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Das Auswärtige Amt als bloßes „Sekretariat Hitlers“

Wie Eschenburg der traditionelle Beamtenapparat des NS-Staats legitimiert, zeigt vor allem jener „Zeit“-Artikel, in dem er sich ausführlich mit Hans Jürgen Döschers bahnbrechendem Buch über die Rolle des Auswärtigen Amts im Dritten Reich auseinandersetzt. Insbesondere am Beispiel Ernst von Weizsäckers behandelt Eschenburg die Frage, welche Bedeutung dessen, in der staatlichen Kompetenzverteilung festgelegte Abzeichnung und Genehmigung der Deportation der europäischen Juden hatte.

Eschenburg schreibt: „Die Mitunterzeichnung des Zustimmungsschreibens des Auswärtigen Amts [zur Deportation der Juden] ergab sich zwingend aus den Entscheidungen der Wannseekonferenz.“ Die Wannsee-Konferenz diente, wie es im Konferenz-Protokoll heißt, der „Endlösung der Judenfrage“ (dem Tarnwort für die Ermordung der Juden) in ganz Europa. Mit seinem bemerkenswert technokratischen Satz übernimmt Eschenburg die Festlegungen der Wannseekonferenz als einzig möglichen Bezugspunkt für das Handeln von Weizsäckers. Jede andere Position wird von Eschenburg ausgeschlossen. Er macht so die exekutivische Herrschaftslogik des NS-Staats und ihre Vernichtung rechtsstaatlicher Positionen zum alleinigen Interpretationsrahmen seiner Beurteilung.

Dass die Wannseekonferenz die Beseitigung des Rechts auf Freizügigkeit für die Juden Europas bedeutete, die wiederum Voraussetzung für ihre Ermordung in den Vernichtungsstätten war, löst bei Eschenburg keine Reflexion über die Legitimationsquelle des NS-Staates aus. Im Gegenteil: Die Beteiligung des Auswärtigen Amts an der Deportation der Juden bringt Eschenburg vollends dadurch zum Verschwinden, dass er das Amt zu einer bloßen „Attrappe“ umdefiniert, die die Form eines bloßen „Sekretariats Hitlers“ angenommen habe. Für Eschenburg existiert so keine politische Alternative zur Mitwirkung des Staatssekretärs von Weizsäcker an der Deportation der Juden: „Weizsäcker war außerstande, die Judenvernichtung zu verhindern. Er handelte im Bewusstsein, dass Vollzug oder Ablehnung seiner Zeichnung für die Judenaktion keinerlei Folgen haben würde.“

Auf diese Weise verschwindet jede Mitverantwortung der führenden Beamten, wie des Staatssekretärs von Weizsäcker – obwohl ohne dessen schriftliche Akzeptanz der Prozess der Deportation nach den Regeln des NS-Staats nicht erfolgen konnte.

 
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