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3 Dokumentation der Aktenlage

Table of Contents:

a Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde

Ich habe Einsicht in folgende Akten genommen:

- Akten, die Rainer Eisfeld für seine Untersuchung herangezogen hat:

- Akten aus dem Reichswirtschaftsministerium:

- Chemische Industrie: „Wilhelm Runge & Co., Inh. Wilhelm Fischbein,

Berlin. – Neocell-Verfahren, Lozalith AG“ (1937-1942) (Signaturen: R 3101/18383 und R 3101/18384)

- „Reichsund Preußisches Wirtschaftsministerium. Personalfragen der Prüfungsstelle Bekleidungsindustrie (1935-1943)“ (Signatur: R 3101/15221)

- SS-Stammrollenblatt von Theodor Eschenburg (Signatur: C 0113 Diazoduplikat)

- Akten, die auf Grundlage der biographischen Angaben über Eschenburg ausgewählt wurden (Ausgangsfrage für die Aktenrecherche: Gibt es weitere Akten, die Aufschluß über Eschenburgs Tätigkeit in der Industrie während der NS-Zeit geben könnten?):

- Akten aus der Prüfungsstelle101 Bekleidungsindustrie (R 9 IV)

- Akten aus der Prüfungsstelle Holzverarbeitende Industrie (R 9 V/1 und 2)

- Akten aus der Prüfungsstelle Maschinenbau (R 9 VIII)

- Akten aus der Wirtschaftsgruppe 102 Holzverarbeitende Industrie (R 13 IX/34, 35 und 54)

- Akten aus der Wirtschaftsgruppe Bekleidungsindustrie. Fachgruppe Knopfund Bekleidungsverschlußindustrie (R 13 XV/102 und 103)

Akten zum Fall Wilhelm Runge & Co. (R 3101/18383 und 18384)

Ein erster Hinweis, dass die Firma Wilhelm Runge & Co. von den NS-Machthabern verstärkt in den Blick genommen wurde – und zwar nicht nur aufgrund des für die damalige Industrie neuwertigen Neocell-Verfahrens, dessen Anwendung die Firma plante –, findet sich in einem mit dem Stempel „geheim“ versehenen Brief vom 1. Dezember 1937:

„Die Firma Runge & Co. gehört dem Volljuden Wilhelm Fischbein. F. betreibt in Köln einen Handel mit Gebrauchsgegenständen aus Kunstharz. Dieses Geschäft ist weniger gewinnbringend, jedoch hält er damit seine Geschäftsverbindungen aufrecht, die er für die von ihm gegründete Lozalit A.G. benötigt. In Höher-Grenzhausen will er eine Neozell-Fabrikation betreiben. Angeblich sollen für Lieferungen der Neozell-Fabrikation bereits jetzt schon größere Aufträge aus dem Ausland in Aussicht stehen. In devisenwirtschaftlicher Hinsicht kann das Unternehmen nach Ansicht der Industrieund Handelskammer, Köln, für das Reich von Bedeutung sein. Die Steuern werden regelmäßig gezahlt. In politischer Hinsicht ist F. nicht bekannt geworden.“

Wenige Tage später folgte ein Brief von Göring, in dem er die Deutsche Revisionsund Aktiengesellschaft um weitere Nachprüfungen der Firma Runge und des Neocell-Verfahrens bittet.

Kurz darauf fand eine Besprechung der mit dem Fall Runge betrauten Personen statt, darunter Dr. Römer und Rechtsanwalt Carl Langbehn105. Hier wurden vor allem Probleme erörtert, die im Hinblick auf die englischen Geschäftspartner der Firma Runge – vertreten durch die englische Patentgesellschaft I.C.L., die wiederum zur Gruppe der Sassoon-Banken gehörte – aus Sicht der Beteiligten entstehen könnten. Dazu heißt es in dem Aktenvermerk:

„Die Geschäftsführung bei der I.C.L. liegt bei den Engländern; auch dann, wenn Dr. Bratring über 51 % der Anteile dieser Gesellschaft verfügen wird, werden die Engländer verlangen, dass sie, soweit die Verwertung der Patente in Frage kommt, stets unabhängig handeln können. […] Aus dieser Sachlage und aus der Tatsache, dass der Hauptbeteiligte, Dr. Fischbein, ein Jude ist, ergibt sich die Notwendigkeit, dass verschiedene Vorsichtsmassnahmen getroffen werden. Vor allen Dingen erscheint erforderlich, dass die englische Patentgesellschaft von deutscher Seite aus kontrolliert wird. […] Dann wird erwogen, eine Vertrauensperson des Amtes an der Geschäftsführung der Firma Runge und Co. und der Lozalit A.G. zu beteiligen. RA. Langbehn glaubt, dass diese Art der Kontrolle wahrscheinlich nicht die Zustimmung von Fischbein finden wird. Er schlägt vor, dass bei den beiden Gesellschaften regelmässig Prüfungen stattfinden, entweder durch die Treuarbeit oder durch eine andere Stelle.“

Eschenburg war bei dieser Besprechung nicht anwesend. Sein Name taucht zum ersten Mal in einem Aktenvermerk vom 9. November 1938 auf. Zuvor gab es zahlreiche Schreiben, die im Zusammenhang mit der Paßverlängerung Wilhelm Fischbeins aufgesetzt wurden. Daß wirtschaftliche Erwägungen bei der Befür-wortung der Paßverlängerung eine Rolle gespielt haben, veranschaulicht ein Brief von Carl Langbehn:

„Ich habe mit dem Fremdenamt, Abteilung II, Herrn Oberinspektor Kretschmann, Rücksprache genommen. Er will die Verlängerung des Passes sofort vornehmen, wenn er eine Bestätigung des Reichswirtschaftsministeriums darüber erhält, dass die Ausreise des Herrn Fischbein im deutschen, volkswirtschaftlichen Interesse liegt und dass die Verlängerung des Passes auf die Dauer von 6 Monaten befürwortet wird. Die Anwesenheit des Herrn Fischbein bei den Verhandlungen über die Verwertung der Dr. Bratring-Patente in Amerika ist m. E. dringend erforderlich. Ich bitte deswegen höflich, die vom Fremdenamt erbetene Bestätigung auszustellen.“

Trotz der wirtschaftlichen Interessen am Exportgeschäft wurde Fischbeins Paß jedoch zunächst nur um vier Wochen verlängert.

Überlegungen zur bevorstehenden „Arisierung“ des Unternehmens werden in den Akten erstmals im Juli 1938 dokumentiert. In einem Brief an den „Jugendführer des Deutschen Reichs“ schreibt Oberregierungsrat Reinbothe: „Der Alleininhaber der Firma Runge & Co., Wilhelm I. Fischbein, ist Jude. […] Zurzeit schweben Verhandlungen, die Lozalit-AG in rein arische Hände überzuführen.“

Am 28. Juli 1938 fand eine Besprechung statt, in der diese Fragen näher erörtert wurden. Anwesend waren u. a. Fischbein und Langbehn; auch hier nahm Eschenburg noch nicht teil. In dem Protokoll der Besprechung wird festgehalten:

„Es sei aus geschäftlichen Gründen dringend erforderlich, die Neocell-Erzeugnisse auf der Leipziger Messe auszustellen. Die Firma Runge & Co. werde jedoch wegen des nichtarischen Inhabers dort nicht zugelassen. Rechtsanwalt Langbehn bat, auf das Messeamt einzuwirken, damit die Beteiligung an der Messe ermöglicht wird. […] Im Anschluss an die Besprechung wurde zwischen Herrn ORR. Dr. Reinbothe, Rechtsanwalt Langbehn, Dr. Welland, Dr. Schütt und dem Unterzeichneten die Frage der Arisierung des Unternehmens erörtert, ORR. Dr. Reinbothe wies darauf hin, dass es für das RWM unmöglich sei, die Betriebe zu fördern, solange sie sich praktisch in jüdischer Hand befinden. Er verwies insbesondere auf die soeben eingegangene Anfrage des Reichsjugendführers. Eine Einwirkung auf das Messeamt sei ohne vorherige Lösung dieser Frage nicht möglich. [..] ORR. Dr. Reinbothe telefonierte im Anschluss an die Besprechung mit dem Fremdenamt des Pol.Präs. Er bat das Fremdenamt, für Fischbein einen Auslandspass für etwa 1 Monat auszustellen. Die Passache des Juden Kahn könne dagegen nicht befürwortet werden.“

Dass die bevorstehende Enteignung Fischbeins zu Schwierigkeiten mit den englischen Geschäftspartnern der Firma Runge führen könne, thematisierte erneut Rechtsanwalt Carl Langbehn:

„Bei unserer letzten Besprechung wurde auch die Frage der Arisierung der Lozalith

A.G. und der Firma Wilhelm Runge & Co. angeschnitten. Herr Fischbein hat bei seinem letzten Besuch diese Frage auch mit den englischen Partnern besprochen […]. Es liegt m. E. im deutschen Interesse, wenn die weitere Finanzierung der Lozalith A.G. und die Arisierung im Einvernehmen mit den englischen Partnern erfolgt. Diese sind im Interesse einer besseren Auslandsverwertung an einer Aufrechterhaltung des deutschen Betriebes interessiert. Umgekehrt liegt es im deutschen Deviseninteresse, dass bei der Verwertung der Neocell-Rechte im Auslande auf ein gutgehendes deutsches Unternehmen hingewiesen werden kann. […] Es wird also darauf ankommen, den englischen Partnern einen Interessenten für die Firma Runge & Co. und für den Anteil an der Lozalith A.G. vorzustellen, der ihnen dasselbe Vertrauen einflösst wie Herr Fischbein. Ich habe bereits die Verbindung zur I.G.-Farbenindustrie aufgenommen.“

