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Pressemitteilung der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft vom 27. Oktober 2013DVPW verleiht ihren Lebenswerk-Preis nicht weiterPolitologen ziehen Konsequenzen aus der Kontroverse um Theodor Eschenburg Die Deutsche Vereinigung für Politische Wissenschaft (DVPW) wird ihren nach Theodor Eschenburg benannten Preis nicht weiter verleihen. Der Preis kann die ihm ursprünglich zugedachten Funktionen, das Lebenswerk eines verdienten Politologen zu ehren und identitätsstiftend für die Fachvereinigung zu wirken, nicht mehr erfüllen. Damit reagiert Deutschlands größte Vereinigung für Politikwissenschaft auf die Diskussion um aktuelle Forschungsergebnisse, die das Verhalten Eschenburgs während der NS-Zeit und seine spätere Positionierung hierzu klärungsbedürftig erscheinen lassen. Der Preis wurde 1999 von Vorstand und Beirat eingeführt und seit 2003 alle drei Jahre verliehen. Über den Namensgeber war seit 2011 eine sehr intensive Debatte sowohl innerhalb der DVPW als auch in der Öffentlichkeit geführt worden. Eschenburg war in die Kritik geraten, nachdem seine Mitwirkung an einem „Arisierungs“-Verfahren von dem Osnabrücker Politologen Prof. em. Dr. Rainer Eisfeld aufgedeckt worden war. Der letzte Eschenburg-Preisträger, Prof. em. Dr. Claus Offe, der den Preis auf dem Tübinger DVPW-Kongress 2012 in Empfang nahm, hatte sich in seiner Dankesrede von dem Namensgeber distanziert. Sowohl auf dem Kongress als auch in anderen Fachforen wurde die Frage, ob Eschenburg als Namensgeber noch tragbar ist, intensiv diskutiert. Im Juni 2013 fand ein wissenschaftliches Symposium in Passau statt, auf dem die Vergangenheit der Disziplin und ihrer Gründungsväter, zu denen auch Eschenburg gehörte, erörtert wurde. „Die Fachvereinigung nimmt die kontroverse Diskussion sehr ernst. Die bisherigen Aufdeckungen und die intensiven Debatten haben deutlich gemacht, dass es neben den belastenden auch zahlreiche entlastende Erkenntnisse gibt“, sagt DVPW-Vorsitzende Prof. Dr. Gabriele Abels. Unzweifelhaft ist, dass weiterhin gravierende Wissenslücken bestehen, die es auf dem derzeitigen Stand des Wissens unmöglich machen, die Biographie Eschenburgs vor sowie nach 1945 hinreichend zu kontextualisieren, um zu einer Einschätzung zu kommen. „Diese Berücksichtigung der spezifischen historischen Kontexte ist jedoch zwingend erforderlich, wenn man nicht als nachgeborene Generation retrospektiv Motive festlegen und diese beurteilen will. Des Weiteren wurde deutlich, dass auch die Bewertungsmaßstäbe selber umstritten sind“, sagt die Vorsitzende. Mit dem Wegfall des Preises ist ausdrücklich keine abschließende Beurteilung des Verhaltens Theodor Eschenburgs in der NS-Zeit und danach verbunden. „Eine wissenschaftlich fundierte Abwägung der Lebensleistungen Eschenburgs lässt sich von der DVPW als Fachvereinigung nicht abschließend vornehmen“, sagt Prof. Dr. Abels. Diese Frage könne nur von den dazu forschenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aufgrund des Kenntnisstands sowie der jeweils zugrunde gelegten Bewertungsmaßstäbe beantwortet werden. Die Fachvereinigung kann in diesem letztlich auch wissenschaftlich begründeten Expertenstreit keine autoritative Entscheidung treffen; die Debatte ist auch in Vorstand und Beirat kontrovers geführt worden. Vorstand und Beirat haben gleichwohl einstimmig den Beschluss gefällt, den Lebenswerk-Preis künftig nicht mehr zu vergeben. Zweifellos können Eschenburg große Verdienste zugeschrieben werden: Er war nach 1945 ein bedeutender „öffentlicher Professor“, der sich mit großer Tatkraft für die Verankerung der Politikwissenschaft als Disziplin in Deutschland eingesetzt hat. Er hatte seit 1952 einen der ersten politikwissenschaftlichen Lehrstühle in der Bundesrepublik inne. Er war ferner für die Etablierung der politischen Bildung einflussreich, mit der er den Deutschen die junge Demokratie der Bundesrepublik nahe brachte. Er hat sich in unzähligen Reden und Artikeln als aktiver Streiter für die demokratischen Institutionen erwiesen. Diese umfangreichen Verdienste waren das Hauptmotiv gewesen, den Lebenswerk-Preis der DVPW 1999 nach Theodor Eschenburg zu benennen. „Die Idee des Lebenswerk-Preises war es damals, eine/n herausragende/n Kollegin/Kollegen unseres Faches für ihr bzw. sein Lebenswerk zu ehren und dieses in den Mittelpunkt einer Veranstaltung des alle drei Jahre stattfindenden Kongresses zu stellen“, sagt Prof. Dr. Abels. „Zugleich sollte diese besondere Ehrung eine integrierende Funktion für die Mitglieder der Fachvereinigung haben.“ Wegen der aus guten Gründen geführten Kontroverse und der eingetretenen Polarisierung in Vereinigung und Öffentlichkeit um die Benennung des Preises sehen Vorstand und Beirat die ursprünglich intendierten Funktionen jedoch nicht länger gegeben. Eckhard Jesse: |
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