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8 Zusammenfassung und Ausblick

8.1 Zusammenfassung

Die Organisation der Leitung und Entscheidungsstrukturen von Hochschulen ist im Kontext der aktuellen Transformation des Wissenschaftsund Hochschulsektors ein besonders kontrovers diskutiertes Thema. Es fällt jedoch auf, dass sich die sozialwissenschaftliche Beschäftigung mit Fragen der Leitungsund Verwaltungsorganisation von Hochschulen bislang vor allem auf die formale Organisation der Entscheidungskompetenzen sowie das Entscheidungshandeln von Präsidenten und Rektoren fokussiert hat (Röbken 2006, 2006a; Hüther 2010; Burgi/Gräf 2010; Bogumil et al. 2010; Kleimann 2014). Die Verwaltungsleitung an deutschen Hochschulen ist, abgesehen von einer umfangreichen wissenschaftsrechtlichen Betrachtung (Ludwig 1984; Leuze 1976a; 1993; Epping 1993; Neese 1999; Wallerath 2004; Knauff 2005; Breitbach 2005), bislang kaum Gegenstand sozialwissenschaftlicher Analysen gewesen.

Ausgehend von dieser Forschungslücke stand im Mittelpunkt dieser Arbeit die Frage, wie sich die Stellung und die Funktion der Verwaltungsleitung an deutschen Hochschulen im Kontext der Reorganisation des Hochschulsektors entwickelt haben. Auf der Basis unterschiedlicher Zugänge – einer historischen Beschreibung der Genese der Hochschulverwaltungsleitung (Kap. 5), der Analyse der rechtlichen Vorgaben zur Stellung der Verwaltungsleitung in den LHG von 1971 bis 2013 (Kapitel 6) sowie einer Analyse des Werdegangs und beruflichen Selbstverständnisses von Kanzlern und hauptamtlichen Vizepräsidenten auf der Basis einer Befragung (Kapitel 7) – wurde argumentiert, dass sich vom Kurator der preußischen Kuratorialverwaltung über den Kanzler als Leiter der Einheitsverwaltung bis hin zum Vizepräsidenten als Ressortverantwortlichem für Haushaltsund Wirtschaftsangelegenheiten eine vollständige Integration der Verwaltungsleitung in die Hochschulorganisation vollzogen hat. Dass diese organisatorische Integration auch mit Veränderungen des dienstlichen Status und der gesellschaftspolitischen Erwartungen an das berufliche Profil der Verwaltungsleitung im Sinne eines Hochschulmanagers einer handlungsfähigen Organisation einhergeht, wurde anhand der rechtlichen Vorgaben zur Verwaltungsleitung in den LHG und den Zuschreibungen in den Stellenanzeigen verdeutlicht. Zudem konnte gezeigt werden, dass im Unterschied zur traditionellen juristischen Berufssozialisation der Kanzler jüngere Amtsinhaber wesentlich häufiger einen wirtschaftswissenschaftlichen Studienhintergrund und Berufserfahrungen im Wissenschaftssowie Privatsektor haben. Allerdings übersetzen sich veränderte gesellschaftliche Zuschreibungen und die formalstrukturellen Veränderungen der Verwaltungsleitung nicht gleichermaßen in neue Rollenverständnisse, denn die beruflichen Selbstbeschreibungen der Verwaltungsleitung sind sehr heterogen.

