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2.1.2 NPM und Hochschul-Governance im Wandel

Neuere Konzeptualisierungen zur Governance von Hochschulen erweitern die oben vorgestellten Ansätze der Hochschul-Governance und integrieren weitere Governance-Dimensionen bzw. Governance-Modi, um die Modernisierungspolitik in den Hochschulsystemen analysierbar und international vergleichbar zu machen (Braun/Merrien 1999a; Lange/Schimank 2007; De Boer et al. 2007a; Ferlie et al. 2008; Paradeise et al. 2009). Ausgangspunkt der meisten Beiträge ist die Feststellung eines grundsätzlichen Wandels des Steuerungsverständnisses der Governance von Hochschulen unter Bezug auf die Reformkonzepte des New Public Management (NPM) bzw. „Neuen Steuerungsmodells“ (NSM) [1] im öffentlichen Sektor in den OECD-Ländern spätestens seit Anfang der 1990er Jahre (Schedler/Proeller 2000).

NPM als Paradigma der Verwaltungsmodernisierung

Aus den zunächst im Kontext der Reformen in den anglo-amerikanischen Ländern entwickelten politischen Leitideen des NPM [2] in den 1980er Jahren sind bisweilen heterogene Prinzipien für die seit den 1990er Jahren auch in vielen anderen OECD-Ländern einsetzenden Reformen des öffentlichen Sektors hervorgegangen (Osborne/Gaebler 1992; Pollitt/Bouckaert 2000: 137). Nachdem vorerst die Bereiche der kommunalen Verwaltung und der Gesundheitssektor zentrale Anwendungsund Umsetzungsgebiete gewesen sind, ist das NPM auch in vielen anderen Bereichen des öffentlichen Sektors zur „Reform-Maxime“ avanciert; so auch spätestens seit den 1990er Jahren im deutschen Bildungsund Wissenschaftssektor. Übergeordnetes Ziel dieser Modernisierungspolitik ist es, durch die Übertragung von Steuerungselementen, Organisationsprinzipien und Managementinstrumenten aus der Privatwirtschaft, die Wirtschaftlichkeit, Effektivität und Bürgernähe staatlicher und öffentlich finanzierter Einrichtungen zu verbessern.

Theoretisch rekurrieren sowohl die Konzeptualisierung des NPM als auch die Analysen zu dessen Umsetzung auf unterschiedliche Ansätze in der neuen Institutionen-Ökonomie wie die Public Choice Theorie, den Prinzipal-Agenten Ansatz oder den Transaktionskostenansatz (Schröter/Wollmann 2005: 63ff.). Es wird davon ausgegangen, dass die Umsetzung des NPM durch die Einführung wettbewerblicher Strukturen sowie Steuerungsformen und dezentralisierter Verantwortlichkeit von Entscheidungen zu einer effektive(re)n Durchführung bzw. Umsetzung öffentlicher Dienstleistungen führt (ebd.). Die Forschung unterscheidet konzeptionell und empirisch zwei Reformbzw. Analyseebenen, die sich auch im Hochschulsektor differenzieren lassen: Zum einen die externe Strukturreform, die insbesondere Veränderungen der Rahmenbedingungen und Steuerungsprinzipien im Verhältnis von Staat und Organisation umfasst, sowie zum anderen die Ebene der Leitungsund Binnenreorganisation (Kuhlmann/ Wollmann 2012).

Die erste Ebene der externen Strukturveränderungen umfasst die Einführung von Wettbewerbsstrukturen sowie neue Formen der output-orientierten Finanzierung und des Kontraktmanagements. Im Gegenzug zu weitreichenden Deregulierungsreformen überträgt der Staat öffentlichen Einrichtungen weitreichende Autonomierechte im Hinblick auf Finanzierung, Organisation und Personal. Damit soll eine klarere Trennung der Funktionen und Rollen bei der Umsetzung staatlichen Handelns und öffentlich finanzierter Dienstleistungen erreicht werden: Das unterstellte Idealmodell des NPM sieht vor, dass die Politik hauptsächlich für die strategische Ausrichtung und die Festlegung gesellschaftlicher und öffentlicher Ziele verantwortlich ist. Die operative Umsetzung soll hingegen im umfassenden Sinne den jeweiligen Einrichtungen obliegen (Schröter/ Wollmann 2005: 67).

