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Von der Hochschulverwaltung zum Hochschulmanagement
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6.2 Stellung der Verwaltungsleitung in der HochschulorganisationDie Stellung der Verwaltungsleitung innerhalb der Hochschulorganisation lässt sich anhand unterschiedlicher Aspekte analysieren (Schuster 1996: 851ff.; Ludwig 1984; Epping 1993; Horst/Neyses 2007). Die folgenden Betrachtungen der gesetzlichen Vorgaben in den LHG fokussieren auf drei Aspekte: die Einbindung in die Hochschulleitung, das Verhältnis zwischen Verwaltungsleitung und Hochschulleitung im Hinblick auf die institutionelle Leitung der zentralen Verwaltung sowie auf die Funktion des Kanzlers als Haushaltsbeauftragter. 6.2.1 Hochschulleitungsverfassung und VerwaltungsleitungGrundsätzlich war es dem Landesgesetzgeber überlassen, im Rahmen der LHG aus je zwei Grundtypen bzw. vier Modellen zu wählen, die sich aus den Vorgaben des § 62 Abs. 2 HRG in der Fassung von 1985 ergaben (Thieme 1996: 832) [1]: 1. monokratische Präsidentenverfassung mit einem hauptamtlichen Präsidenten 2. kollegiale Präsidialverfassung bestehend aus einem hauptberuflich tätigen Präsidenten, weiteren nebenamtlichen Vizepräsidenten sowie dem leitenden Verwaltungsbeamten mit oder ohne Stimmrecht 3. monokratische Rektorenverfassung mit einem hauptamtlichen Rektor 4. kollegiale Rektoratsverfassung mit einem hauptoder nebenamtlichen Rektor und nebenamtlichen Vizerektoren sowie dem leitenden Verwaltungsbeamten mit oder ohne Stimmrecht in der Hochschulleitung Anders als in der traditionellen Rektorenverfassung wurde insofern unabhängig vom Leitungsmodell eine Hauptberuflichkeit des Leiters festgelegt: eine mindestens zweijährige Amtszeit für den Rektor und eine mindestens vierjährige Amtszeit für den Präsidenten. Im Falle eines Leitungsgremiums mit mehreren Mitgliedern und einem Präsidenten oder Rektor an der Spitze war der „leitende Verwaltungsbeamte“ grundsätzlich als Mitglied der Hochschulleitung vorzusehen. Welche Stellung dem „leitenden Verwaltungsbeamten“ in der Hochschullei tung zukam und wie er organisationsrechtlich seine Funktion als Verwaltungsleitung wahrnehmen sollte, wurde im HRG nicht ausdrücklich vorgeschrieben. Demnach oblag es den LHG, die – mit Ausnahme von Hamburg – in ihren auf die Verabschiedung des HRGs 1976 folgenden LHG sämtlich einen Kanzler als Verwaltungsleitung bestimmten. In den LHG in Bayern, Berlin, Hessen, Rheinland-Pfalz, dem Saarland, Schleswig-Holstein und später auch in Hamburg wurde die Präsidentenbzw. Präsidialverfassung als einziges Leitungsmodell eingeführt. Bremen und Nordrhein-Westfalen schrieben ihren Hochschulen von Anfang an einen Rektor als Hochschulleiter vor. An der Entwicklung in den vier Gesetzesphasen von 19712013 wird deutlich, dass in den Gesetzesphasen 1981-1990 und 1991-2000 ein Nebeneinander von Präsidentenund Rektorenmodell im deutschen Hochschulsektor bestand, bei dem viele LHG den Hochschulen grundsätzlich mehrere Leitungsmodelle zur Wahl stellten (vgl. Tabelle 4). In einigen LHG ist die Rektorenoder Rektoratsverfassung im Gesetzestext als zweites Optionsmodell zur Auswahl und für Fachhochschulen oftmals zwingend vorgegeben (Thieme 1996: 831). Diese heterogene Situation änderte sich jedoch mit der letzten Gesetzgebungsphase 2000-2013 im Nachgang der 4. Novelle des HRG von 1998. Dabei ist es im Zeitverlauf weitestgehend zu einer Abschaffung der Leitungsverfassung mit einem Rektor gekommen. Mittlerweile wird in 13 Bundesländern die Präsidentenoder Präsidialverfassung durch das LHG vorgeschrieben. Tabelle 4: Leitungsverfassung in den LHG