Diese am Beispiel der Verwaltungsleitung analysierten Veränderungen verdeutlichen aus organisationssoziologischer Sicht einen institutionellen Wandel der Hochschulorganisation, in deren Verlauf Hochschulen zunehmend als vollständige oder agenthafte Organisationen gedacht, adressiert und konfiguriert werden (Brunsson/Sahlin-Andersson 2000; Krücken/Meier 2006). Dass sich hinter der theoretischen Figur der Hochschule als Akteur zunächst kein einheitliches formalstrukturelles Modell der Hochschulorganisation, sondern primär eine soziale Konstruktion der beteiligten Akteure im organisationalen Feld der Hochschulen verbirgt, wurde durch die theoretische Herleitung der neoinstitutionalistischen Lesart agenthafter oder vollständiger Organisationen als gesellschaftlicher Konstruktionsprozess herausgearbeitet. Diese Konstruktion von Hochschulen als vollständigen oder agenthaften Organisationen vollzieht sich, so das Resultat der Diskussion, vor allem auf der Basis von Veränderungen normativer sowie kognitiver Institutionen in gesellschaftlichen Zuschreibungen und Selbstverständnissen. Insofern bezieht sich die These der Organisationswerdung von Hochschulen in der neoinstitutionalistischen Lesart primär auf die Konstruktion organisationaler Legitimität.

Um diesen Wandel der Hochschulorganisation zu einer vollständigen Organisation anhand unterschiedlicher institutioneller Zuschreibungen und konfigurativer Praktiken am konkreten Beispiel der Verwaltungsleitung analysieren zu können, wurde zur Unterscheidung alter und neuer institutioneller Elemente auf das Konzept institutioneller Logiken zurückgegriffen. Es wurde argumentiert, dass sich Veränderungen der Hochschulund Verwaltungsleitungsorganisation als Wandel von einer akademisch-bürokratischen Logik der Hochschulverwaltung zu einer post-bürokratischen Logik des Hochschulmanagements verstehen lassen. Um die darauf aufbauende Analyse zu resümieren, wird zunächst noch einmal auf deren Herleitung aus der Diskussion des Forschungsstandes und des theoretischen Zugangs verwiesen, um dann den Gang der Argumentation zusammenfassend darzustellen.

Ausgehend von der Darstellung verschiedener Aspekte der Leitungsund Verwaltungsorganisation in Kapitel 2 erfolgte die Diskussion des Forschungsstandes in zwei Schritten. Zunächst wurden in Kapitel 2.1 die mittlerweile umfangreich vorliegenden Konzepte der Hochschulgovernance-Forschung im Hinblick auf ihren konzeptionellen Bezug zur Leitungsund Verwaltungsorgani sation der Hochschulen erörtert. Es wurde deutlich, dass die formalen Strukturen der Hochschulleitungsund Verwaltungsorganisation in umfassender Weise in distinkte nationale Modelle der Koordinationsstrukturen zwischen Staat und akademischer Profession eingebettet sind. Die sich im deutschen Hochschulsystem seit den 1960er Jahren entwickelnde Konstellation war geprägt durch eine umfassende staatliche Regulierung, eine starke akademische Selbstverwaltung und eine mit vergleichsweise wenigen Entscheidungsrechten ausgestattete Leitungsund Verwaltungsorganisation der Hochschulen (Clark 1983: 159). Die Diskussion der Analysekonzepte zu Hochschulgovernance machte deutlich, dass die Organisationsebene und damit auch die Hochschulund Verwaltungsleitung in den frühen konzeptionellen Beschreibungen von Hochschul-Governance zunächst weitgehend unberücksichtigt blieb.

