Start Psychologie
Psychologie
|
|
|||||
4.4 Weitere WahrnehmungssystemeWir haben in unserer Darstellung dem Sehen und Hören den größten Platz eingeräumt, da die Wissenschaft sie am.ausführlichsten untersucht hat. Unsere Fähigkeit, in der äußeren Umgebung zu überleben und sie zu genießen, beruht jedoch auf dem ganzen Repertoire unserer Sinnesmodalitäten. Wir werden unsere Diskussion der sensorischen Prozesse mit Kurzdarstellungen der weiteren Sinnesmodalitäten abschließen. 4.4.1 GeruchSicherlich können Sie sich Umstände vorstellen, unter denen Sie am liebsten auf Ihren Geruchssinn verzichten würden: Sind Sie schon einmal in Hundekot getreten? Um dieser Erfahrung zu entgehen, müssten Sie allerdings auch auf den Duft frischer Rosen, warmen Popcorns und würzigen Kakaos verzichten. Jede dieser Substanzen sondert in Form olfaktorischer Moleküle Düfte an die Luft ab. Der Geruchssinn setzt ein, wenn diese Moleküle mit Rezeptorproteinen der olfaktorischen Zilien (haarähnliche Zellen) der Riechschleimhaut interagieren (^Abbildung 4.21). Acht Moleküle einer Substanz reichen aus, um einen Nervenimpuls auszulösen; es müssen jedoch mindestens 40 Nervenendigungen stimuliert werden, damit man die Substanz riechen kann. Sind diese erst einmal aktiviert, transportieren sie Geruchsinformationen zum Bulbus olfactorius (dem Riechkolben), einer Gehirnregion direkt oberhalb der Rezeptoren und unterhalb der Frontallappen des Großhirns. Geruchsreize starten den Prozess des Riechens, indem sie einen Zustrom chemischer Substanzen in lonenka-näle olfaktorischer Neurone anregen. Wie Sie sich vielleicht noch aus Kapitel 3 erinnern, löst dieses Ereignis ein Aktionspotenzial der Zelle aus. Ihre anatomische Lage macht die olfaktorischen Nerven und den Riechkolben anfällig für Schädigungen. Wenn Menschen beispielsweise einen Schlag auf den Kopf erhalten, können die Axone der Nervenzellen, die Impulse an den Riechkolben weiterleiten, verletzt werden. In einem Experiment wurde bei 49 Patientinnen und Patienten, die eine leicht traumatische Gehirnverletzung erlitten hatten, der Geruchssinn getestet (Fortin et al., 2010). Bei einem Geruchstest litten 28 Personen an Hyposmie (einem eingeschränkten Geruchssinn) und 11 an Anosmie (einem vollständigen Verlust des Geruchssinns). Es besteht allerdings Hoffnung auf Genesung: Das olfaktorische System bildet sowohl in den olfaktorischen Rezeptoren als auch im Riechkolben neue ![]() Abbildung 4.21: Geruchsrezeptoren. Die olfaktorischen Rezeptorzellen der Nasengänge werden durch chemische Substanzen der Umgebung stimuliert. Sie senden Informationen an den Bulbus olfactorius im Gehirn. Zellen. Dadurch können manche Personen mit der Zeit einen Teil ihres oder sogar ihren gesamten Geruchssinn wiedererlangen (London et al., 2008). Die Bedeutung des Geruchssinns ist bei einzelnen Tierarten sehr unterschiedlich. Die Geruchswahmeh-mung entwickelte sich wahrscheinlich als Nahrungsentdeckungs- und Nahrungsortungssystem (Moncrieff. 1951). Menschen scheinen den Geruchssinn hauptsächlich in Verbindung mit dem Geschmackssinn einzusetzen, um Nahrung zu suchen mid zu probieren. Bei vielen Tierarten dient der Geruchssinn allerdings auch zur Entdeckung potenzieller Gefahrenquellen. Hunde, Ratten, Insekten und viele andere Wesen, für die der Geruchssinn wichtig zum Überleben ist, haben eine viel schärfere Geruchswahrnehmung als Menschen und widmen ihr einen vergleichsweise größeren Hirnanteil. Der Geruchssinn ist für diese Tiere nützlich, weil ein Organismus nicht in direkten Kontakt mit einem anderen Organismus kommen muss, um ihn riechen zu können. Außerdem kann der Geruch eine wirkungsvolle Methode aktiver Kommunikation sein. Angehörige vieler Spezies verständigen sich, indem sie als Pheromone bezeichnete chemische Signalstoffe ausscheiden bzw. wahrnehmen; diese Stoffe bezeichnen innerhalb einer Tierart sexuelle Bereitschaft, Gefahr, Revieransprüche und Nahrungsquellen (Thomas, 2011; Wolf, 2011). Beispielsweise sondern die Weibchen verschiedener Insektenarten Sexualpheromone ab, um ihre Paarungsbereitschaft anzuzeigen (Herbst et al., 2011; Yang et al., 2011). Wir werden uns noch mit dem Thema Pheromone beschäftigen, wenn wir in Kapitel 10 das Sexualverhalten beim Menschen und bei Tieren besprechen. |
<< | INHALT | >> |
---|
Related topics |