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Claus Offes Ablehnung einer fatalen TraditionsbildungErstmalig wurde der Preis im Jahr 2003 an Gerhard Lehmbruch verliehen. 2006 erhielt ihn Helga Haftendorn und 2009 Wilhelm Hennis. Während anlässlich dieser drei Preisverleihungen auch positiv an Eschenburg erinnert wurde, lehnte der letzte Preisträger Claus Offe bei dem Festakt im Rahmen der Preisverleihung auf dem DVPW-Kongress „Versprechen der Demokratie“ im September 2012 eine solche Traditionsbildung radikal ab. Passenderweise war der Schauplatz der Auseinandersetzung die Eberhard Karls Universität in Tübingen, die politikwissenschaftliche Wirkungsstätte Eschenburgs. Vor dem Hintergrund einer bereits seit einiger Zeit geführten Diskussion – nicht nur in der Politikwissenschaft, sondern auch in der Zeitgeschichte – über das Verhalten Eschenburgs im Nationalsozialismus hat Claus Offe in seiner Rede zur Annahme des Preises dargelegt, für wie problematisch er es hält, den Wissenschaftspreis der Politikwissenschaft nach jemanden zu benennen, der sich im geschützten Raum der Bundesrepublik mit seinem eigenen Verhalten nicht selbstkritisch auseinandergesetzt hat, und vielmehr denjenigen, die im Nationalsozialismus zu den Spitzen der Herrschaftsapparatur gehörten, noch das Zeugnis moralischer Integrität und fachlicher Kompetenz ausstellte. Dass Offe mit seinen klaren, auch harten Worten der Zuhörerschaft, darunter die Familie Eschenburgs und viele seiner Tübinger Schülerinnen und Schüler, einiges zugemutet hat, steht außer Frage. Offe hat den kulturellen Erfahrungsraum und den kommunikativen Erwartungshorizont, der sich in der zugleich feierlichen und heiteren Atmosphäre der Tübinger Aula schon verbreitet hatte – nicht zuletzt durch die brillante Laudatio auf den Preisträger von Robert E. Goodin – gründlich irritiert, indem er die anfänglichen Gründe seines Zögerns ausführte, den Preis überhaupt annehmen zu sollen. Denn die Annahme des Preises ehre nicht nur den Empfänger, sondern damit werde auch Werk und Person des Namensgebers gewürdigt und jeder Preisträger zum Namensgeber in eine affirmative Beziehung gesetzt. Das Unbehagen Claus Offes gründete darin, dass er eben keine Vorbildlichkeit mit Eschenburg verbinden könne. Dies zum einen, weil er dessen Werk weniger als wissenschaftlich vorbildlich, sondern eher in der Tradition einer institutionenpflegerischen Publizistik, mit einer besonderen Betonung staatlicher Autorität, sieht. Die mangelnde Vorbildlichkeit gründet in der Sicht Offes aber vor allem im problematischen Umgang Eschenburgs mit dem Nationalsozialismus und seiner eigenen Rolle in dieser Zeit. Dabei ist für Offe nicht Eschenburgs unbestrittene Mitwirkung an einem Arisierungsverfahren und seine den Staat beratende Tätigkeit als Verbandsfunktionär der entscheidende Grund, der ihn in den Schlusssätzen seiner Rede dazu bewog, der DVPW letztlich nahezulegen, den Preis vom Namensgeber zu trennen. Denn über die Motivlage der Akteure, ihre Handlungszwänge und Rationalitätskalküle, wie Offe ausführte, könnten die Akten immer nur begrenzt Auskunft geben, so dass eine eindeutige Interpretation – und damit auch die Chance der fairen Bewertung – hier schwer falle. Vielmehr sei entscheidend die Art und Weise, wie Eschenburg sein eigenes Verhalten und im Übrigen auch das Verhalten von herausragenden Repräsentanten des „Dritten Reiches“ rückblickend darstellte: wie Offe knapp festhält mit „Beschönigung, Verharmlosung und Rechtfertigung“. |
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