Dies hat sich mit der Einführung der Reformkonzepte des NPM im Hochschulsektor, dessen Kernelemente auf der Basis der verwaltungswissenschaftlichen Literatur vorgestellt wurden, geändert. So verweist die Einführung der Governance-Dimension „institutionelles Management“ (Braun/Merrien 1999a) bzw. „hierarchische Selbststeuerung“ (De Boer et al. 2007a) in die Konzeptualisierungen von Hochschul-Governance auf die gewachsene Bedeutung, die der Organisationsebene und damit auch der Konfiguration der Leitungsund Verwaltungsorganisation im Kontext der Managementreformen im Hochschulsektor zugeschrieben wird. Zudem ließ sich anhand der Diskussion zu den Analysen von Hochschul-Governance zeigen, dass die seit Mitte der 1990er Jahre in Deutschland durchgeführten Hochschulreformen als ein umfassender Transformationsprozess der Steuerung und Koordination des Hochschulsektors zu begreifen sind. Der Wandel von Hochschul-Governance betrifft dabei sowohl eine veränderte Rolle des Staates und die Einführung wettbewerblicher Steuerungsformen als auch eine erweiterte Organisationsautonomie sowie Veränderungen der Leitungsund Verwaltungsorganisation auf Seiten der Hochschulen. Wandel der Governance-Beziehungen und Organisation im Hochschulsektor wird in den diskutierten Beiträgen jedoch vor allem als Umsetzung und Rekonfiguration von Verfügungsrechten analysiert, wobei NPM als ein übergreifendes „regime“ (Bleiklie/Kogan 2007), „belief system“ (Braun/Merrien 1999a: 10) oder „policy paradigm“ (Gornitzka/Maassen 2000: 269; Lange/Schimank 2007: 525) im Wissenschaftsund Hochschulsektor konzeptualisiert wird. Dieses auf die empirische Umsetzung eines abstrakten NPM-Ideals fokussierte Verständnis von Wandel in den Analysen zur Hochschul-Governance wurde in der Diskussion problematisiert, da damit sowohl die Genese spezifischer Eigenheiten der Hochschulreformen als auch die mit dem Rekurs auf ein Management-Modell verbundenen Adaptionsprozesse nicht umfassend in den Blick genommen werden können.

In einem zweiten Schritt wurde dann in Kapitel 2.2 der Forschungsstand zur institutionellen Governance an Hochschulen erörtert. Hier sind die Beiträge diskutiert worden, die sich dezidiert mit der Struktur und den Veränderungen der Hochschulund Verwaltungsleitungsorganisation im internationalen Kontext und insbesondere in Deutschland beschäftigt haben. Dahingehend wurde die in Deutschland und in einigen kontinentaleuropäischen Hochschulsystemen traditionell etablierte Trennung zwischen akademischer Selbstverwaltung und staatlicher Ressourcenverwaltung verdeutlicht, die im Hinblick auf die Hochschulund Verwaltungsleitung mit einer dualen oder „bicephalischen“ Struktur (Neave 1988) einherging. Zudem wurde anhand der Forschungsbeiträge in der vergleichenden Hochschulforschung ein Überblick zu den unterschiedlichen Aspekten der Reorganisation der Leitungsund Verwaltungsorganisation an Hochschulen im Kontext der Managementreformen gegeben. Es wurde konstatiert, dass – im Unterschied zur mittlerweile breiten Beschäftigung mit den Reorganisationsprozessen der Hochschulleitung und den Handlungsstrategien von Präsidenten und Dekanen – der Bereich der Verwaltungsleitung bislang selten im Fokus von Untersuchungen stand. Dies betrifft vor allem die Funktion des Hochschulkanzlers und die Verwaltungsleitung an deutschen Hochschulen, die, jenseits einer ausführlichen wissenschaftsrechtlichen Diskussion, bislang kaum Gegenstand sozialwissenschaftlicher Analysen gewesen ist.

Zur Entwicklung eines theoretisch-konzeptionellen Analyserahmens in Kapitel 3 hat die Arbeit auf die jüngst in zahlreichen organisationstheoretischen Beiträgen aufgeworfene These von Hochschulen als „vollständige[n]“ (Brunsson/Sahlin-Andersson 2000; De Boer et al. 2007) oder „agenthafte[n]“ Organisationen rekurriert (Ramirez 2006; Krücken/Meier 2006; Meier 2009). Dabei wurde in der Diskussion der Konzepte zunächst verdeutlicht, dass sich hinter der These der Hochschule als handlungsfähiger oder vollständiger Organisation durchaus unterschiedliche theoretische Lesarten verbergen (vgl. Kapitel 3.2). In der hier als konfigurativer Ansatz bezeichneten Lesart wird Organisationswerdung vor allem durch die Übertragung wirtschaftlicher, personeller und organisatorischer Verfügungsrechte auf die Organisation sowie durch eine Umsetzung in einer managerialen Leitungsorganisation gekennzeichnet (Braun 1999; Engwall 2008; Whitley 2008). Die auf neoinstitutionalistische Ansätze rekurrierenden Argumentationen (Krücken/Meier 2006; Brunsson/Sahlin-Andersson 2000; De Boer et al. 2007) hingegen beschreiben Organisationswerdung vor allem als gesellschaftliche Konstruktion und Selbstverständnisse der Hochschule als handlungsfähiger Akteur. Institutioneller Wandel der Hochschulorganisation bezieht sich daher in der neoinstitutionalistischen Sichtweise auf gesellschaftliche Zuschreibungen, die durch politische Diskurse und organisationale Praktiken die Legitimation und das Selbstverständnis der Hochschule als vollständige oder agenthafte Organisation konstituieren.