Langbehn reagiert damit auf Irritationen, die die englische Bankengruppe Sassoon angesichts der bevorstehenden „Arisierung“ des Unternehmens gezeigt hatte; sie hatte der Firma Runge einen erheblichen Kredit gewährt und sah nun ihre finanzielle Sicherheit gefährdet:

„Wir beziehen uns auf die Rücksprache mit Herrn Hamel von der Firma Sponholz

& Co., Berlin im vorigen Monat. Wir haben Herrn Hamel damals erklärt, dass die Sassoon-Gruppe bereit ist, eine weitere Million Mark für das Neocell-Geschäft zur Verfügung zu stellen. Wir hören zu unserem Befremden jetzt nachträglich, dass seitens der dortigen Behörden Ihnen nahe gelegt wird, den Betrieb zu arisieren. Herr Hamel hatte uns hiervon nicht verständigt. Wenn wir auch grundsätzlich bereit sind, unsere Zusage zu erfüllen, so haben wir trotzdem nunmehr nicht nur Bedenken wegen dieser neuen Investierung, sondern hauptsächlich Sorgen wegen der früher gegebenen Kredite und unserer Beteiligung. Bisher war Ihre Firma bezw. Herr W. Fischbein uns genügend bekannt und vertrauenswürdig […]. Wenn wir jetzt vor die Tatsache gestellt werden, in Zukunft einen uns unbekannten Sozius in diesem Geschäft zu erhalten und Herr W. Fischbein ausschaltet, so kann sich die Sasson-Gruppe damit nicht einfach einverstanden erklären. Wir bitten Sie daher mit Herrn Langbehn bis zum 15. September unbedingt zu einer Besprechung nach London zu kommen und werden Ihnen dann unsere endgültige Stellungnahme bekannt geben.“

Fischbein selbst nahm in einem Brief an Carl Langbehn zur „Arisierungsfrage“ Stellung und schilderte die Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Maßnahmen, mit der er selbst beauftragt war:

„Ich habe mir heute nach unserer Unterhaltung überlegt, worauf es eigentlich zurückzuführen ist, dass wir uns in der augenblicklichen schwierigen Situation befinden und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass für die Finanzierung unserer Unternehmen die Schwierigkeiten auftraten, als uns nahegelegt wurde, die Arisierung zu betreiben. […] Herr Oberregierungsrat Dr. Reinbothe hat heute darauf aufmerksam gemacht, dass es nicht bei der theoretischen Diskussion einer Arisierung bleiben dürfe, sondern dass die Diskussion viel einfacher sei, wenn ein praktischer Fall zur Erörterung vorliege. – Wie soll aber diese Situation geschaffen werden, wenn uns auf der einen Seite die Möglichkeit einer innerdeutschen Geldbeschaffung unmöglich gemacht wird, weil uns jeder sagt, wir müssen erst die Arisierung vornehmen und wiederum die Arisierung nicht durchgeführt werden kann, weil die notwendigen Gelder für die Abdeckung der Überbrückungskredite und für die dringlichsten Anschaffungen nicht aufgebracht werden können. […] Ich konnte nicht annehmen, dass, wenn im Februar 1938 mit dem Deutschen Reich ein Vertrag geschlossen wird, im Herbst 1938 uns die Fortsetzung des Betriebes, resp. die Aufnahme der erforderlichen Mittel unmöglich gemacht wird und das ganze Unternehmen auf das höchste gefährdet wird. […] Wie soll eine Arisierung durchgeführt werden, wenn der Betrieb nicht einmal die Gelder zur Verfügung hat, die für die Beschaffung der Rohstoffe, der Löhne, der Bauten zur Verfügung stehen müssen! […] Ich glaube, es ist Ihnen noch bekannt, dass damals in dem Vierjahresplan-Vertrag der Passus gewählt wurde, dass ohne Rücksicht auf die Träger der Firma dieser Vertrag geschlossen wird.“

Im Anschluss daran skizzierte Fischbein in drei Punkten einen Plan, wie aus seiner Sicht „eine Arisierung durchgeführt werden muss“. Diese Darlegungen stießen im Reichswirtschaftsministerium jedoch auf wenig Zustimmung; auch die Argumentation mit Blick auf die englische Bankengruppe schien die Beteiligten kaum zu beeindrucken. Dies legt etwa eine Besprechung nahe, die unmittelbar nach Eingang des Schreibens von Fischbein stattfand; der Referent im Reichswirtschaftsministerium Borries protokollierte:

„Sämtliche Beteiligte vertraten die Auffassung, dass die Bewilligung weiterer Sperrmarkkredite solange nicht zu rechtfertigen sei, als die Firmen sich in jüdischer Hand befinden. Die in dem Schreiben vom 6.10.1938 von der Firma Runge & Co. gemachten Vorschläge für die Durchführung der Arisierung erscheinen nicht annehmbar. […] Ergebnis der Besprechung: Weitere Anträge auf Bewilligung von Sperrmarkkrediten sollen bis auf weiteres nicht genehmigt werden. Eine Befürwortung der Auslandsreisen Fischbeins erscheint nicht mehr erforderlich.“

Dies veranlasste Carl Langbehn dazu, mit der Aufkündigung der ihm übertragenen Treuhandschaft zu drohen, denn mit dem Einzug des Reisepasses von Fischbein sah er die Existenzgrundlage der Firma gefährdet:

„Bei den Verhandlungen […] habe ich, ebenso wie die englische Gruppe, auf das Bedenken hingewiesen, dass Herr Fischbein Jude sei. Damals ist mir von den Herren Sachbearbeitern im Reichswirtschaftsministerium erklärt worden, man wolle mit Rücksicht auf die grossen Opfer, die die Firma Wilhelm Runge & Co. für den Ausbau des Neocell-Verfahrens gebracht habe, aus der Tatsache, dass Herr Fischbein Jude sei, keine Folgerungen ziehen. […] Ich habe Herrn Fischbein davon überzeugen können, dass die damalige von Seiten des Reichswirtschaftsministeriums gemachte Zusage mit Rücksicht auf die veränderten Verhältnisse nicht aufrechterhalten werden kann. Demgemäss hat Herr Fischbein sich damit einverstanden erklärt, sowohl seine Beteiligung an der Lozalit A.G., wie die Firma Wilhelm Runge & Co. auf einen arischen Erwerber zu übertragen und aus Deutschland auszuwandern. […] Die Verhandlungen mit den deutschen Interessenten und mit den ausländischen Partnern können nur unter persönlicher Teilnahme des Herrn Fischbein mit Aussicht auf Erfolg geführt werden. […] Mit Befürwortung des Reichswirtschaftsministeriums war Herrn Fischbein ein zunächst bis zum 9. Januar 1939 für das Inund Ausland gültiger Reisepass ausgehändigt worden. Der Pass ist durch die Verordnung vom 5. Oktober 1938 ungültig geworden. Sie haben es abgelehnt, die Ausstellung eines neuen Reisepasses zu befürworten. Wenn die ausländischen Kreditgeber, die Herrn Fischbein zur Fortsetzung der zunächst hier eingeleiteten Verhandlungen nach London gebeten haben, in Erfahrung bringen, dass Herr Fischbein, ihr Partner, keine Bewegungsfreiheit genießt und wenn sie erfahren, dass die Lozalit A.G., an der die englische Gruppe mit 49 % beteiligt ist, auf einen Dritten, den Kreditgebern vorerst unbekannten Arier, überführt werden soll, werden sie zur Wahrung ihrer Rechte die Beteiligung des Herrn Fischbein an der International Container Limited mit Beschlag belegen. […] Bereits in der mündlichen Besprechung habe ich darauf hingewiesen, dass ich mich unter diesen Umständen ausserstande sehe, die weitere Verantwortung für die mir übertragene Treuhandschaft zu übernehmen. Zu diesem Hinweis halte ich mich umsomehr berechtigt, als das beabsichtigte Ziel, nämlich die vollständige Arisierung der Lozalit A.G. und der Firma Wilhelm Runge & Co. und die Auswanderung des Herrn Fischbein, auch erreicht werden kann, ohne dass der deutschen Wirtschaft möglicherweise der oben angedeutete Schaden entsteht. Die bei den letzten Verhandlungen mehrfach geäusserte Vermutung, Herr Fischbein würde, wenn man ihm neuerdings den Pass aushändigt, Deutschland für immer verlassen, halte ich aus folgenden Gründen für abwegig: […] Flieht Herr Fischbein aus Deutschland, so gibt er sein deutsches Vermögen auf, bleibt aber auch im Auslande mit einer Schuld von 85000 belastet.“

Erst nach diesen Vorverhandlungen und Besprechungen zur „Arisierungsfrage“ der Firma Runge & Co. und dem zuletzt zitierten Schreiben von Langbehn taucht der Name Theodor Eschenburg in den Akten auf. Wie von Eisfeld korrekt und vollständig zitiert, wird in einem Aktenvermerk eine Besprechung mit Eschenburg vom 1. November 1938 folgendermaßen wiedergegeben:

„Dr. Eschenburg hält die Neocell-Fabrikate für einen ausgezeichneten Exportartikel. Er ist der Ansicht, daß in diesen Erzeugnissen insbesondere nach Amerika ein guter Export möglich sein müßte. Er bittet deshalb darum, das Verfahren als solches auf jeden Fall in weitestgehendem Maße zu fördern. Herr Eschenburg hält es jedoch ebenfalls für erforderlich, die Arisierungsfrage schnellstens zu lösen. Da Fischbein davon unterrichtet ist, daß das Unternehmen erst nach Durchführung der Arisierung mit einer weiteren Unterstützung durch das Reich rechnen kann, besteht nach Ansicht von Dr. Eschenburg die Gefahr, daß Fischbein sich in das Ausland begibt und dort mit Unterstützung seiner ausländischen Geldgeber ein neues Unternehmen aufzieht. Dr. Eschenburg hält ebenfalls die alsbaldige Einziehung des Passes für erforderlich. Dr. Eschenburg erklärte noch, daß Fischbein in der vergangenen Woche in Liverpool gewesen sei und daß man ihm dort, wie ihm, Dr. Eschenburg, zu Ohren gekommen sei, einen Angestelltenposten angeboten habe. […] Für die Durchführung der Arisierung nannte Dr. Eschenburg zwei Firmen, die im Exportgeschäft als besonders rührig bekannt sein sollen. Er wird uns die genauen Anschriften dieser Firmen noch angeben und auch eingehende Vorschläge für die Lösung der Arisierungsfrage einreichen.“

