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2.2 Die Kontroverse zwischen politischer und ökonomischer Bildung – das fachdidaktische Für und Wider

Im Abschnitt 2.1.2 wurden MASSINGS kontrovers diskutierte Fragen zur Verortung und zur Form ökonomischer Bildung im schulischen Fächerkatalog bereits eröffnet. Aktuell benannte er drei Positionen, die in den Fokus der Debatten gerückt sind: Wirtschaft als eigenständiges Fach, Wirtschaft als integrierter Teil der Politischen Bildung und Wirtschaft als integrierter Teil eines Faches Sozialwissenschaften (Massing 2006, S. 86f.). Obwohl die sogenannten Kombinationsfächer Politik/Wirtschaft im derzeitigen Fächerkanon der Bundesländer vertreten sind, erteilt er ihnen eine praktische Absage, da ein Nebeneinander beider Fächer in „lebloser Systematik“, die Gefahr der Unterwerfung eines Faches unter dem Anderen birgt (Massing 2006, S. 87). Dennoch wird es im Kontext dieser Abhandlung als notwendig angesehen, auch auf das Für und Wider ökonomischer Bildung in sogenannten Kombinationsfächern einzugehen.

Nachfolgend sollen diese kontrovers diskutierten Standpunkte unter Berufung auf einschlägige Vertreter sowie deren Positionen und Argumentationsmuster erörtert werden. Diese Vorstellung erfolgt wertneutral und dient insbesondere dem Aufzeigen bestehender Anhaltspunkte, die die Verschränkungen der gesellschaftlichen Systeme Politik und Ökonomie und ihren damit verbundenen Bildungsauftrag verdeutlichen sollen.

2.2.1 Wirtschaft als eigenständiges Fach

Ökonomische Bildung in Form von eigenständigen Fächern ist, wie an anderer Stelle bereits erwähnt, in den Stundentafeln der allgemeinbildenden Schulen verschiedener Bundesländer bereits fest verankert. Hierfür liefert VON ROSEN, als einer der Befürworter, zwei Ansätze, die einerseits den Allgemeinbildungsanspruch der ökonomischen Bildung betonen und andererseits deren adäquate Vermittlung nur im Rahmen des eigenen Faches vollzogen sehen (von Rosen 2000, S. 12f.). In seinen Ausführungen begründet VON ROSEN die Argumente für ein eigenes Fach, und er versucht, gleichfalls in das Feld geführte Gegenthesen zum eigenen Standpunkt zu widerlegen: [1]

Die Vermittlung ökonomischer Inhalte muss in einem eigenen Fach, einschließlich der dafür notwendigen Lehrpläne, einer eigenen Fachdidaktik und den dafür ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern erfolgen, damit die wirtschaftlichen Sachverhalte unter ökonomischem Aspekt und den dafür geltenden Eigenlogiken behandelt werden. Diese Prämisse würde bei der Betrachtung in Integrationsfächern mit deren eigenen Logiken Gefahr laufen, falsche Perspektiven zu schaffen (von Rosen 2000, S. 15).

Eine fächerübergreifende Behandlung wirtschaftlicher Inhalte reicht für eine fundierte ökonomische Bildung nicht aus. Dieser Ansatzpunkt wird keinesfalls in Abrede gestellt, bedarf jedoch einer ausreichenden Basis auf ökonomischer Seite, was die Notwendigkeit eines eigenen Faches mit sich bringt, um eine „gefährliche Ansammlung von Halb und Falschwissen“ zu vermeiden (von Rosen 2000, S. 19ff.).

Die Diskussion über die Verortung der ökonomischen Bildung in einem eigenständigen Fach hat eine derzeitige Qualität erreicht, die sich wahrscheinlich auch in Zukunft weiterhin auf einem angespannten Niveau kontrovers fortsetzen wird. So erfolgte im Oktober 2010 die Vorlage der Studie „Ökonomische Bildung an allgemeinbildenden Schulen. Bildungsstandards, Standards für die Lehrerbildung“ (GGW 2010) im Auftrag des Gemeinschaftsausschusses der deutschen gewerblichen Wirtschaft (GGW), unter anderem verbunden mit der Forderung nach einem bundeseinheitlichen Kerncurriculum für die ökonomische Bildung in einem eigenen Fach Ökonomie (GGW 2010, S. 71). Daraufhin reagierte die „Initiative für eine bessere ökonomische Bildung“ (iböb) in ihrer Kurzexpertise „Für eine bessere ökonomische Bildung“ (iböb 2010) zu ebenda genannter Studie und kritisiert unter anderem die Forderungen für ein eigenes Fach. Gerade ein eingeschränkter wirtschaftswissenschaftlicher Fokus auf die Welt (Einseitigkeit), verhindere eine realistische Wahrnehmung und Beurteilung. „Erst wissenschaftliche Multiperspektivität, wissenschaftlicher Pluralismus und interdisziplinäres Vergleichen“ ermöglichen es, dem zu begegnen (iböb 2010, S. 12). [2]