Einige der in den Beiträgen entwickelten institutionellen Elemente vollständiger oder agenthafter Organisationen – die Etablierung einer als handlungsfähig verstandenen Leitungsorganisation, die Rationalisierung hierarchischer Entscheidungsstrukturen sowie die am Konzept einer managerialen Gesamtorganisation orientierte Rekrutierung von Führungskräften – können dabei forschungsleitend für die Analyse institutionellen Wandels am Beispiel der Verwaltungsleitung sein. Allerdings wurde resümiert, dass die theoretische Figur einer agenthaften oder vollständigen Organisation zwar ein wichtiges Erklärungskonstrukt für institutionellen Wandel darstellt, aber Differenzierungen institutionellen Wandels zwischen alten und neuen Elementen sowie Unterscheidungen zwischen unterschiedlichen Ebenen der Hochschulorganisation lassen sich damit nur unzulänglich erfassen.

Daher griff die detaillierte Analyse institutionellen Wandels der Hochschule am Beispiel der Verwaltungsleitung in dieser Arbeit zusätzlich auf das Konzept institutioneller Logiken (Friedland/Alford 1991; Thornton et al. 2012) aus der neoinstitutionalistischen Organisationsforschung zurück, dessen zentrale Annahmen und Anwendungen in den Kapiteln 3.3.1-3.3.2 dargelegt wurden. Institutionelle Logiken, so die an den diskutierten Beiträgen orientierte Arbeitsdefinition, fungieren als organisationsfeldspezifische Ordnungsprinzipien und kognitiver Orientierungsrahmen, mit denen die handelnden Akteure Legitimität für die Gestaltung und Praxis von Organisationen konstruieren. Am Beispiel der Verwaltungsleitung, so das Zwischenfazit, kann institutioneller Wandel der Hochschulorganisation daher als Übergang von einer akademisch-bürokratischen Logik der Hochschulverwaltung zu einer post-bürokratischen Logik des Hochschulmanagements verstanden wurden.

Zur Differenzierung dieser institutionellen Logiken der Hochschulorganisation wurden im Kapitel 3.3.3 aus den charakteristischen Merkmalen der Verwaltungsleitung an deutschen Hochschulen (vgl. den Forschungsstand in Kapitel 2) sowie aus den Zuschreibungen an die Hochschulen als agenthaften Organisationen (vgl. die neoinstitutionalistischen Beiträge in Kapitel 3.2) strukturelle Elemente für institutionelle Logiken der Hochschulverwaltung und des Hochschulmanagements entwickelt, die als Forschungsheuristik der eigenen Analyse zu Grunde gelegt wurde. Diese Elemente wurden in Kapitel 5-7 auf drei unterschiedlichen Ebenen analysiert:

1. Historische Entwicklung der Verwaltungsleitung

2. Formale Stellung der Verwaltungsleitung

3. Berufliches Profil der Verwaltungsleitung

In einem ersten Schritt der Analyse skizzierte das Kapitel 5 in Form eines Überblicks historische Entwicklungsschritte der Leitungsund Verwaltungsorganisation. Dabei zeigte sich, dass sich die Stellung der Verwaltungsleitung im historischen Verlauf vor allem daran orientierte, welcher organisatorische Status der Hochschule zugeschrieben wurde und was überhaupt als Verwaltung der Hochschule angesehen wurde. So ergab sich die Notwendigkeit einer eigenständigen Verwaltungsorganisation der Hochschule erst im Kontext der zunehmenden Ausdifferenzierung der Wissenschaft, der gewachsenen materiellen Notwendigkeiten komplexer Forschungsapparate sowie einer sich für den Ausbau der Hochschulen dezidiert einsetzenden staatlichen Hochschulpolitik, wie sie sich zunächst in den preußischen Gebieten zu Beginn des 19. Jahrhunderts etablierte. Das Amt des Kurators, dem als Vertreter des Ministers die Aufsicht über die Ressourcenangelegenheiten und die Leitung der Verwaltung der Hochschule oblag, war dabei außerhalb der Hochschule verortet.

Die Auflösung dieser Trennung von Ressourcenverwaltung und akademischen Angelegenheiten erfolgte erst im Zuge des Neuanfangs der Hochschulentwicklung in der Nachkriegszeit mit der Etablierung der Kanzlerverfassung, bei der der Kanzler als Leiter der Einheitsverwaltung nunmehr als Teil der Hochschulorganisation agierte. Dabei blieb die Unterscheidung zwischen akademischen Angelegenheiten und staatlicher Ressourcenverwaltung bestehen, beides sollte jedoch nunmehr in einer Einheitsverwaltung gebündelt werden. Die damit verbundene Spannung zwischen akademischen Angelegenheiten und Ressourcenverwaltung war der Verwaltungsorganisation in dieser Phase inhärent und wurde daher als akademisch-bürokratische Logik der Hochschulverwaltung beschrieben. Dabei fungierte die zentrale Hochschulverwaltung angesichts einer umfassenden Regulierung des Staates und der durch die kollegialen Hochschulgremien bestimmten Entscheidungsprozesse in erster Linie als Vollzugsverwaltung. Der Kanzler als Leiter der zentralen Hochschulverwaltung war in diesem Modell sowohl ein durch den Staat ernannter Beauftragter als auch ein Vertreter und Vermittler der Hochschule gegenüber dem Ministerium.

Übergreifend wurde mit Blick auf die historische Entwicklung festgestellt, dass die Verfestigung einer gesamtorganisatorischen Leitungsverfassung der Hochschule, beginnend mit der Rektorenverfassung bis hin zur Präsidentenverfassung und der Einheitsverwaltung auch als selbstverstandene Abwehr der akademischen Körperschaft gegenüber einem umfassenden Steuerungsanspruch der staatlichen Träger angesehen werden kann. Die Koevolution einer über weite Strecken der historischen Entwicklung für das deutsche Hochschulwesen charakteristischen dualen Struktur von Hochschulleitung und Verwaltungsleitung beruhte insofern auf dem gesellschaftspolitischen und organisatorischen Selbstverständnis, dass die Hochschule weder als eine bürokratische Organisation noch als eine typische Mitgliedschaftsorganisation zu verstehen ist.

In einem zweiten Schritt der Analyse untersuchte das Kapitel 6 auf der Basis einer Dokumentenanalyse der Landeshochschulgesetze von 1970 bis 2013 die Vorgaben zur Verwaltungsleitung und zu deren organisatorischer Stellung und dienstlichem Status. Kapitel 6.2 zeigte, dass sich seit den 1970er Jahren eine Entwicklung konstatieren lässt, bei der es ausgehend von einer Dominanz der monokratischen Rektoratsverfassung spätestens seit der Gesetzgebungsphase 1991-2000 sukzessive zur Übernahme einer kollegialen Präsidialverfassung im deutschen Hochschulsektor gekommen ist. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sehen nur noch die LHG in Bremen und in Sachsen zwingend einen Rektor an der Spitze der Hochschule vor und vier LHG (Baden-Württemberg; MecklenburgVorpommern; Sachsen-Anhalt und Thüringen) bieten eine Wahlmöglichkeit zwischen Präsidentenund Rektorenverfassung.