Die Darstellung führt jeweils alle durch das LHG rechtlich möglichen Leitungsmodelle auf: Rekt = Rektor; Rkrat = Rektorat; Präs = Präsident; Präsi = Präsidium Obwohl argumentiert wird, dass es aufgrund der Angleichung und Vermischung bei den rechtlichen Vorgaben zwischen Präsidialund Rektoratsverfassung zunehmend unerheblich ist, welche Bezeichnung letztlich gewählt wird (Schuster 1996: 857; Knauff 2005: 220), verbindet sich mit der präsidialen Leitungsverfasssung die Idee einer stärker gesamtorganisatorisch agierenden Hochschulleitung, bei der die Hochschulverwaltung und die Verwaltungsleitung beide der Hochschulleitung unterstellt sind. Auch die Besetzung durch einen nicht in der Wissenschaft, sondern in Politik oder Wirtschaft erfahrenen Leiter ist dadurch mittlerweile an allen Hochschulen möglich, obschon bislang selten davon Gebrauch gemacht wurde (Röbken 2006a). Somit charakterisiert diese Tendenz zum Präsidenten als Spitze der Hochschule auch eine veränderte institutionelle Einbettung der Organisation und die symbolischen Zuschreibungen bzw. Erwartungen an ihre Leitung. Dabei verliert die Hochschule mit der Abschaffung des Rektorenamtes eine historisch gewachsene und für Bildungsund Wissenschaftseinrichtungen durchaus spezifische Referenz ihrer Leitungsorganisation. Im Unterschied zum aus der Mitte der Organisationsmitglieder gewählten Rektor als Repräsentanten der akademischen Korporation verbindet sich mit dem Präsidenten eine für die Gesamtorganisation verantwortliche, möglicherweise auch von außen rekrutierte Leitungspersönlichkeit. Die spezifisch mit dem institutionellen Kontext der Wissenschaft verbundene Bezeichnung der Leitung als Rektor wird mit dem Präsidenten auch nach außen sichtbar stärker auf einen allgemeinen Organisationskontext bezogen. Unabhängig von der Unterscheidung zwischen der Rektorenund der Präsidentenverfassung lässt sich eine vermutlich weitaus wichtigere Veränderung der rechtlichen Vorgaben für die Leitungsverfassung im Hinblick auf die Entwicklung von einer monokratischen zu einer kollegialen Hochschulleitung im Zeitverlauf kennzeichnen. Während die LHG in den Phasen 1971-1980 und 1981-1990 überwiegend eine monokratische Hochschulleitung mit einem Rektor oder Präsidenten als alleinige Spitze der Hochschule vorsahen, zeigt sich ab der Gesetzgebungsphase 1991-1998 ein deutlicher Wandel zu einer kollegialen Hochschulleitung mit mehreren Vizerektoren oder -präsidenten (vgl. Tabelle 5). Mittlerweile schreiben in der letzten Gesetzgebungsphase 2000-2013 nur noch drei von 16 LHG eine monokratische Hochschulleitung, hingegen acht LHG das Modell einer kollegialen Hochschulleitung vor. Damit ist die Verwaltungsleitung den formalen Festlegungen zur kollegialen Hochschulleitung folgend in den meisten LHG Mitglied der Hochschulleitung. Während das Modell der monokratischen Hochschulverfassung die „Bündelung der Leitungskompetenzen in der Person des Rektors oder Präsidenten“ vorsieht (Epping 1993: 164; Wallerath 2004: 209), werden beim Modell der kollegialen Hochschulleitung wichtige Leitungsfunktionen teilweise „von einem mit gesetzlicher Organstellung ausgestatteten Leitungsgremium wahrgenommen“ (Schuster 1996: 849-850) [2]. Je nach Gesetzeslage, Grundordnung und Geschäftsverteilung der Hochschule werden dahingehend für einzelne Bereiche der Hochschulleitung ressortgebundene Verantwortlichkeiten bzw. ständige Vertretungen festgelegt. Dabei können aufgrund der stark divergierenden Bestimmungen zur kollegialen Hochschulleitung und der Festlegung der Geschäftsordnung auf der institutionellen Ebene der Hochschulen durchaus unterschiedliche Formen der „Kollegialität“ resultieren (Thieme 1996: 833; Neese 1999: 15; Knauff 2008). Tabelle 5: Leitungsverfassung in den LHG nach Bundesländern