Damit verbunden ist auch der Wechsel von der Inputzur OutputSteuerung: Öffentlich finanzierte Einrichtungen, wie z. B. Hochschulen, sollen nicht mehr ex-ante ohne zu erbringenden Leistungsnachweis finanziert werden, sondern ihre Finanzierung soll stärker von der Effektivität und der Qualität ihrer Ergebnisse abhängen. Hieraus wird deutlich, dass das NPM nicht nur ein technokratisches Konzept darstellt, sondern als ein konzeptioneller Paradigmenwechsel zu verstehen ist, der an ein grundsätzlich verändertes Verständnis der staatlichen Aufgabenwahrnehmung und Steuerungsfähigkeit im Sinne eines „Gewährleistungsstaates“ gebunden ist (Schuppert 2005).

Anders als staatliche Detailsteuerung und direkte Eingriffe durch die Ministerien impliziert die anvisierte output-orientierte Steuerung über Zielvereinbarungen und andere Formen der Kontraktsteuerung demnach einen Adressaten bzw. Agenten, der sowohl für die Festlegung als auch für deren Evaluierung zuständig ist. Die Einführung wettbewerbsähnlicher Strukturen im Bereich des öffentlichen Sektors setzt insofern voraus, dass es auch marktfähige Akteure bzw. Organisationen gibt, welche die Markt-Mechanismen durch eine Festlegung von Organisationspräferenzen organisational in Gang zu setzen vermögen.

Eine solche, stärker selbstständige Festlegung von Organisationspräferenzen erfordert im Unterschied zur klassischen behördlichen Steuerung umfassende Entscheidungsrechte und auf bessere Zielund Entscheidungsfindung abstellende Organisationsstrukturen. Die Stärkung institutioneller Autonomie und die Entwicklung öffentlicher Einrichtungen als strategisch agierende Organisationen werden demnach als übergreifende politische Ziele und zugleich als Ausgangspunkt für weitere manageriale Reorganisationsprozesse angesehen (Pollitt/Bouckaert 2000; Bovaird/ Loeffler 2003).

Damit avanciert die Binnenorganisation öffentlicher Einrichtungen im Sinne wettbewerblicher bzw. stärker responsiv agierender Organisationen zur zweiten konzeptionellen und empirischen Ebene der NPM-Reformen. Neben der Einführung neuer Formen der Strategieentwicklung, Mittelverteilung und Kostenrechnung im Rahmen der doppelten Haushaltsrechnung sowie der leistungsorientierten Bezahlung gehören Reformen der Leitungsstrukturen öffentlich finanzierter Einrichtungen zu einem zentralen Element der NPM-orientierten Binnenorganisation öffentlicher Einrichtungen – vor allem auch im Hochschulsektor (Klenk/Nullmeier 2011; Ziegele 2005).

Die Umsetzung des NPM und die Implikationen für die Organisationspraxis öffentlicher Einrichtungen haben sich seither zu einem zentralen Forschungsgegenstand verwaltungswissenschaftlicher Analysen entwickelt. Mittlerweile gibt es zahlreiche Analysen zu den Implikationen der NPM-Reformen für die Regulierung, Steuerung und Reorganisation der staatlichen Verwaltung und öffentlich finanzierter Einrichtungen (Christensen/Laegreid 2003; Pollitt/Bouckaert 2004; Blanke et al. 2011). Doch inwiefern wurden die NPM-Reformen auch im Hinblick auf den Hochschulsektor analysiert?

  • [1] In Deutschland wurden die Managementreformen meist als „Neues Steuerungsmodell“ (NSM) der Verwaltungsmodernisierung bezeichnet und durch die Kommunale Gemeinschaftsstelle (KGSt) sowie andere verwaltungswissenschaftliche Institute eingeführt.
  • [2] Für die konzeptionelle Entwicklung des NPM in Deutschland vgl. die umfassenden Analysen von Vogel 2005. Für die Umsetzung des NPM sowie empirische Implikationen im öffentlichen Sektor (vgl. Blanke et al. 2011)
 
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