Bei Oberregierungsrat Dr. Reinbothe fand laut Aktenvermerk wenige Tage später eine weitere Besprechung statt, an der u. a. Borries, Langbehn, Schütt und Eschenburg beteiligt waren. Langbehn habe hier erneut seine Ansicht bekräftigt, daß Fischbein eine Reise nach London im Interesse der Firma ermöglicht werden müsse; andernfalls sei der Export gefährdet. Er habe außerdem angegeben, daß hinsichtlich der „Arisierungsfrage“ insbesondere mit der I.G.-Farbenindustrie verhandelt werde. Die „Zweifelsfragen“ – gemeint ist damit wohl vor allem Langbehns Forderung, Fischbeins Paß zu verlängern – seien „sodann in Abwesenheit von Dr. Langbehn unter den anwesenden Vertretern der beteiligten Referate erörtert“ worden. Eschenburgs Stellungnahme wird dabei so wiedergegeben: „Dr. Eschenburg läßt seinen Standpunkt, daß dem Juden Fischbein weitere Auslandsreisen für die Lozalit A.G. unmöglich gemacht werden müßten, fallen. Er ist der Ansicht, daß unter allen Umständen eine Regelung angestrebt werden müsse, bei der die Exportmöglichkeiten nicht beeinträchtigt würden.“ Die ebenfalls anwesenden Herren Martell und Blunk werden demgegenüber mit den Worten zitiert, „daß die Befürwortung von Auslandsreisen für den Juden Fischbein aus politischen Gründen nicht tragbar sei. Die wirtschaftlichen Erwägungen können ihrer Ansicht nach in diesem Fall nicht ausschlaggebend sein.“

In einem Schreiben an das Reichswirtschaftsministerium nahm Eschenburg vier Tage nach der Besprechung noch einmal ausführlich zu dem Fall Stellung. Darin faßt er zunächst seine anfängliche Einschätzung der Lage zusammen:

„Mir war die grosse Zukunftsbedeutung von Neocell – als Ersatzstoff für den Vierjahresplan einerseits, für den Export andererseits – bekannt […]. Die Tatsache, dass Fischbein seit der Leipziger Messe fast unaufhörlich im Auslande weilte, der Absatz in Neocellwaren dagegen nur unbedeutend stieg […], gab zu der Vermutung Anlass, dass Fischbein unter dem Vorwand, Exportaufträge hereinzuholen, unter Benutzung deutscher Devisen im Auslande Fabriken für diesen Artikel einrichtete, um sich selbst eine neue Existenzbasis zu schaffen. Ich gab hiervon dem Reichswirtschaftsministerium (Herrn von Borries) vorsorglich Kenntnis und wies auf die Notwendigkeit hin, die Patentlage im einzelnen zu prüfen. Inwieweit dieser Hinweis entscheidend war für den Passentzug von Fischbein, entzieht sich meiner Kenntnis.“

Bei dieser Position blieb Eschenburg jedoch nicht. Nach der Besprechung mit Langbehn und Reinbothe am 4. November und nachdem er die ihm „zur Verfügung stehenden Unterlagen geprüft“ hatte, korrigierte er sein bisheriges Urteil:

„Ich habe weder gegen die Ausstellung eines neuen Reisepasses für Fischbein noch dagegen, ihm die Auswanderungsgenehmigung zu gegebener Zeit zu erteilen, Bedenken.

Begründung:

1.) […] In dem genannten Vertrag [zwischen der Deutschen Revisionsund Treuhand-AG und der Lozalit AG, der Firma Wilhelm Runge & Co. und deren Inhaber Wilhelm J. Fischbein, H.B.] ist ausdrücklich festgelegt worden, dass Fischbein trotz seiner jüdischen Herkunft die Leitung innehat. Hieraus ergibt sich, dass ein Inhaberwechsel ohne Einwilligung der Sassoon-Gruppe nicht möglich ist.

2.) Die Sassoon-Gruppe ist aber bereit, einer Arisierung zuzustimmen, vorausgesetzt dass ein wirtschaftlich leistungsfähiges, exportaktives Unternehmen an die Stelle von Runge & Co. bezw. Fischbein tritt. […] Es liegt im Rahmen des Möglichen, dass die Sassoon-Gruppe, wenn Fischbein infolge des Passentzuges nicht erscheint, misstrauisch wird, da Fischbein ihr Schuldner ist, und Massnahmen trifft, um ihre Kredite so weit wie möglich zu schützen. […]

3.) Der hierdurch entstehende Schaden wäre aber wesentlich grösser als die Tatsache, dass Fischbein unter Umständen im Auslande neue Fabriken einrichten wird. […] Ich nehme an, dass er nach seiner Auswanderung im Dienste der Sassoon-Gruppe arbeiten wird, so dass also indirekt auf seine Tätigkeit deutscherseits immer ein Einfluss bestehen bleibt. […]

5.) Gerade wegen dieser Tätigkeit wird Fischbein ein Interesse daran haben, möglichst freizügig in der Welt herumreisen zu können, d. h. er wird alles vermeiden, was zu einem Passentzug für ihn führen würde. Wenn er also jetzt nach England zu einer Verhandlung fährt, so wird er aller Voraussicht nach zurückkehren, um nicht seines Passes verlustig zu gehen.

6.) Sassoon hat kein Interesse daran, dass Fischbein nach dieser Verhandlung nicht nach Deutschland zurückfährt, da er an einer ordnungsmässigen Übergabe des Betriebes absolut interessiert ist. […]

7.) […] Ich empfehle aber, dem Fischbein bei der Ausstellung des Passes die Auflage zu machen, dass Herr Rechtsanwalt Dr. Langbehn an dieser wie auch an künftigen Reisen, die der Verhandlung mit der Sassoon-Gruppe dienen, teilnimmt. […] Ich bin der Auffassung, dass die ganze Angelegenheit mit grösster Vorsicht behandelt werden muss, da hier ausserordentlich grosse wirtschaftliche Werte auf dem Spiel stehen. […] Es liegt daher auch im dringenden Interesse des Reichs – sowohl aus Gründen des Vierjahresplanes als auch des Exports – den Betrieb auf jeden Fall aufrecht zu erhalten.“

Doch auch diese Erwägungen, die in ähnlicher Form zuvor schon Langbehn vorgebracht hatte, überzeugten das Reichswirtschaftsministerium nicht. In zwei Schreiben an das Polizeipräsidium und an die Industrieund Handelskammer gab Borries bekannt, daß Auslandsreisen von Fischbein künftig nicht mehr genehmigt würden. In einem Aktenvermerk desselben Datums gibt Borries ferner weitere Aussagen von Eschenburg wieder:

„Der Jude Fischbein sprach am 14. November 1938 bei mir vor und erklärte, daß er von sich aus die Arisierung schnellstens vorwärts treiben werde. […] Ich stellte Herrn Fischbein anheim, sich deshalb noch einmal mit Dr. Eschenburg in Verbindung zu setzen, der mir vor einigen Tagen außer der IG.-Farben noch zwei weitere Firmen genannt hat, die möglicherweise für die Übernahme in Betracht kommen. Fischbein wird Herrn Dr. Eschenburg heute nachmittag aufsuchen.“

Am 18. November fand sodann eine Besprechung statt, zu deren Teilnehmern auch Eschenburg zählte. Debattiert wurde hier die Einsetzung eines politischen Kommissars; in dem Protokoll wird festgehalten:

„Die beteiligten Referate waren sich darüber einig, daß der Zusammenbruch des Unternehmens nach Möglichkeit vermieden werden muß. Es wurde die Frage erörtert, ob die Einsetzung eines politischen Kommissars möglich ist, der mit umfassenden Vollmachten auszustatten wäre und insbesondere die erforderlichen Verhandlungen wegen der Arisierung zu führen hätte. Dr. Martell erklärte hierzu, daß die Einsetzung eines solchen Kommissars ausnahmsweise dann möglich erscheine, wenn ein politischer Notstand vorliege. Es müsse in diesem Falle an die zuständige Gauleitung der NSDAP. herangetreten werden. Als geeignete Persönlichkeit wurde von den Herren Willée und Dr. Eschenburg der Vortragende Legationsrat a.D. Redelhammer genannt, der in Berlin bereits eine Fabrik mit Kunsthaarerzeugnissen betreibt und als Sachkenner gelten kann. […] Rechtsanwalt Langbehn war der Ansicht, daß die Einsetzung Redelhammers zum politischen Kommissar nicht möglich sei, weil es sich hierbei um einen Interessenten handele. Er bat, eine andere Persönlichkeit als Kommissar einzusetzen.“

Ob daraufhin tatsächlich ein politischer Kommissar eingesetzt wurde, geht aus den Akten nicht hervor. Der Enteignung der Firma stand jedoch nichts mehr im Weg; Fischbein plante unterdessen, zu emigrieren. Davon hatte auch das Reichswirtschaftsministerium Kenntnis genommen:

„Fischbein habe bereits Vorbereitungen für seine Auswanderung getroffen. Er plane die Auswanderung zum 19. Dezember 1938 und habe für diesen Tag schon eine Schiffskarte bestellt. Herr Tschacher und auch Dr. Eschenburg […] sprachen davon, daß die Sassoon Banking Corp. bereits die Beteiligung Fischbeins an der International Container Ltd. beschlagnahmt habe. […] Assessor Schütt teilte mit, daß RA. Langbehn ihm vor kurzem einen Plan vorgetragen habe, der möglicherweise eine Bereinigung der ganzen Angelegenheit bewirken könnte. Es handele sich um einen jüdischen Auswanderer, der dem Unternehmen insgesamt 2 Millionen RM zur Verfügung stellen wolle.“

