu nutzen, präzisiert Kirschner ihr Anliegen: "Unser Familienkreis wird einen völkischen Charakter haben und sich somit aus dieser Perspektive mit den Kindern und Eltern beschäftigen." [1]Was sie unter völkisch versteht, konkretisiert sie an anderer Stelle, nämlich in dem wohl bekanntesten Forum der rechtsextremen Szene, dem Thiazi-Netz. [2] Dort schreibt sie: "Nun, wenn ich völkisch meine, dann rede ich von freien Heiden, der Artgemeinschaft, der HDJ usw." [3] Letztere Organisationen sind Dauergäste in den Verfassungsschutzberichten des Bundes und der Länder. Die HDJ wurde 2009 verboten. Virtuell anzutreffen ist Silvia Kirschner in diversen Diskussionsforen der extremen Rechten und was sie dort schreibt, bringt das Bild der engagierten Mutter erheblich ins Schwanken, offenbart ihre Geisteshaltung und politische Überzeugung, aber auch Anknüpfungspunkte an Themen, die in Teilen der Gesellschaft virulent und zumindest auf den ersten Blick nicht typisch rechtsextrem sind. [4] Silvia Kirschner war in ihren jungen Jahren rechtes Skingirl, Mitglied einer Subkultur von der sie sich heute distanziert. "Ich war Skingirl als ich Mutter wurde", schreibt sie. "Für mich war aber klar, dass man aus einer Subkultur heraus nicht wirklich deutsch erziehen kann. […] Ich war also wirklich froh, als ich die ›Spaßgesellschaft‹ und somit auch die Subkultur hinter mir lassen konnte." Mit dem viel beschriebenen Hass der Konvertiten führt sie heute einen Feldzug gegen jegliche Subkulturen innerhalb der rechtsextremen Szene, deren Verhalten sie als artfremd deutet. "Ich will keine Rockmusik egal welcher Farbe, Suff usw." [5] Was sie auch nicht will, sind Jeans, Kaugummis, Nintendo, Playstation und Gameboy für ihre Kinder. Eingeschult wurden ihre Mädchen in Dirndln. Röcke und Kleider für die weiblichen Mitglieder ihrer Kinderschar sind ihr wichtig. Bei ihr zu Hause steht eine Schimpfwortkasse, deren Inhalt sich füllt, "wenn englische Wörter benutzt werden, die durch deutsche hätten ersetzt werden können. Das gilt insbesondere für "cool" (und dergleichen) sowie für Kraftausdrücke." [6] Erziehung wider den Zeitgeist, nennt sie ihr Konzept. Das Ex-Skingirl versteht sich heute als "naturverbundene, nationale Bioheidin".[7] Sie ist Vegetarierin, baut ihr Gemüse nach dem Mondkalender an, benutzt Waschnüsse statt Waschpulver, kuriert Krankheiten mit Naturheilmitteln aus. Schulmedizin lehnt sie ab, ist strikte Impfgegnerin und die Antibabypille kommt bei ihr sowieso nicht ins Haus. Als ihre "Heimatseite" nennt Skadixx, so lautet ihr Pseudonym in den Weiten des World Wide Web, die unverfänglich klingende Homepage naturglaube.de. "Naturglaube: Zurück zu den alten Grundwerten, zu Brauchtum, Kräuterkunde und heidnischen Idealen" oder "Naturglaube: Ihr heidnischer Zufluchtsort im Netz. Tierschutz – Brauchtum – Heilkunde", so lauten die Slogans auf den Werbebannern dieser Website. Betreiber sind ein ehemaliger Kader der verbotenen FAP und seine Ehefrau. Beide leben heute in Schweden, werben aber unter deutschen Rechtsextremisten und Rechtsextremistinnen für Siedlungsbewegungen in das skandinavische Land. Propagiert wird ein autarkes Leben in und mit der Natur. Beim genaueren Hinsehen werden durchweg rassistische Inhalte verbreitet. "Rasse ist Klasse", dieser in rechtsextremen Kreisen beliebte Slogan, findet seine Anwendung nicht nur auf Menschen, sondern auch auf Flora und Fauna. Silvia Kirschner selbst züchtet auf ihrem Bauernhof Thüringer Barthühner, Hühner, die vom Aussterben bedroht sind und um deren Erhalt sie sich nun verdient macht. Auf dem platten Lande fühlt sich die Bioheidin wohl. Als klaren Standortvorteil betrachtet sie dabei den geringen Ausländeranteil in der Thüringer Provinz. Kindergärten und Schulen seien quasi ausländerfrei. Für eine Rassistin wie Kirschner ist das schon die halbe Miete, wenn es um das gedeihliche Aufwachsen der Kinder geht. Als engagierte, "nationale" Mutter würde sie "die Erziehung […] NIE dem Staat und seinen Vollstreckern"[8] überlassen, denn überall wittert sie Umerziehung, geplante Strategien, einen neuen Menschen zu schaffen. Nicht zuletzt deshalb engagiert sie sich als Elternvertreterin in den Schulen ihrer Kinder. In einschlägigen Internetforen plädiert sie dafür, es ihr gleich zu tun, denn "über diese Schiene kann man wirklich gut mit den Eltern sprechen". Dazu gibt sie auch noch Tipps wie die Chance erhöht werden kann, in ein solches Amt zu kommen. Von politischer Offensive hält sie nichts