Mit diesem Wandel der formalen Vorgaben hin zur kollegialen Präsidialverfassung sind hinsichtlich der Verwaltungsleitung zwei grundlegende Veränderungen der Zuschreibungen verbunden, die auf die Dominanz der Elemente einer post-bürokratischen Logik des Hochschulmanagements hindeuten. Erstens ist im Falle des nunmehr die Hochschulgesetzgebung dominierenden kollegialen Hochschulleitungsmodells die Verwaltungsleitung zwingend deren Mitglied. Im Unterschied zum preußischen Kuratorialsystem und der diffusen Konstellation der Rektor-Kanzlerverfassung ist formal eine vollständige Integration der Verwaltungsleitung in die gesamtorganisatorische Leitungsstruktur der Hochschule erfolgt. Zweitens impliziert die nunmehr kollegiale Präsidialverfassung als dominantes Leitungsmodell der Hochschulen eine Verantwortung des Präsidenten für die Gesamtorganisation und damit auch für die Hochschulverwaltung.

Die institutionelle Leitung der Verwaltung wird dem Kanzler oder hauptamtlichen Vizepräsidenten dabei im Modus der Delegation übertragen. Dabei sehen die LHG sehr unterschiedliche Formen der Delegation und Zusammenarbeit zwischen Präsident und Kanzler vor. Im Unterschied zu dem durch eine eher diffuse Kompetenzverteilung charakterisierten Dreiecksverhältnis zwischen Präsident – Verwaltungsleitung – Ministerium ist im Falle der kollegialen Präsidialverfassung durch das Ressortprinzip und die damit verbundene Geschäftsbereichsverteilung auf der Organisationsebene nun eine flexiblere und nach Verantwortlichkeiten orientierte Aufteilung der Leitung etabliert worden. Diese komplexe und von externen oder internationalen Beobachtern bisweilen als diffus empfundene Konstruktion der dualen Hochschulleitung und -verwaltung (Meusel 1978) wird zunehmend durch eine gesellschaftlich legitimierte Vorstellung einer rationalisierten Organisationsstruktur mit klaren Grenzen und formalisierten Verantwortlichkeiten abgelöst.

Allerdings bedeutet dies nicht unbedingt eine Hierarchisierung der Entscheidungsstruktur. So wurde anhand der Bestimmungen zur Bindung bzw. Unabhängigkeit der Verwaltungsleitung gegenüber der Hochschulleitung deutlich, dass spätestens in der Gesetzgebungsphase 2001-2013 solche Vorgaben getilgt wurden, die eine explizite Bindung der Verwaltungsleitung an die Einzelfallentscheidungen des Präsidenten bzw. Rektors beinhalteten. Anders als in den Gesetzgebungsphasen von 1970-2000 sehen die meisten LHG nunmehr eine Richtlinienkompetenz der Hochschulleitung gegenüber der Verwaltungsleitung bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben vor. Zudem obliegt der Verwaltungsleitung in ihrer Funktion als Haushaltsbeauftragter in den meisten LHG nach wie vor ein starkes Vetorecht gegen die Entscheidungen der Leitung. Darüber hinaus fungiert nach den Vorgaben in sieben LHG das Ministerium bzw. der Minister weiterhin als Dienstvorgesetzter der Verwaltungsleitung. Diese Aspekte lassen sich als Aufrechterhaltung der Elemente einer akademisch-bürokratischen Logik der Hochschulverwaltung verstehen.