Im Hinblick auf die Paßverlängerung Fischbeins sind die Angaben in den Akten widersprüchlich. So heißt es in dem Aktenvermerk weiter:

„Es soll ferner nochmals durch eine fernmündliche Anfrage beim Polizeipräsidium sichergestellt werden, daß Fischbein einen Auslandspaß nicht erhält. […] Anruf bei Oberinspektor Kretschmer-Polizei-Präsidium-Fremdenamt: Entsprechend unserem Wunsche ist dem Juden Fischbein der Auslandspaß abgenommen worden. Der Paß befindet sich bei den Akten. Falls ein Paß für die Auswanderung beantragt werden sollte, würde das Polizeipräsidium hierbei grundsätzlich keine Schwierigkeiten machen. Ich habe darauf hingewiesen, daß im Falle Fischbein möglicherweise ein Interesse daran bestehen wird, den Juden nicht auswandern zu lassen.“

Zwei Monate später berichtet Carl Langbehn dem Reichswirtschaftsministerium:

„Bei den Verhandlungen mit Sassoon stellte ich zu meinem Erstaunen auch die Anwesenheit des Herrn Fischbein fest. Da mir bekannt war, dass der Pass des Herrn Fischbein bei dem Fremdenamt in Berlin liegt, habe ich Herrn Fischbein gefragt, wie es möglich sei, dass er sich im Ausland aufhalte. Er hat diese Frage nicht beantwortet, sondern erklärt, dass seine Anwesenheit in Deutschland nicht mehr notwendig sei. […] Im übrigen halte er sich nur ‚vorübergehend' im Ausland auf. M. E. ist dieser Angabe kein Glaube zu schenken.“

Dass „der Jude Fischbein inzwischen flüchtig geworden ist“, sollte nach Ansicht von Borries' jedoch nicht dazu führen, den „Arisierungsplan“ nicht weiter zu verfolgen, denn „die mit der Durchführung der Arisierung verbundenen Vorteile“ seien größer als „die Nachteile, die der Zusammenbruch des Unternehmens für die deutsche Volkswirtschaft nach sich ziehen würde“.

Die darauf folgenden Dokumente, die im zweiten Band der Akte über die Enteignung der Firma Runge & Co. enthalten sind, belegen detailliert die weitere Abwicklung der Enteignung. Dazu gehörten auch weitere Wirtschaftsprüfungen, Verhandlungen, Sanierungspläne und Schätzungen des Werts der Büroeinrichtung Fischbeins, die Langbehn übernehmen wollte. In dem gesamten zweiten Band dieser Akte taucht Eschenburg namentlich nicht mehr auf.

Akten zu Personalfragen der Prüfungsstelle Bekleidungsindustrie (R 3101/15221)

In diesem Aktenband finden sich Belege über Eschenburgs berufliche Positionen in der Bekleidungsindustrie. Laut „Personalbestand nach dem Stand vom 1. Januar 1940“ der Vorprüfstelle Knopfund Bekleidungsverschlußindustrie war Eschenburg seit dem 4. März 1937 Beauftragter der Vorprüfstelle. Spätere Einträge in den Akten geben allerdings an, daß Eschenburg als Beauftragter der Vorprüfstelle bereits am 1. Mai 1936 eingestellt wurde. Dagegen spricht jedoch ein Brief des Reichsbeauftragten der Prüfungsstelle, der im Juli 1936 das Reichswirtschaftsministerium darüber in Kenntnis setzte, daß der bisherige Beauftragte für die Vorprüfstelle der Knopfund Bekleidungsverschlußindustrie Dr. Ziegler ab dem 1. August 1936 eine Stelle außerhalb Berlins antritt. Als sein Nachfolger wird Eschenburg empfohlen; Eschenburg sei „aufgrund seiner langjährigen Erfahrung in der Lage und bereit, das Amt eines Beauftragten zu übernehmen“. Dr. Heinemann, Referent im Reichswirtschaftsministerium, bewilligte den Vorschlag, zeigte sich jedoch verwundert, warum Eschenburg zum Beauftragten für den Bereich der Knopfund Bekleidungsverschlußindustrie und gleichzeitig „für die Beauftragtenstelle für den Bereich der Fachgruppe Schnitzund Formerstoffe verarbeitende Industrien vorgeschlagen wird“. In der Akte finden sich dazu keine weiteren Angaben; ungeachtet der hier geäußerten Verwunderung wurde Eschenburg Beauftragter beider Vorprüfstellen. Aus einer weiteren (von Eisfeld nicht rezipierten) Akte geht hervor, daß Eschenburg außerdem noch Geschäftsführer der Patent-Treuhandgesellschaft für Reißverschlußfabrikanten war.

In der Anlage des Schreibens von dem Reichsbeauftragten der Prüfungsstelle befindet sich ein vom 15. Juli 1936 datierter Lebenslauf von Eschenburg, auf den auch Eisfeld aufmerksam macht. Seine Tätigkeit in der Industrie fasst Eschenburg so zusammen:

„Im Mai 1933 wurde ich Geschäftsführer des Zentralverbandes der deutschen Knopfund Bekleidungsverschlußfabrikanten e.V., der im Januar 1935 in die Fachuntergruppe Knopfund Bekleidungsverschlußindustrie in die Wirtschaftsgruppe Bekleidungsindustrie umgewandelt wurde. Ich bin gleichzeitig Geschäftsführer der Fachgruppe Schnitzund Formerstoffe verarbeitende Industrien der Wirtschaftsgruppe Holzverarbeitende Industrie und einiger Kartelle. Seit der Einrichtung der Beauftragtenstelle habe ich mit dem bisherigen Beauftragten, Herrn Dr. Ziegler, in allen Fragen der Exportförderung eng zusammengearbeitet.“

Des weiteren hebt Eschenburg hervor: „Ich bin Arier, ebenso meine Frau, mit der ich seit 1934 verheiratet bin.“ Seine Mitgliedschaft in der SS erwähnt Eschenburg demgegenüber nicht – ein Umstand, den Eisfeld für kritikwürdig hält. Zu welchem Zeitpunkt und wie lange Eschenburg Mitglied der SS war, dokumentiert die folgende Akte:

SS-Stammrollenblatt von Theodor Eschenburg (BAB, SM (ehem. BDC), C 0113)

Laut Stammrollenblatt (Stammrollen-Nummer 106) war Eschenburg seit dem 30. Juni 1933 Anwärter der SS und wurde am 6. März 1934 „SS-Mann“. Er war eingetragen unter der SS-Nummer 156004 und gehörte der Formation SS-Motorsturm 3/III/3 an. In der Spalte „Partei-Verhältnis“ und der Unterspalte „Teilnehmer an Aufmärschen usw.“ finden sich mit Ausnahme der SS-Nummer keine Einträge. Daraus geht also hervor, daß Eschenburg nicht Mitglied der NSDAP war; dies hat auch die Durchsicht der Reichskartei der NSDAP bestätigt, in der Eschenburg nicht aufgeführt wird. Darüber hinaus sind auf dem SS-Stammrollenblatt keine weiteren Einträge verzeichnet, weder in der Spalte „Verwendung, Versetzung, Ausscheiden“ noch unter „Führung“ und „Strafen“. Das Stammrollenblatt enthält also auch keinerlei Angaben darüber, wann Eschenburg aus der SS ausgetreten ist. Nach Auskunft von Eisfeld ist Eschenburg „nicht bereits vor der Mordaktion des 30. Juni 1934“ wieder ausgetreten; er belegt dies wie bereits erwähnt mit Passagen aus Eschenburgs Autobiographie, die er allerdings an anderer Stelle für ihre Schönfärbungen im Umgang mit der NS-Vergangenheit scharf kritisiert.

Neben den von Eisfeld ausgewerteten Akten habe ich – wie oben aufgelistet – noch weitere Akten aus den Prüfungsstellen und Wirtschaftsgruppen durchgesehen, in denen Eschenburg tätig war. Hierbei bin ich zu folgenden Ergebnissen gekommen:

Akten aus der Prüfungsstelle Holzverarbeitende Industrie (R 9 V/1 und 2)

Insgesamt enthält die Akte R 9 V nach Angaben des Findbuchs folgende Dokumente:

„Überwachung des Waren-, Zahlungsund Geschäftsreiseverkehrs deutscher Firmen mit dem Ausland (Rundschreiben der Prüfungsstelle Holzverarbeitende Industrie und des Reichswirtschaftsministeriums; dabei auch Rundschreiben der Wirtschaftsgruppe Holzverarbeitende Industrie und der Vorprüfstelle Schnitzund Formerstoffe verarbeitenden Industrien und Stuhlrohrindustrie der Prüfungsstelle Holzverarbeitende Industrie; Länder-Alphabet).“

In Band V/1 wird Eschenburg nicht namentlich erwähnt; aussagekräftige Dokumente konnte ich nicht ausfindig machen. Band V/2 enthält einen Brief von Eschenburg, in dem er die Knopfhersteller über eine bevorstehende Betriebsbesichtigung informiert. Wie alle von Eschenburg zu dieser Zeit verfassten offiziellen Schreiben endet der Brief mit den Worten „Heil Hitler!“. Darüber hinaus habe ich keine weiteren Dokumente gefunden, in denen Eschenburg Erwähnung findet.

