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Mitgeacht
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5 FazitAufgrund des Aktenmaterials, das über Eschenburg vorliegt, plädiere ich für eine Abschaffung des Preisnamens „Theodor-Eschenburg-Preis“ der DVPW. Auch wenn in der Auswertung des Aktenmaterials einige Fragen offen bleiben mussten, belegen die Akten doch eindeutig, dass Eschenburg – wenn vielleicht auch nur als „kleines Rädchen im Getriebe“ – zur Funktionsfähigkeit des NS-Regimes beigetragen hat und sich auch nach 1945 diesem Teil seiner Vergangenheit nicht gestellt hat. Aus diesem Grund ist die Fortführung des Preisnamens meines Erachtens nur noch schwer zu rechtfertigen. Wenn der Preis weiterhin nach Theodor Eschenburg benannt würde, müsste – auch oder vor allem mit Blick auf die dann zu belegende politikwissenschaftliche Bedeutung des Gesamtwerks von Eschenburg – eine überzeugende Argumentation gefunden werden, die die Beibehaltung des Namens trotz seiner Verstrickungen mit dem NS-Regime rechtfertigt. Aber selbst wenn eine solche Argumentation gefunden würde, bliebe die DVPW – und zwar zu Recht – weiterhin der Kritik ausgesetzt, warum sie ihren Preis für das Lebenswerk nach einem Wissenschaftler benennt, der sich in der NS-Zeit politisch angepasst hat, und nicht nach jemandem, der Widerstand geleistet hat und Opfer des NS-Regimes geworden ist. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Abschaffung des Preisnamens unproblematisch ist, denn ausgesprochen ist damit, dass die Schuld Eschenburgs in der NSZeit so schwer wiegt, dass er als Namensgeber nicht mehr tragbar ist, und auch sein wissenschaftliches Gesamtwerk nicht genügend Bedeutung hat, um seine Relevanz von dieser Seite aus zu rechtfertigen. Mit Blick auf alle bisherigen Preisträger des Theodor-Eschenburg-Preises ist diese Aussage vermutlich schwer zu vermitteln. Gleichwohl geht es hier nicht um eine pauschale Verurteilung Eschenburgs, sondern darum, welches Zeichen die DVPW sowohl hinsichtlich ihres jetzigen Standorts als auch mit Blick auf ihre Fachgeschichte setzen will. Rainer Eisfeld zieht aus seinen kritischen Analysen über Eschenburg die Schlußfolgerung, daß sich die Politikwissenschaft dem Problem politischer Kontinuitäten in ihrer Fachgeschichte neu stellen müsse. Mit Blick auf Eschenburg argumentiert er: „Von personeller Kontinuität wird man dagegen sprechen müssen, wenn ein Angehöriger der politikwissenschaftlichen Nachkriegs-Gründergeneration an der ‚Rassen'-Politik des NS-Regimes in Form zwangsweiser ‚Arisierung' jüdischer Wirtschaftsbetriebe – und sei es auch nur in einem belegbaren Fall – mitgewirkt, dies jedoch ebenso verschwiegen hat wie einen Teil der Funktionen, in denen er damals tätig war. Beides trifft auf Theodor Eschenburg zu.“195 Eisfeld fordert daraufhin, das „Kontinuitätsverständnis“ zu erweitern und darunter auch all jene „antidemokratischen Konzeptionen“ zu subsumieren, „die dem Nationalsozialismus vorgearbeitet haben“. Ob Eisfeld mit diesen Annahmen richtig liegt, müsste erst gesondert diskutiert werden, doch unabhängig davon, ob man dieser Sichtweise zustimmt oder nicht, zeigt sich darin die Bedeutung, die der Fall Eschenburg für die Standortbestimmung des Fachs Politikwissenschaft hat. Ausgehend von der Frage, wofür das Fach auch mit Blick auf seine Geschichte und seine Geschichtsschreibung stehen will, ließe sich argumentieren: Wenn der Verdrängungsdiskus der 1950er Jahre – einschließlich der bereits erwähnten Inanspruchnahme einer spezifischen „Sachlichkeit“ bei gleichzeitiger (verschwiegener) eigener Verstrickung in die NS-Vergangenheit – nicht fortgesetzt werden soll, muß kritisch mit Theodor Eschenburg und selbstkritisch mit der Fachgeschichte der Politikwissenschaft umgegangen werden. Damit soll nicht unterstellt werden, dass die DVPW bei der Gründung des Theodor-Eschenburg-Preises im Jahr 2002 bewusst diese Traditionen der Geschichtsschreibung fortsetzen wollte, aber es wurde versäumt, diesen Kontext kritisch zu hinterfragen und mit einer Selbstreflexion des Fachs zu verbinden. Mit der Abschaffung des Preisnamens könnte die DVPW dieses Versäumnis nachholen. Anne Rohstock197: |
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