Im Hinblick auf den dienstlichen Status der Verwaltungsleitung verdeutlichte Kapitel 6.3, dass es im Unterschied zur überwiegend unbefristeten Amtsstellung des Kanzlers als eines Beamten auf Lebenszeit nach der bürokratischakademischen Logik der Hochschulverwaltung spätestens mit der Gesetzgebungsphase 1998-2012 in nahezu allen LHG mit Ausnahme Bayerns und MecklenburgVorpommerns zu einer Befristung des Amtes der Verwaltungsleitung gekommen ist. Parallel dazu ist auch eine Veränderung bei den Vorgaben zur Besoldungsgrundlage zu beobachten, weg von der Beamtenlaufbahn hin zu anderen Dienstverhältnissen. Dass von dieser formalen Möglichkeit im Feld mittlerweile umfassend Gebrauch gemacht wird, zeigt die Analyse der Stellenanzeigen. 2008 wurde nur noch bei einem Drittel der ausgeschriebenen Positionen für die Verwaltungsleitung an staatlichen Hochschulen das Anstellungsverhältnis in den ursprünglich üblichen Beamtenbesoldungsgruppen A und B anvisiert. Dabei zeigte sich, dass vor allem seit 2004 eine Eingruppierung der Stelle des Kanzlers oder hauptamtlichen Vizepräsidenten in die ursprünglich für die akademische Laufbahn der Professoren vorgesehene W-Besoldung sehr häufig geworden ist.

Im Hinblick auf den institutionellen Wandel der Hochschulorganisation lässt sich die Einführung der Befristung ebenso wie die Anwendung neuer Besoldungsstrukturen für die Verwaltungsleitung als ein Indiz für den Übergang zu einer post-bürokratischen Logik des Hochschulmanagements verstehen. Dabei dominiert offensichtlich das Bemühen, Leitungspositionen der Hochschule aus dem spezifisch staatlichen Kontext des Berufsbeamtentums herauszulösen und an die leistungsbezogene Besoldung der akademischen Profession als Referenzgruppe der (Hochschul-)Organisation anzupassen. Hochschulen als agenthafte oder vollständige Organisationen, so könnte man als Legitimation unterstellen, sollen damit auch über eine abhängig vom Erfolg bezahlbare bzw. abwählbare Verwaltungsleitung verfügen.

Die in Kapitel 6.3 analysierten Vorgaben zur Rekrutierung der Verwaltungsleitung weisen, ungeachtet der erläuterten Differenzierungen, auf eine Stärkung der Mitwirkungsrechte der Organisation und ihrer Organe bei der Auswahl und Ernennung des Kanzlers oder hauptamtlichen Vizepräsidenten hin.

Während in den Gesetzgebungsphasen 1971-2000 den Ministerien in einigen Bundesländern bei der Auswahl ein Vorschlagsrecht eingeräumt wurde, liegt das Vorschlagsrecht gemäß den Vorgaben der LHG seit der Gesetzesphase 20012013 mittlerweile ausschließlich bei den Organen der Hochschule. In vielen LHG ist dabei der Hochschulrat bzw. das Kuratorium als Akteur mit Mitwirkungsrechten bei der Auswahl der Verwaltungsleitung vorgesehen. Auch die Ernennung bzw. Bestellung der Verwaltungsleitung erfolgt in einigen LHG seit der Gesetzgebungsphase 2001-2013 nunmehr nicht durch das Ministerium, sondern durch die Hochschulleitung. Damit wird deutlich, dass die Rekrutierung der Verwaltungsleitung in vielen Bundesländern nun nicht mehr in einem umfassenden Aushandlungsprozess zwischen Ministerium und Hochschule erfolgt, sondern sich zunehmend an den Eigeninteressen der Organisation orientiert. Dies kann als ein Indiz für einen Rekurs auf Elemente einer post-bürokratische Logik angesehen werden.

In einem letzten Schritt der Analyse wurde in Kapitel 7 das berufliche Profil der Verwaltungsleitung in den Blick genommen. Im Hinblick auf das berufliche Profil der Verwaltungsleitung haben die Ergebnisse der sekundäranalytischen Auswertung der deutschlandweiten Befragung von Kanzlern und hauptamtlichen Vizepräsidenten gezeigt, dass das Tätigkeitsprofil sowie das berufliche Selbstverständnis der Verwaltungsleitung zum gegenwärtigen Zeitpunkt nach wie vor durch beide Logiken der Hochschulverwaltung und des Hochschulmanagements geprägt ist.