Akten aus der Wirtschaftsgruppe Holzverarbeitende Industrie (R 13 IX/34, 35 und 54)

Laut Findbuch enthält der Aktenband IX/34 „tagebuchmäßige Aufzeichnungen“ in Bezug auf „Verwaltungs-, Haushaltsund Personalangelegenheiten der Fachgruppe Schnitzund Formerstoffe verarbeitende Industrien“. Da jedoch ausschließlich nicht entschlüsselte Kürzel und Buchstaben verwendet werden, geht aus der Akte nicht hervor, von wem diese „tagebuchmäßigen Aufzeichnungen“ stammen. Relevant ist dies allerdings nicht, da die Aufzeichnungen ohnehin nur von rein betrieblichen Angelegenheiten handeln. Das gilt auch für Band IX/35; neben den betriebsinternen Aufzeichnungen findet sich hier noch ein Brief von Eschenburg, in dem es aber lediglich um Einsparungsmaßnahmen geht.142

Band IX/54 dokumentiert, dass die Wirtschaftsgruppe Holzverarbeitende Industrie in die Kriegsproduktion und Belieferung der Wehrmacht eingebunden war. Eschenburg fügte sich auch in diesem Kontext nahtlos in die Funktionsabläufe des Regimes und erfüllte seine Aufgaben als Geschäftsführer der Fachgruppe offenbar reibungslos und ohne Widerstände. In einem Schreiben an eine industrielle Herstellergruppe weist er die Beteiligten an, die Versorgung der Wehrmacht sicherzustellen:

„Es lässt sich zur Zeit nicht übersehen, wie sich die Rohstoffversorgung in den Monaten September und Oktober 1944 gestalten wird. Die Firmen müssen daher damit rechnen, für diese beiden Monate ausschliesslich ab Lager zu produzieren. Da vor allen Dingen der Bedarf der Wehrmacht mit Marketenderwaren sichergestellt werden muss, weisen wir Sie hiermit auf Grund der Ihnen bekannten Rechtsvorschriften an, aus Ihrer September und Oktober-Produktion die Ihnen zugegangene Lieferanweisung betr.: Versorgung der Wehrmacht zu erfüllen […] Der Empfang dieser Anweisung ist uns zu bestätigen.“

Akten aus der Wirtschaftsgruppe Bekleidungsindustrie (R 13 XV/102 und 103)

Die Aktenbände XV/102 und 103 enthalten Handakten von Eschenburg, die „Satzungen und Verträge einzelner Fachgruppen und Verbände“ aus den Jahren 1935-1942 betreffen. Archiviert sind in diesen Bänden ausschließlich die einzelnen Verträge und Satzungen der Verbände, die über Eschenburgs Tätigkeit nichts weiter aussagen. Aufschlussreich sind lediglich einige Passagen aus der Satzung der Fachgruppe Schnitzerund Formerstoffe verarbeitende Industrie, da sie veranschaulichen, welche Bedeutung Eschenburgs Position in der Fachgruppe hatte:

„§ 1. Die Fachgruppe Schnitzund Formerstoffe verarbeitende Industrien ist die Zusammenfassung der die Herstellung von Waren aus natürlichen und künstlichen Schnitzund Formerstoffen betreibenden Mitglieder der Wirtschaftsgruppe Holzverarbeitende Industrie. […] § 8. Organe der Fachgruppe sind: 1.) der Leiter der Fachgruppe, 2.) der Beirat, 3.) die Geschäftsführung. […] § 12 Der Leiter hat die Fachgruppe im Sinne des nationalsozialistischen Staates zu führen […]. § 18. Der Leiter der Fachgruppe bestellt mit Zustimmung des Leiters der Wirtschaftsgruppe Holzverarbeitende Industrie nach Bedarf einen oder mehrere Geschäftsführer, welche die laufenden Geschäfte nach seinen Weisungen führen.“

Darüber hinaus habe ich keine weiteren ergiebigen Dokumente gefunden; die Aktenbände der Prüfungsstelle Bekleidungsindustrie und der Prüfungsstelle Maschinenbau enthalten keine relevanten Informationen.

b Universitätsarchiv Tübingen: Nachlass von Theodor Eschenburg

- Bestandsinformationen:

Der ca. sieben laufende Meter umfassende Nachlass von Eschenburg enthält sehr umfangreiche Materialsammlungen, Manuskripte und Aufzeichnungen von Eschenburg sowie geschäftliche, berufliche und private Korrespondenzen. Der überwiegende Teil des Nachlasses wurde systematisiert, ein geringerer Teil ist noch ungeordnet. Die Laufzeit umfasst die Jahre 1946-1988; Archivmaterial aus der NS-Zeit ist hier also nicht vorhanden. Laut Angabe des Bundesarchivs befindet sich ein Teil des Nachlasses in Familienbesitz; nach Einschätzung des Nachlaßverwalters Dr. Michael Wischnath, mit dem ich in Tübingen gesprochen habe, ist allerdings nicht davon auszugehen, dass die Familie dem Universitätsarchiv grundlegendes Material vorenthält. Jenes Archivmaterial, das noch nicht vollständig geordnet und mit Bestandsnummern versehen ist und tw. sehr durcheinander in Kartons vorliegt, habe ich nach Rücksprache mit Dr. Wischnath vollständig durchgesehen. Außer den unten ausgewerteten Korrespondenzen (III) habe ich hier kein ergiebiges Aktenmaterial gefunden.

- Aus dem bereits geordneten Nachlass habe ich Einsicht in folgende Akten genommen:

Korrespondenzen:

° Auswärtiges Amt

° Sämtliche Korrespondenzen aus den Jahren ab 1954, 1961-1965, 1966-1970 und nach 1970 (zeitliche Anordnung folgt Systematisierung des Nachlasses; vor 1954 keine Korrespondenzen vorhanden)

- ausgewählte Materialsammlungen und Verschiedenes

- komplettes Manuskript (Interview mit Siedler und Fest, 5 Bde.) des zweiten Bandes der Autobiographie von Eschenburg

Korrespondenzen I

Ein Großteil der Korrespondenzen handelt von rein beruflichen Angelegenheiten; hier geht es um Vortragsanfragen, Beiträge für verschiedene Zeitungen sowie Funk und Fernsehen, Publikationen von Eschenburg und Hochschulangelegenheiten. Darunter finden sich aber auch einige Briefwechsel, die aufgrund der Person, die hier schreibt, oder im Hinblick auf den Inhalt Anhaltspunkte dafür geben, wie Eschenburg insgesamt einzuschätzen ist.

Unter den Korrespondenzen im Zeitraum von 1961 bis 1970 sind die folgenden hervorzuheben:

In einem der Aktenordner befindet sich ein Brief von Dr. Karl Römer, in dem er sich bei Eschenburg für die Zusendung eines Sonderdrucks bedankt. Es drängt sich die Frage auf, ob es sich dabei um denselben Dr. Römer handelt, der an der „Arisierungsmaßnahme“ der Firma Wilhelm Fischbeins beteiligt war; sein Name taucht in den oben zitierten Akten aus dem Bundesarchiv Berlin sehr häufig auf. Da in den Korrespondenzen keine weitere Briefen von ihm vorhanden sind, lässt sich diese Frage jedoch nicht abschließend beantworten.

Im Nachlass befinden sich darüber hinaus einige Briefwechsel mit Personen, die politisch am rechten Rand stehen und die vor 1945 Nationalsozialisten waren. Dazu gehören die Korrespondenzen mit Walter von Keudell, Rudolf Rahn und Friedrich Karl Vialon. In dem Briefwechsel mit Rahn geht Eschenburg auf dessen politische Darlegungen nicht ein, doch wird durch seine abschlägige Antwort auf eine Anfrage Rahns eine gewisse Distanzierung erkennbar; gleichwohl übt Eschenburg keine explizite Kritik an Rahn. Enger scheint dagegen das Verhältnis zwischen Vialon und Eschenburg gewesen zu sein; aus ihrem Briefwechsel geht hervor, dass Eschenburg Vialon offensichtlich wohlgesonnen war. Beide bringen immer wieder ihre gegenseitige Bewunderung und Anerkennung zum Ausdruck, und auch in politischer Hinsicht schienen sie gemeinsame Bezugspunkte zu haben. So kommentiert Vialon etwa Eschenburgs Verteidigung Hans Globkes zustimmend: „Ihr freundliches Wort über Globke hat uns bannig gefreut. Seien Sie herzlich bedankt dafür.“ Eschenburgs Briefe an Keudell sind aufgrund der geringen inhaltlichen Relevanz nicht aussagekräftig, doch immerhin belegen die Korrespondenzen, dass er überhaupt mit Keudell in Kontakt stand und ihn auch persönlich traf.

Unter den weiteren Korrespondenzen gibt es ferner zahlreiche Vortragsanfragen verschiedener Burschenschaften, die Eschenburg meist freundlich beantwortete, aber denen er aus Zeitgründen nicht immer nachgehen konnte. Daß er – selbst Mitglied der Tübinger Burschenschaft Germania – Burschenschaften gegenüber grundsätzlich positiv eingestellt war, legt er im ersten Band seiner Autobiographie ausführlich dar. Nach dem Zweiten Weltkrieg stand Eschenburg jedoch bestimmten Einrichtungen der Burschenschaften kritisch gegenüber. So gibt er in einem für den Verlag Günther Neske Pfullingen verfaßten Lebenslauf an, daß er aktiv bei der Burschenschaft Germania sei, aber „nach 1945 Gegner des Coleurtragens und Fechtens“ geworden sei, „ohne die Lebensberechtigung studentischer Korporationen als solche zu verkennen“. Diese ablehnende Haltung führte auch zu einem Konflikt mit einer Burschenschaft, die in einem Brief an Eschenburg ihr Unverständnis gegenüber seiner Position äußerte.