und rät stattdessen zu einem subtileren Vorgehen: "Am besten man macht am Anfang des Elternabends irgendeinen Vorschlag (z. B. es ist warm im Raum). Dann spricht man kurz das an, steht auf und öffnet das Fenster. Von politischen Vorschlägen rate ich ab, das will zuerst keiner hören! Die Masse erkennt dann, dass man bereit ist sich für etwas einzusetzen bzw. das Wort zu ergreifen. Somit wird man oft als Wahlleiter vorgeschlagen, regelt man das souverän, wird man oft auch als Elternsprecher oder Stellvertreter gewählt." [9] Ende Juni 2007 informieren Lokalzeitungen über Kirschners Aktivitäten. Entsetzt konstatieren sie: "Die NPD-Strategie der kommunalen Verankerung zieht zunehmend weite Kreise. Offenbar sind selbst die Schulelternvertretungen längst im Visier der deutschen Jungrechten" (Meiniger Tageblatt, 30. 6. 2007). In einem gründlich recherchierten Artikel verortet der Autor, Matthias Thüsing, das Selbstverständnis der "politischen Überzeugungstäterin" ideologisch irgendwo in der Zeit zwischen 1933 und 1945. Selbst im "Hühnerforum" – ansonsten ein Tummelplatz für den Geflügelfreund zwischen Futterplänen und Vogelgrippe – lobt Skadixx den Führer Adolf Hitler für die Wahl seiner Selbstmordmethode: "Er nahm Zyankali und im selben Moment hat er sich erschossen, um ganz sicher zu gehen. Hätt' ich nicht anders gemacht" (ebenda). Silvia Kirschner beeindruckte ihre Enttarnung nicht sonderlich, sondern sie stellte den besagten Artikel quasi als Trophäe ihres Wirkens in diverse rechtsextreme Foren ein. Acht Monate nach Erscheinen des Zeitungsberichts, Ende Februar 2008, lässt sie die geneigten Leserinnen und Leser wissen: "Heilsa, ich wollte eigentlich nur mal zum Besten geben, dass sich die Zeitung selbst ein Ei ins Nest gelegt hat! Habe selten so viel Zuspruch gehabt wie jetzt. Die Zusammenarbeit an den Schulen ist gleichgut geblieben. Somit können sie das gerne wiederholen." [10] Ob ihr eine kritische Berichterstattung wirklich so egal ist, darf bezweifelt werden. Nach der spektakulären Auflösung eines Sommercamps der Heimattreuen Deutschen Jugend im August 2008 und detaillierten Presseberichten über den Anmelder, droht sie unverhohlen: "Sollte es einmal anders kommen als es jetzt ist, müssen sich diese Vorreiter von Spitzel und CoKg nicht darüber wundern, dass gegen sie keine Wattebäuschchen geworfen werden …".[11] Wahrscheinlich meint sie damit nicht die Eier ihrer reinrassigen Barthühner … Die Eier ihrer "glücklichen" Hühner benötigt sie zudem anderweitig. Sie sind, weil unverfälscht und wohlschmeckend, sicher immer ein willkommenes Geschenk für die Nachbarschaft. Und in dieser Nachbarschaft kommt eine Frau wie Silvia Kirschner gut an mit ihrem konservativen und biederen Auftreten, ihrer freundlichen Verbindlichkeit. Gleichwohl gibt es auch Kritikerinnen und Kritiker auf kommunaler Ebene, doch jene sind in der Minderzahl. Sie waren es auch, die 2004 den damaligen Thüringer Ministerpräsidenten vor einer PR-Katastrophe warnen wollten, aber kein Gehör in der Administration fanden. Damals stand die obligatorische Übernahme der Patenschaft für das 6. Kind der Familie durch den Ministerpräsidenten an. Üblicherweise wird dies von Verwaltungsbeamten übernommen, aber 2004 war Wahlkampf in Thüringen und Althaus kam persönlich um der gestandenen Rechtsextremistin zu gratulieren. Ein Foto seines Einsatzes mit dem Baby auf dem Arm ging durch die Medien, überregional. Später ist auch der damals amtierende Bundespräsident, Horst Köhler, Pate eines Sprösslings der rechtsextremen Familie geworden. Einer Familie, die nichts als Hohn und Spott für die Repräsentanten der Bundesrepublik übrig hat. "Wischiwaschidemökratie" nennt Kirschner den Staat. Die demokratische Gesellschaft sei "nur etwas für Schmarotzer und Blutsauger", in der es "unausgeschriebene Wettbewerbe ums Belügen und Betrügen gibt".[12] Ihre politischen Positionen und das, was sie als Vielschreiberin tagtäglich in rechtsextreme Foren setzt, scheint entweder nicht zur Kenntnis genommen zu werden, stößt auf Gleichgültigkeit oder befindet sich im Bereich des Konsensfähigen. Indizien dafür gibt es, zumal eine Frau wie Silvia Kirschner strategisch vorgeht, nicht agitiert, sondern zunächst einmal Sympathien als engagierte Mutter, Naturschützerin, Tierfreundin, etc. aufbaut. Und dieser netten Mutter von nebenan wird nicht zwingend zugetraut, dass sie zu den bekanntesten Neonazis der Bundesrepublik gehört.
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