Des Weiteren soll HEDTKES kritischer Artikel „Wirtschaft in die Schule?! Ökonomische Bildung als politisches Projekt“ (Hedtke 2008a) Beachtung finden, indem er die vor allem durch das Oldenburger Institut für ökonomische Bildung (IÖB) vertretene Forderung nach einem eigenen Fach als eine „von Anfang an strategisch durchgeplante Kampagne“ bezeichnet (Hedtke 2008a, S. 456): Eine Kampagne für „politische Parallelbildung“, die „mittels ökonomischer Analysemethoden überlegene Empfehlungen für die Politik“ gibt (Hedtke 2008a S. 455). Gegen die Übernahme verschiedener Perspektiven (eben auch wirtschaftliche) sei prinzipiell nichts einzuwenden, wenn solche Perspektivenübernahmen wechselseitig erfolgen würden und nicht in einseitigen Denkschemata mündeten (Hedtke 2008a, S. 456). Derartige ökonomische Bildung sei unter anderem ein „trojanisches Pferd“, das lediglich unternehmensnahe und arbeitgeberorientierte wirtschaftswissenschaftliche Bildung befördere und die für die Lernenden notwendige Lebenswirklichkeit im Sinne einer Verbraucherund Arbeitnehmerorientierung vernachlässigt (Hedtke 2008a, S. 458f.). HEDTKE benennt im Zusammenhang mit der Forderung nach einem eigenen Fach derzeit insbesondere wirtschaftsnahe Vereinigungen und Verbände, vormals auch den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) sowie Lehrer und Elternverbände als Hauptakteure der „Kampagne“ (Hedtke 2008a, S. 455). Aktuell wird wieder der Versuch der verstärkten gewerkschaftlichen Einflussnahme auf wirtschaftliche Inhalte in den Schulen kritisch beobachtet. Diesen in den Unterricht hinein projizierten Einfluss mit einem „notwendigen“ Interessenausgleich der Tarifpartner zu begründen, wird als falscher Weg bezeichnet, da Schulen keinen Platz für Lobbyismus bieten dürfen. Ziel der Gewerkschaften sollte hierbei sein, dem Einfluss der Wirtschaftsinteressen im Unterricht auf bildungspolitischer Ebene (also außerhalb der Schulen) Einhalt zu gebieten (Lieb 2011).

HEDTKE verweist auf den Erfolg des Vordringens der interessengeleiteten ökonomischen Bildung, sei es über ein eigenes Fach oder dem Zuerkennen erhöhter Stundenanteile. Er betont, bei gleichzeitiger Machtlosigkeit anderweitiger Bildungsanliegen, den bestehenden enormen Einfluss (sowohl organisatorisch/ materiell/finanziell als auch öffentlich und politisch) des wirtschaftsnahen Netzwerkes und die ungehinderten Zutrittsmöglichkeiten des „Unternehmertums“ in den öffentlichen Raum Schule für eine solche ökonomische Bildung. Derartige Potentiale verbergen sich nicht nur hinter gut organisierten Möglichkeiten im Rahmen der Lehrerbildung, sondern schlagen sich auch in Form von kostenlosen Unterrichtsmaterialen und in der Durchführung von Wirtschaftsprojekten in den Schulen nieder (Hedtke 2008a, S. 456f.).

Letztlich kristallisiert sich jedoch das eigentliche Spannungsfeld heraus, in welchem sich die ökonomische Bildung in einem eigenständigen Fach befindet:

„Ressourcenknappheit im Bildungssystem“ (Retzmann 2006, S. 204). Diese beginnt bei der Verteilung und Zumessung von Stundenanteilen, führt über die finanzielle/personelle Ausstattung der Schulen und mündet in der Vergabe der Hochschulmittel für Fachwissenschaften und Fachdidaktik in der Lehrerbildung (Retzmann 2006, S. 204f.).

  • [1] Auf die Darlegung der Begründung des Allgemeinbildungsanspruches der ökonomischen Bildung kann verzichtet werden – wie am anderen Ort bereits erörtert, ist dieser belegt und steht in diesem Diskurs nicht in Abrede
  • [2] Die DVPB bezieht ebenfalls in Ihrer Stellungnahme zum Gutachten des GGW Position und lehnt sich an der inhaltlichen Kritik der Kurzexpertise der iböb an (DVPB 2011)
 
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