Es wurde im Unterschied zum früheren Juristenmonopol, das vor allem aus den rechtlichen Vorgaben in vielen LHG hinsichtlich der Befähigung zum Richteramt als qualifikatorischer Voraussetzung resultierte, mittlerweile eine Pluralisierung der Studienhintergründe der Kanzler und ein deutlich höherer Anteil von Kanzlern und hauptamtlichen Vizepräsidenten mit einem wirtschaftswissenschaftlichen Studienund Berufshintergrund konstatiert (vgl. Kapitel 7.3). So finden sich unter den später rekrutierten und jüngeren Kanzlern und Vizepräsidenten wesentlich mehr Befragte, die über einen wirtschaftswissenschaftlichen Studienhintergrund verfügen. Zudem sind Berufserfahrungen in unterschiedlichen Bereichen, und hier besonders im privatwirtschaftlichen Sektor, zunehmend üblicher für die Berufsbiographien jener Kanzler und hauptamtlichen Vizepräsidenten, die zum Befragungszeitpunkt erst seit kurzem ihr Amt wahrnahmen. Der Rekurs auf Elemente einer post-bürokratischen Logik des Hochschulmanagements wird zudem auch am Tätigkeitsprofil deutlich, das in starkem Maße auf die Aufgaben der Finanzverwaltung und Mittelverteilung fokussiert ist. Dies deutet auf Elemente einer post-bürokratischen Logik des Hochschulmanagements hin. Zugleich zeigte sich aber anhand der Befragungsergebnisse, dass der berufliche Werdegang der Kanzler und hauptamtlichen Vizepräsidenten durch eine deutliche Affinität zum Hochschulund Wissenschaftssektor gekennzeichnet ist. So verfügt die große Mehrheit der Universitätskanzler über vorherige Berufserfahrung in der Wissenschaftsund Hochschulverwaltung anderer Einrichtungen. Von einer Dominanz organisationsfeld-fremder Hochschulmanager auf der Position der Verwaltungsleitung an deutschen Hochschulen kann daher bislang kaum die Rede sein.

Die Ergebnisse zum beruflichen Selbstverständnis in Kapitel 7.5 verweisen auf eine Ambivalenz und Heterogenität beruflicher Rollen bei den jeweiligen Verwaltungsleitern. So konnte anhand der Sekundäranalyse der Befragungsitems gezeigt werden, dass sich übergreifend sowohl ein Einstellungstyp herausarbeiten lässt, der auf eine post-bürokratische Logik des Hochschulmanagements rekurriert, als auch ein dominanter Einstellungstyp, der auf eine bürokratischakademische Logik der Hochschulverwaltung bezogen werden kann. Insofern korrespondiert die in Kapitel 6 aufgezeigte manageriale Rekonfiguration des Amts der Verwaltungsleitung keineswegs übergreifend mit einem ausschließlich an den Elementen einer post-bürokratischen Logik orientierten beruflichen Selbstverständnis der befragten Kanzler und hauptamtlichen Vizepräsidenten. Vielmehr ist ein Nebeneinander unterschiedlicher bisweilen konfligierender Einstellungen zu konstatieren.

Der am Beispiel der Verwaltungsleitung analysierte Wandel von einer akademisch-bürokratischen Logik der Hochschulverwaltung zu einer postbürokratischen Logik des Hochschulmanagements macht deutlich, dass institutioneller Wandel der Hochschulorganisation sehr viel komplexer und historisch längerfristiger angelegt ist als die enge Fokussierung auf die Umsetzung von NPM-Reformen im Hochschulsektor oftmals suggeriert (Bogumil/Heinze 2009; Kamm/Köller 2010). Vielmehr zeigen die Veränderungen der Stellung und Organisation der Verwaltungsleitung an deutschen Hochschulen, die seit dem Neubeginn der Hochschulentwicklung in den 1960er/1970er Jahren schon vehement diskutiert wurde (Meusel 1978), dass gegenwärtige Veränderungen vor allem auch Antworten auf längerfristige Problematisierungen sind.

 
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