HL = Hochschulleitung; VL = Verwaltungsleitung (Kanzler oder hauptamtlicher Vizepräsident) Allerdings gehen mit der Leitungsverfassung trotz der „kollegialen“ Bezeichnung durchaus auch hierarchische Entscheidungsund Organisationsstrukturen einher. Auch beim kollegialen Leitungsmodell sind dem Präsident oder Rektor als Vorsitzendem des Leitungsgremiums zentrale Leitungsfunktionen vorbehalten (Schuster 1982: 289). Zudem wurden parallel zur länderübergreifenden Einführung der Präsidialverfassung in den LHG seit 1998 den Hochschulen erweiterte Kompetenzen für Finanz-, Personalund Sachentscheidungen übertragen, was insbesondere die Hochschulleitung in ihrer Funktion als Entscheidungsorgan stärkte (Hüther 2010; 332ff.; Sandberger 2011). Diese Entwicklung hin zu einer kollegialen Leitungsverfassung in den meisten LHG impliziert insofern zum einen eine mit Entscheidungsverantwortung gegenüber der Gesamtorganisation konfigurierte Hochschulleitung, zum anderen eine nunmehr vollständige Integration der Verwaltungsleitung als „Organteil“ (Wallerath 2004: 211) in die Hochschulleitung. Damit ist auch das mögliche institutionelle Nebeneinander von Hochschulleitung und Verwaltungsleitung und die vermutete Sonderstellung der Verwaltungsleitung als „Fremdkörper“ in der Hochschule (Bebber 2006) oder „Grenzgänger“ (Wallerath 2004: 218) aus formaler Sicht kaum mehr gerechtfertigt. Dies wird nicht zuletzt auch an der Verwendung der Funktionstitel deutlich. Anstatt der früheren Bezeichnungen „leitender Verwaltungsbeamter“ oder „Kanzler“ dient in den LHG von BadenWürttemberg, Niedersachsen, NRW und dem Saarland mittlerweile „hauptamtlicher Vizepräsident für…“ als Funktionsbezeichnung für die Verwaltungsleitung. Die Verwaltungsleitung der Hochschule soll demnach als „nichtwissenschaftlicher Vizepräsident“ mit definiertem Aufgabenbereich (Knauff 2005: 233) auch nach außen sichtbar als zentrales, in die Hochschulleitung umfassend einbezogenes Mitglied fungieren. Die Betrachtung im Zeitverlauf verdeutlicht, dass es – ungeachtet der zahlreichen Unterschiede in den Detailbestimmungen in vielen LHG – in einigen Bundesländern offensichtlich schon seit Beginn der Landeshochschulgesetzgebung eine gewisse Pfadabhängigkeit bei der Festlegung für ein bestimmtes Modell der Leitungsverfassung gegeben hat (vgl. Tabelle 6). So präferieren die LHG von Bremen, NRW und den neuen Bundesländern das Rektorenmodell. Die Bundesländer Berlin, Hessen, Rheinland-Pfalz sowie das Saarland sahen hingegen in ihren LHG schon immer die Präsidentenoder Präsidialverfassung für die Leitung der Universitäten vor (vgl. Tabelle 6). Zugleich haben sich offensichtlich einige Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen hochschulpolitisch schon seit der ersten Gesetzgebungsphase 1971-1980 auf eine kollegiale Hochschulleitung festgelegt. Nicht zuletzt angesichts dieser heterogenen Präferenzen wird der länderübergreifende Schwenk zur formalen Vorgabe einer kollegialen Präsidiumsverfassung im Kontext der jüngsten Gesetzgebungsphase besonders deutlich. Die Vorstellung von einer starken, gesamtorganisatorischen Leitung der Hochschule und die vollständige Integration der Verwaltungsleitung, wie sie in den oben angeführten wissenschaftspolitischen Stellungnahmen schon seit den Anfängen der bundesdeutschen Hochschulpolitik der 1950er und 1960er Jahre postuliert wurden, sind insofern erst in der letzten Dekade in der Hochschulgesetzgebung – wenn auch in abgewandelter Form – zur Realität geworden. Tabelle 6: Hochschulleitungsverfassung und Verwaltungsleitung in den LHG