Während der Studentenunruhen um 1968 geriet auch Eschenburg ins Visier der Revoltierenden. Unter den Korrespondenzen findet sich ein Informationsblatt des AStA, in dem dazu aufgerufen wird, Eschenburgs Seminare zu boykottieren, da dieser angeblich mit dem BND zusammenarbeitete und Studenten für den BND anwerben sollte. Dies gefährde die Freiheit des wissenschaftlichen Studiums, so dass keinem Studenten „eine weitere Mitarbeit in Eschenburgs Seminar zugemutet werden“ könne. Das Informationsblatt wurde an die Presse weitergegeben, woraufhin eine Gegenstellungnahme von Eschenburg erschien. Obwohl Eschenburg der Studentenbewegung und ihrer politischen Haltung grundsätzlich skeptisch gegenüberstand, setzte er sich unumwunden für seinen Schüler Ekkehart Krippendorff ein.154 In einem Brief an R. Kirchhoff erklärt er etwa:

„Ich weiß, daß Krippendorff mit einigen seiner Aufsätze, vor allem mit dem im ‚Monat' erschienenen ‚Das Ende der Parteien' Ärgernis erregte. Mein verstorbener Kollege Bergsträßer [sic!] hat sich damals über diesen Aufsatz sehr aufgeregt. Auch ich muß zu diesem Aufsatz eine Reihe starker Bedenken anmelden, aber rege mich deswegen nicht weiter auf. Junge Leute müssen Fehler machen dürfen. Hier ist einmal wieder das Temperament mit Krippendorff durchgegangen, aber man darf dessen große Vorzüge gerade bei ihm nicht verkennen. Es gibt eine Vielzahl großer Gelehrter, die in ihrer Jugend unausstehlich radikal waren. Damit will ich nun nicht den Umkehrschluß ziehen, daß man radikal sein muß, um ein anerkannter Wissenschaftler zu werden. […] Er hat mir in den Seminaren und Kolloquien hart, auch nicht immer unbedingt taktsicher widersprochen, was mir sehr sympathisch war. Ich kann diese Übervorsichtigen, die nirgends Anstoß erregen wollen, nicht ertragen. […] es ist mir immerhin sympathischer als überkonventionelle Unscheinbarkeit. […] Ich muß immer wieder sagen, diese wissenschaftlichen Pubertätserscheinungen nehme ich nicht tragisch, im Gegenteil, sie lassen auf eine gute Entwicklung hoffen.“

Korrespondenzen II

Ende der 1970er Jahre trug Eschenburg in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung eine Auseinandersetzung mit Hans Mayer über das Buch „Sein und Haben“ von Gustav Freytag aus. Während Hans Mayer den antisemitischen Charakter des Buches hervorhob, versuchte Eschenburg, den Antisemitismus-Vorwurf zu entkräften und auch gegen die These zu argumentieren, dass der Antisemitismus eine spezifisch deutsche Erscheinung sei. In diesem Zusammenhang bekam Eschenburg einen persönlichen Brief von Walter Schwarz, der seine Ausführungen über Freytag kritisierte:

„[…] möchte ich zu Ihrer Darstellung als Jude etwas sagen dürfen. Von einem

‚gleichsam jüdischen Antisemitismus' zu sprechen, geht doch wohl etwas sehr weit. […] Einen Gegensatz zwischen reichen und weniger reichen und wirklich armen Juden im gesellschaftlichen Sinne gab es nicht. […] Die besitzenden Juden haben in einem für Nichtjuden unvorstellbaren Ausmass den Juden in Not geholfen. […] Was Judenfeindschaft von Antisemitismus scheidet, ist nicht klar.“

Eschenburg beantwortete diesen Brief sehr freundlich, widersprach jedoch – allerdings sehr sachlich und ausgewogen – in allen Punkten.

Unter den Korrespondenzakten befindet sich im Nachlass darüber hinaus ein Ordner, der ausschließlich Material zu Helmut Palmer enthält. Helmut Palmer (1930-2004) war ein Bürgerrechtler in Baden-Württemberg, der durch offenbar weitgehend unverhältnismäßigen und sinnlosen politischen Aktionismus und darauf folgende Gefängnisstrafen bekannt geworden war. Nachdem Eschenburg in einer Fernsehsendung Palmer kritisiert hatte – laut Palmer hatte Eschenburg gesagt, dass Palmer manisch-depressiv sei und „Quatsch“ rede –, brach ein Konflikt zwischen beiden aus. Zwei Tage nach Ausstrahlung der Fernsehsendung schrieb Palmer wütend an Eschenburg:

„Wie leichtfertig Sie mich jedoch abqualifizieren geht auch daraus hervor, daß Sie mich, wie bereits angeführt, als Volksredner betitelten, wie man schon einmal einen gesehen habe. Warum waren Sie so feige und haben dann nicht gleich von einem Göbbels oder Hitler gesprochen? […] Gerade weil ich als sog. Halbjude […] unerträgliches ertragen mußte […], habe ich einen politischen Standort nach 1945 […]. Jedoch in die Rolle des Radikalen, Demagogen oder gar des Geisteskranken wollen mich nur solche Leute zwängen, die selbst schuldbeladen in dieser Zeit, als diese Formalen Trumpf waren, mitgewirkt haben. Sie sind mir, sehr geehrter Herr Professor, allerdings auch dafür nicht bekannt, daß Sie in Widerstandskreisen der Geschw. Scholl in Ulm, bei OB Gördeler oder sonstwo gegen das NS-Regime mitgewirkt haben. […] Zu guter Letzt fordere ich Sie auf, den ungeheuerlichen Schaden, den Sie mir und meiner Familie, meinen Freunden und der Demokratie zugefügt haben, wieder gut zu machen, indem Sie sich zu einem Streitgespräch öffentlich im Bildfunk stellen. Sollten Sie das nicht tun, bin ich gezwungen, speziell in Tübingen Aktionen gegen Sie zu unternehmen.“

In seiner Antwort blieb Eschenburg sachlich, sah sich aber schließlich gezwungen, einen Strafantrag gegen Palmer zu stellen, da dieser mit einem Stein eine Fensterscheibe in Eschenburgs Haus eingeschlagen hatte. Palmer zeigte sich davon unbeeindruckt und setzte seinen Kampf gegen Eschenburg fort. Heiligabend 1974 wollte er einen Sitzstreik vor Eschenburgs Haus durchführen, und auch vor Drohungen per Telegramm schreckte er nicht zurück. Darauf war zu lesen: „Die Saat Ihres Verbrechens geht auf und sprießt und sprießt. Ich werde mit Ihnen abrechnen. Palmer“ Bezugnehmend auf die Fernsehsendung am 5. März 1974 schrieb Palmer einige Monate später an Eschenburg: „Sie haben jedes Recht sich in die Politik einzumischen verwirkt durch Ihr Verbrechen vom 5. Maerz in Baden-Baden.“

Und in einem dritten Telegramm droht Palmer schließlich: „Wo waren Sie denn im Dritten Reich mit Ihrem Gewissen? Ich warne Sie zum letzten Mal. Palmer“ Diese ungewöhnlich heftigen Reaktionen Palmers sind zwar erwähnenswert, doch sagen sie nichts über Eschenburgs politische Haltung aus, sondern belegen vor allem, dass Eschenburgs Zweifel an der psychischen Stabilität Palmers wohl berechtigt waren.

Eine im selben Jahr verschickte Anfrage des neonazistischen DSZ-Verlages, welchen „Gliederungen der NSDAP bzw. Nationalsozialistischen Verbänden“ Eschenburg „in welchen Funktionen“ angehörte, und ob er „Mitglied oder Funktionsträger der SS“ gewesen sei, beantwortete Eschenburg nicht.

Korrespondenzen III

Die unter diesem Gliederungspunkt wiedergegebenen Korrespondenzen waren zum Zeitpunkt der Durchsicht nur provisorisch geordnet und auch noch nicht mit Signaturen versehen. Zur Verwendung des Aktenmaterials hat Dr. Wischnath die im folgenden zitierten Aktenbände mit vorläufigen Bestandsnummern versehen. Im Januar 1955 bekam Eschenburg einen Brief von der Interessengemeinschaft für Rundfunkschutzrechte, die nach einem Vorgang in dem Kartellverband fragte, für den Eschenburg während der NS-Zeit tätig war:

„Die Herren Dr. Michel und Dr. Cohn mußten 1933 aufgrund einer nachdrücklichen Forderung des Propaganda-Ministeriums aus dem Vorstand ausscheiden und auch die Geschäftsführung niederlegen. Es wurde mit Ihnen ein Abfindungsvertrag abgeschlossen, der aber von Herrn Dr. Michel abgeleugnet wird. Für uns wäre es von besondere Bedeutung, von Ihnen, der Sie damals die Entwicklung der Verhältnisse in der Kartellstelle selbst mit erlebt haben, zu erfahren, wie bei den anderen Verbänden verfahren wurde. Bekamen die beiden Herren von anderen Verbänden irgendwelche Abfindungen, oder übernahmen Sie nicht damals in deren Auftrag überhaupt die Kartellstelle? Des weiteren wäre es sehr wertvoll für uns zu erfahren, ob sich Herr Dr. Michel an etwaige Nachfolgeverbände der oben angeführten Verbände mit Wiedergutmachungsansprüchen gewandt hat.“

In seiner Autobiographie erzählt Eschenburg von Dr. Michels und Dr. Cohn und verschweigt auch nicht, dass beide Juden waren und aus Deutschland auswanderten. Dass sie aber ihre Posten nicht freiwillig niederlegten, sondern aufgrund einer Forderung des Propagandaministeriums, erwähnt Eschenburg nicht. Ein Hinweis auf den abgeschlossenen Abfindungsvertrag findet sich dort ebenfalls nicht. Eine Antwort Eschenburgs auf die Anfrage der Interessengemeinschaft liegt im Nachlass nicht vor.

In einem anderen Brief äußert sich Eschenburg über Walter Bauer und spiegelt damit zugleich seinen Umgang mit der NS-Vergangenheit und das Bild, das er dabei von sich selbst zeichnet:

„Im politischen Urteil standen wir uns ja sehr nahe, das gilt für die Weimarer Zeit und auch für das Dritte Reich. Aber immer wieder seit 1933 habe ich aus ernster Sorge um sein Schicksal ihn zur Vorsicht ermahnt, ja hart bedrängt. Mir konnte er alles sagen, und einigen wenigen anderen auch. Aber da war dieser unheimliche Chauffeur, dem ich von Anfang an mißtraute. Das ging so weit, daß ich mit Bauer nicht mehr in seinem Auto gefahren bin, aus Angst vor seinem Chauffeur. […] Ernsthafte Meinungsverschiedenheiten zwischen Bauer und mir bestanden in der Frage des Widerstandes. Ich sah keine Chancen für den Widerstand und habe immer wieder davon abgeraten, so daß Bauer letztlich auf diese Fragen überhaupt nicht mehr zu sprechen kam.“

Neben den hier angeführten Briefwechseln befinden sich unter Eschenburgs Korrespondenzpartnern außerdem noch u. a. Alexander Rüstow, Walter Scheel, Theodor Schieder, Carlo Schmid, Wilhelm Hennis, Hildegard Hamm-Brücher, Richard Löwenthal, Carl J. Friedrich, Arnold Bergstraesser und Arnold Brecht. Auch diese Briefwechsel habe ich durchgesehen, konnte jedoch hinsichtlich der Frage, in welchem Verhältnis Eschenburg zur NS-Zeit stand, keine aussagekräftigen Dokumente finden. Die im Nachlass gesondert geordneten Korrespondenzen mit dem Auswärtigen Amt enthalten ebenfalls keine für die Fragestellung relevanten Dokumente.

Viele der Korrespondenzen belegen jedoch Eschenburgs Einsatz für die Demokratie nach 1945, seine Anerkennung als Wissenschaftler und seine Beharrlichkeit, mit der er sich mitunter für Kollegen einsetzte. Dies gilt etwa für Ekkehart Krippendorff, auf den bereits verwiesen wurde, oder auch für Arnold Brecht, für den er sich zum Beispiel mit Nachdruck einsetzte, als es darum ging, ihm eine angemessene Ehrung zu seinem 90. Geburtstag zuteil werden zu lassen. Dies geht aus zahlreichen Anschreiben und Briefen an Kollegen, Bekannte und Freunde Brechts hervor, die Eschenburg zu diesem Zweck verfasste.

Manuskript des zweiten Bandes der Autobiographie Eschenburgs

Nach Angaben des Universitätsarchivs liegen im Nachlaß „Vorarbeiten“ für Eschenburgs Autobiographie; hierbei handelt es sich um das Manuskript der aufgezeichneten Gespräche, die Wolf Jobst Siedler und Joachim Fest mit Eschenburg geführt haben. Das maschinenschriftliche Manuskript umfasst mehrere hundert Seiten und entstand zwischen 1983 und 1985.

In der „editorischen Notiz“ der Autobiographie weist Hermann Rudolph auf den Entstehungskontext des Buches hin: Nicht Eschenburg selbst hat den unter seinem Namen veröffentlichten Text geschrieben, sondern der Siedler Verlag fügte vorliegende Entwürfe und Manuskripte zusammen, um daraus ein Buch zu machen. Nach Angabe von Rudolph hinterließ Eschenburg nach seinem Tod ein Manuskript zum geplanten zweiten Teil der Autobiographie, das allerdings „in recht fragmentarischer Fassung“ gewesen sei. Rudolph verweist ferner auf die Gespräche mit Siedler und Fest sowie auf den „Entwurf eines Erinnerungsbandes“, der auf dieser Grundlage entstanden sei. Aus diesen drei Materialien ist das Buch hervorgegangen. Rudolph erklärt: „Um dem Leser die Gestalt Eschenburgs nahezubringen, wurde versucht, für den Text der Erinnerungen die jeweils prägnanteste Ausdrucksform zu finden. Vor allem aus den Gesprächen floss den Erinnerungen dabei die unverwechselbare Eindrücklichkeit dieses Gelehrten und Publizisten zu, der ja nicht zuletzt ein hinreißender Erzähler war.“

Ein von Eschenburg selbst verfasstes Manuskript liegt im Nachlass nicht vor, sondern nur das erwähnte Manuskript, das aus den Gesprächen mit Eschenburg hervorgegangen ist. Ein kursorischer Abgleich mit der veröffentlichten Autobiographie hat ergeben, dass die biographischen Angaben und Erzählungen in inhaltlicher Hinsicht im Wesentlichen deckungsgleich mit dem Gesprächsmanuskript sind. Gleichwohl ist das Manuskript nicht nur sehr viel umfangreicher, sondern es enthält auch Details und Formulierungen, die im veröffentlichten Text verändert wurden. Ein Beispiel dafür liefern etwa jene Passagen, in denen Eschenburg von seiner Tätigkeit in der Kurzwarenindustrie berichtet:

„Dann bin ich 1926 nach Berlin gegangen, habe 28 dort Examen gemacht, habe dann noch Jura studiert und bin 1929 Referent bei den Vereinigten Maschinenbau-Anstalten geworden. […] Da bin ich dann bis 32 geblieben […]. Dann bin ich eine Sozietät eingegangen mit einem jüdischen Syndikus. Der hatte ein Büro für Kleinindustrieberatung, Knöpfe, Reissverschlüsse, Taschenlampen, Batterien usw. Der ist nicht von mir rausgedrängt worden, er ist sehr bald nach Amerika gegangen. Und dieses Büro habe ich geführt bis 1945.“

Der „jüdische Syndikus“, auf den Eschenburg sich hier bezieht, war Dr. Cohn; in seiner veröffentlichten Autobiographie weist er namentlich auf ihn hin. Anders als in dem Manuskript findet sich dort aber beispielsweise nicht die rechtfertigende Bemerkung, daß Cohn nicht von ihm „rausgedrängt“ worden sei.

Seinen Aufgabenbereich in der Kartellindustrie schildert Eschenburg im Manuskript so:

„Frage Was haben Sie in diesem Kartell-Büro im einzelnen gemacht?

Eschenburg Allgemeine Industriebetreuung. Das wurde sehr akut durch die Übergriffe der Nationalsozialisten auf die einzelnen Betriebe. Da habe ich mich sehr genau informiert, vor allem bei der Reichsgruppe Industrie, die damals noch [Auslassungen] der deutschen Industrie, und in sehr vorsichtiger Form, ohne die SA oder so etwas zu nennen, gesagt: ‚Bitte sehr, es muss Ordnung herrschen. Es darf niemand eingreifen.' Ich habe versucht, die Leute zu einem gewissen vorsichtigen Widerstand zu bringen. Das ist auch absolut gelungen. Kein Mensch hat mir etwas getan.“

Auch diese Passagen weichen von den Darstellungen in der Autobiographie leicht ab und enthalten Details, die dort nicht erwähnt werden. Da der von Rudolph erwähnte Entwurf von Eschenburg nicht im Nachlass liegt, bleibt allerdings unklar, inwieweit auch daraus Passagen in den veröffentlichten Text eingeflossen sind. Um den Text als autobiographische Quelle nutzen zu können, müsste also zunächst einmal wortgenau überprüft werden, inwieweit die vorliegenden Manuskripte mit dem veröffentlichten Text übereinstimmen, und ob es auf dieser Grundlage zu rechtfertigen ist, Eschenburg posthum zum Autor dieses Textes zu machen.

Die Berufung auf den zweiten Band der Autobiographie Eschenburgs ist aus diesen Gründen der Quellenkritik also problematisch. Gleichwohl zeigt das Interview, das Siedler und Fest mit Eschenburg geführt haben, dass sich hinsichtlich der Frage, wie Eschenburg mit der NS-Vergangenheit umgegangen ist, kein wesentlich anderes oder besseres Bild ergibt als in dem veröffentlichten Text. An einigen Stellen des Interviews ist es sogar so, dass Eschenburgs Aussagen in einem fragwürdigeren Licht erscheinen, als dies in der Autobiographie der Fall ist. Kritik ist allerdings nicht nur im Hinblick auf Eschenburg angebracht, sondern auch in Bezug auf diejenigen, die die Gespräche mit Eschenburg geführt haben, also Siedler und Fest. Im Manuskript ist nicht gekennzeichnet, ob Siedler oder Fest jeweils die Fragen gestellt hat, doch da den editorischen Angaben Rudolphs zufolge beide gemeinsam mit Eschenburg das Gespräch geführt haben, geht es wohl nicht zu weit, auch beide als Autoren des Gesprächs zu betrachten. Von ihnen sind im Manuskript etwa die folgenden Fragen zu lesen:

Frage Sie sagten vorhin, die Jungverheirateten Offiziere schickte man weit weg, weil sie nicht so viel anrichten konnten. Was konnte denn ein Offizier anrichten? Antwort [Eschenburg:] Nur eins: mit fremden Frauen schlafen.

Frage Wenn er das mit Negerinnen oder Chinesinnen tat, das war nicht schlimm?

Antwort So genau bin ich nicht informiert.“

Diese Fragen stellten die Interviewer wohlgemerkt im Jahre 1983. An einer anderen Stelle des Interviews erzählt Siedler eine politisch ähnlich fragwürdige Anekdote:

„Ich fragte meinen Vater einmal, der vor 15 Diplomat war, als Bürgerlicher natürlich nicht im Diplomatischen Corps, sondern im Consularischen, was machtet Ihr denn als junge Achtundzwanzig-, Dreissigjährige, Ihr habt doch irgendwelche menschlichen Bedürfnisse gehabt? Natürlich doch nicht in unseren Kreisen, das war völlig undenkbar. Sondern mit einer netten Putzmamsell, und er sagte dann einen Satz, den ich sehr lustig fand. ‚Die waren ja auch viel amüsanter.' Du kannst Dir ja gar nicht vorstellen, wie dumm diese Kühe waren aus unseren Kreisen, die wussten nichts, die konnten nichts, sagten immer nur ja oder nein, und eine Putzmamsell aus Berlin, war lustig und frei.“

Eschenburg geht auf diese Anekdote nicht ein und kommt statt dessen auf das Thema der Konfessionsgegensätze zu sprechen. Dies veranlasst die Interviewer wiederum zu der folgenden Feststellung:

Antwort [Eschenburg:] Die Konfessionsgegensätze, katholisch und protestantisch, die spielten eine grosse Rolle. […] Die süddeutschen und rheinischen Katholiken waren ja auch bei der Marine. Auch eine ganze Reihe von Halbariern.