HL = Hochschulleitung; VL = Verwaltungsleitung (leitender Verwaltungsbeamter, Kanzler oder hauptamtlicher Vizepräsident); Anzahl Vize = maximal mögliche Anzahl an Vizerektoren und -präsidenten (ohne Verwaltungsleitung = Kanzler o. hauptamtlicher Vizepräsident für...) Mono = Monokratische Leitungsverfassung; Kolleg = Kollegiale Hochschulverfassung; Kann = im Falle einer kollegialen Leitung kann Verwaltungsleitung Mitglied der HL sein; ja = Verwaltungsleitung ist per Gesetz Mitglied der Hochschulleitung; K.V. = keine Vorgaben Zudem lässt sich seit der Gesetzgebungsphase 2000-2013 länderübergreifend durch die Einbindung zusätzlicher Vizepräsidenten oder -rektoren ein Ausbau der Hochschulleitung und im Zuge dessen eine Verteilung bzw. Differenzierung von Verantwortlichkeiten innerhalb der Hochschulleitung konstatieren (vgl. Tabelle 6). Während in den Gesetzgebungsphasen 1971-1980 sowie 1981-1990 die meisten LHG eine maximale Anzahl von zwei zusätzlichen Vizepräsidenten bzw. -rektoren vorsahen, ermöglichen die LHG spätestens ab der Gesetzesphase 1999-2012 zumeist drei bis vier und mehr zusätzliche Mitglieder in der Hochschulleitung. Mit diesem Ausbau der Hochschulleitung und der Einführung des Ressortprinzips, wie es seit der Gesetzgebungsphase 2000 in einigen LHG der Fall ist [3], verändert sich auch die Stellung der Verwaltungsleitung. Denn das Ressortprinzip beinhaltet eine explizite Regelung, wonach die Leitungsmitglieder jeweils für einen bestimmten Geschäftsbereich selbstständig Leitungsverantwortung wahrnehmen. Ungeachtet der unterschiedlichen Vorgaben zum „Ressortprinzip“ (Knauff 2008) in den LHG im Hinblick auf eine damit verbundene Übertragung von Personalund Organisationsverantwortung für die Mitglieder der Hochschulleitung erhöht sich in einer solchen Konstellation einer erweiterten Hochschulleitung auch die Komplexität von Entscheidungsund Abstimmungsprozessen (Horst/Neyses 2007: 437). Zugleich implizieren die Integration in die kollegiale Hochschulleitung und das Hinzukommen weiterer Mitglieder zur Hochschulleitung auch stärkere Abhängigkeiten unter deren Mitgliedern und gegenüber dem zumeist mit einer Richtlinienkompetenz ausgestatteten Präsidenten oder Rektor als Vorsitzendem der Hochschulleitung. Zusammenfassend wird hinsichtlich der Entwicklung der Stellung der Verwaltungsleitung in der Verfassung der Hochschulleitung deutlich, dass die Veränderungen der rechtlichen Vorgaben in den LHG für die Hochschulleitung durch die Abschaffung der monokratischen Leitungsverfassung und die Einführung des Kollegialbzw. Ressortprinzips spätestens seit der Gesetzgebungsphase 2000-2013 eine stärker integrierte und auf Rationalisierung von Verantwortung abstellende Form angenommen haben. Akademische und administrative Angelegenheiten der Hochschulverwaltungsleitung sind insofern auf der Leitungsebene in umfassender Weise zusammengeführt. Zeitgleich erwächst aus der generellen Stärkung der Kompetenzen der Hochschulleitung für Personalund Sachentscheidungen, wie sie für die seit 1998 novellierten LHG konstatiert wurde (Hüther 2010; Sandberger 2011), auch ein deutlich komplexeres Aufgabenfeld für die Hochschulleitung. Dabei steht hinsichtlich der Hochschulleitung nicht mehr die Frage im Mittelpunkt, inwieweit der Verwaltungsleitung eine Sonderstellung im Hinblick auf die Hochschulverwaltung und die Gesamtorganisation zukommt, sondern wie das Zusammenspiel im Hinblick auf Aufgaben und Verantwortlichkeiten innerhalb der Hochschulleitung gestaltet wird. Diese Stärkung und Differenzierung von Leitungsaufgaben bei gleichzeitiger Rationalisierung der Organisationsgrenzen nach außen impliziert die binnenorganisatorische Auflösung des für die akademisch-bürokratischen Logik beschriebenen Nebeneinanders von akademischen und bürokratischen Bereichen der Hochschulorganisation.
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