Frage Also ist es noch schlimmer Katholik zu sein als Jude. Fast.“

Die darauf folgende Antwort von Eschenburg ist im Manuskript mit Tipp-Ex übermalt. Gegen das Licht gehalten, ließ sich die – allerdings unvollständige – Antwort trotzdem entziffern. Sie beginnt mit den Worten: „Im Rheinland oder hier im Oberland hingegen…“ Da das Gespräch aufgezeichnet und anschließend von einer Schreibkraft abgetippt wurde, liegt die Vermutung nahe, dass mündlich der Hinweis gegeben wurde, diese Stelle des Interviews nicht zu transkribieren. Zu welcher Bemerkung sich Eschenburg hier hinreißen ließ, muss somit offen bleiben. Der letzte Teil des Gesprächs handelt neben der Studentenbewegung und der Frankfurter Schule – die wenig überraschend von allen Gesprächsbeteiligten, also sowohl von Eschenburg als auch von seinen Interviewern, vehement abgelehnt wurde

– auch von den Anfängen der Umweltbewegung. Im Hinblick auf die Forderung nach einer autofreien Zone führt Eschenburg einen bemerkenswerten Vergleich an:

„Um noch einmal an diese autofreie Zone anzuknüpfen. Ist es nicht etwas ähnliches […] wie mit dem Antisemitismus? Viele Leute, die keine Antisemiten waren, haben mit den Nazis sympathisiert, wenn sie sie nicht direkt gewählt haben, weil sie gesagt haben, damit machen die doch nicht ernst.“178

An anderer Stelle äußert sich Eschenburg über den Antisemitismus nach dem Ersten Weltkrieg so:

„Vorhin wurde eine Frage bezüglich des Antisemitismus gestellt. Das ist für mich sehr schwer zu beantworten. Es gab zweifellos eine starke Abneigung gegen plebejische Juden, die Kleiderhändler und Altwarenhändler. Das war eine Mischung von Antisemitismus und antidemokratisch. Gegen die kleinen Leute, die auch fremdartig waren. Man hatte auch eine gewisse Abneigung oder doch Distanzierung gegenüber dem, der der Synagoge verbunden geblieben war. Wenn Sie wollen, formell, aus kreuzchristlicher Motivation. Aber die assimilierten Juden auf der Basis des deutschen Vaterlandes, der vaterländischen Kultur, gegen die hatte man nicht viel.“

Aufschlussreich ist auch Eschenburgs Beschreibung, wie er mit den Nationalsozialisten umgegangen sei: „Man war nicht Nazi, man rechnete mit ihrem baldigen Sturz, aber so lange brauchte man sie und verkehrte mit ihnen. Man durfte sie nicht deklassieren, dann war man unter Umständen erledigt und es war schwer, wieder rein zu kommen.“ Etwas später fügt er hinzu: „Ich habe eigentlich überhaupt keine nationalsozialistische Patronage in Anspruch genommen. […] Andererseits habe ich immer wieder gesagt: Nicht provozieren.“ Siedler und Fest sprechen Eschenburg auch auf seine Mitgliedschaft in der SS an und stellen in diesem Zusammenhang die Frage:

Frage Wie haben Sie sich selbst gefühlt? Es stand ja die Mitgliedschaft in der SS zu Ihren bisherigen politischen Überzeugungen in Widerspruch.

Eschenburg Es war nicht so furchtbar schwierig, weil von Politik nicht viel die Rede war. […] Dass einer zu mir gesagt hätte: Wie stehst Du zu den Juden? Das passierte nicht. Ich hatte ja zunächst auch noch einen jüdischen Sozius. Darum kümmerte sich kein Mensch.“

Darüber hinaus sind Eschenburgs Schilderungen der SS im wesentlichen deckungsgleich mit jenen in der Autobiographie.

Ausgewählte Materialsammlungen und Verschiedenes

Unter den umfangreichen Materialsammlungen und Manuskripten habe ich vereinzelte Akten durchgesehen, die aufgrund thematischer Berührungspunkte ggf. weitere Anhaltspunkte für den vorliegenden Kontext liefern könnten. Hier bin ich auf einen Zeitungsartikel von Eschenburg gestoßen, in dem er vehement Hans Globke verteidigt. Zwar ist seine diesbezügliche Haltung bekannt, doch da der Artikel pointiert zum Ausdruck bringt, wie Eschenburg hier argumentiert und denkt, soll ein Ausschnitt an dieser Stelle zitiert werden:

„Daß er [Globke, H.B.] den Kommentar über die Nürnberger Gesetze zusammen mit seinem Vorgesetzten, dem Staatssekretär Stuckart, geschrieben hatte, wußten wir. Wir dachten freilich in ganz anderen Abwehrkategorien, als es heute jene tun, die nicht unmittelbare Zeugen der Verhältnisse und Vorgänge des nationalsozialistischen Regimes gewesen sind. Es wäre kaum jemandem eingefallen, in einem Mann mit so großer moralischer und geistiger Substanz, wie Globke, einen Nationalsozialisten oder auch nur einen Mitläufer zu sehen. […] Selbst wenn er die Verfügung über die Ausbürgerung Willy Brandts abgezeichnet hätte – was könnte dies besagen? Der innere Widerstand gegen ein totalitäres Regime verlangte eben besondere Verhaltensweisen, die man nicht isoliert beurteilen darf.“

Darüber hinaus habe ich innerhalb dieser Sammlungen kein ergiebiges Aktenmaterial gefunden.

c Militärarchiv Freiburg i.Br.

Im Militärarchiv habe ich drei Nachlässe auf Korrespondenzen mit Eschenburg überprüft:

- Nachlass von Theodor Eschenburg sr. (1876-1968) (N 225)

- Nachlass von Hans Meier-Welcker (N 241)

- Nachlass von Friedrich Ruge (N 379)

Der gleichnamige Vater von Theodor Eschenburg war Konteradmiral. Aufschlussreich könnten Korrespondenzen mit seinem Sohn insofern sein, als dieser mehrmals erwähnte, daß es zu erheblichen Konflikten zwischen ihnen gekommen sei. Anlaß für das angespannte Verhältnis seien politische Differenzen gewesen, da Eschenburg im Gegensatz zu seinem Vater der Weimarer Demokratie positiv gegenübergestanden habe. Der nur wenige Akten umfassende Nachlass von Theodor Eschenburg sr. enthält jedoch überwiegend Material, das sich ausschließlich mit Belangen der Marine befasst. Unter den wenigen Privatkorrespondenzen ist kein Briefwechsel mit seinem Sohn vorhanden.

Hans Meier-Welcker (1906-1983) war im Zweiten Weltkrieg Wehrmachtsoffizier und ab 1957 Leiter der Militärgeschichtlichen Forschungsstelle. In seinem Nachlass befindet sich ein Brief von Eschenburg, in dem es um einen Aufsatz von Meier- Welcker über Hans von Seeckt geht, der in den Vierteljahresheften für Zeitgeschichte veröffentlicht werden sollte. Relevante Informationen enthält der Brief nicht.

Auch der Offizier und Vizeadmiral Friedrich Ruge (1894-1985) führte einen Briefwechsel mit Eschenburg. Gegenstand der Korrespondenz waren rechtliche Fragen in Bezug auf den Johanniterorden sowie Fragen zur Spitzengliederung der Bundeswehr. Auch diese Briefe enthalten keine relevanten Informationen.

d Onlinearchiv des Instituts für Zeitgeschichte München

Ausgangspunkt für die Durchsicht des IfZ-Onlinearchivs war eine Datenbankrecherche, die auf Grundlage der Bestände-Übersicht durchgeführt wurde. Folgende (online verfügbare) Akten habe ich durchgesehen:

- Bestand Eugen Ott, Korrespondenzen und Aufzeichnungen zur Zeitgeschichte, insb. zur Rolle des Generals Kurt von Schleicher (Signatur: ZS/A 32, Bd. 12) ® zu Eschenburg S. 54ff Korrespondenzen:

° ein Briefwechsel zwischen Eschenburg und Ott (Gegenstand: Franz von Papen);

° ein Brief von Eschenburg an Pentz (Gegenstand: Kurt von Schleicher; hier auch: kurze Ausführungen über Eschenburgs angespanntes Verhältnis zu seinem Vater)

- Bestand Theodor Eschenburg; Verbände und Vereine, Laupheimer Kreis (Signatur: ZS 3094, Bd.1)

° Brief von Eschenburg an Martin Broszat (Gegenstand: Pressefreiheit, Presse in Deutschland)

° Brief von Eschenburg an Höfner (Gegenstand: Laupheimer Kreis)

Für den Untersuchungsgegenstand konnten aus diesen Akten zwar keine neuen Informationen gewonnen werden. Gleichwohl spiegeln sie Eschenburgs Rolle am Institut für Zeitgeschichte wider. Seine dortige Funktion gewinnt für die hier zu untersuchende Fragestellung dann an Relevanz, wenn man sie unter dem Gesichtspunkt der westdeutschen Zeitgeschichtsschreibung nach 1945 betrachtet, auf deren problematische Inanspruchnahme einer genuinen „Sachlichkeit“ Nicolas Berg in seiner Dissertation hingewiesen hat.

 
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