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Start arrow Kultur arrow Die 101 wichtigsten Fragen

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Führungskräfte in den Orden: Antworten von Abtprimas Notker Wolf

87. AVäs ist ein Abtprimas, wie wird man das und welche Aufgaben hat er?

Notker Wolf: Ein Abtprimas ist ein «primus inter pares», ein Erster unter Gleichen. Diese Position gibt es erst seit 1893, als die Benediktinerkonföderation eingerichtet wurde (siehe auch Frage 55). Bereits im Mittelalter beschäftigte man sich mit der Frage, ob es nicht sinnvoll wäre, wenn die selbständigen Benediktinerklöster zusammenarbeiteten und sogenannte Kongregationen bildeten. Bei der Wiederentstehung benediktinischen Lebens nach der Säkularisation, also Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, kam diese Frage erneut auf. Papst Leo XIII. hat dann darauf bestanden, dass alle Benediktinerklöster Kongregationen mit einem Präses an der Spitze angehören. Dadurch ist gewährleistet, dass es in regelmäßigen Abständen ein Generalkapitel gibt, auf dem man die klösterlichen Dinge miteinander bespricht, und Kanonische Visitationen erfolgen (siehe auch Frage 60). Er wollte allerdings aus den Benediktinern einen Orden bilden mit einer Struktur, wie sie beispielsweise bei den Jesuiten oder den Franziskanern besteht.

Nun tritt man bei den Benediktinern nicht in einen Orden ein, sondern in ein Kloster. Die Äbte haben sich daher dagegen gewehrt, dass man einen Orden bildet. Deshalb entstand eine Konföderation, der heute alle zwanzig Benediktinerkongregationen weltweit angehören. Alle vier Jahre gibt es einen Äbtekongress, auf dem sich alle Benediktineräbte treffen und einen Abtprimas als ihren obersten Repräsentanten wählen.

Ein Abtprimas soll die Einheit und die Kooperation der Benediktiner untereinander fördern, hat aber keine Vollmacht, in die Belange irgendeines Klosters einzugreifen. Er hat beratende Funktion und wird auch gebeten, an nationalen Versammlungen von Oberinnen und Obern teilzunehmen, beispielsweise in Deutschland, Italien, den USA oder Indien/Sri Lanka. Er wird auch gerufen, wenn sich die Benediktinerinnen treffen, denn der Abtprimas vertritt auch die weiblichen Ordensmitglieder.

Für die Position des Abtprimas kann man sich nicht bewerben, dies ist vom Kirchenrecht her absolut untersagt. Dies gilt übrigens für jedes kirchliche Amt. Es gibt zunächst eine Vorwahl, eine Art Sondierungswahl, bei der sich bereits die Kandidaten herausstellen. Zwischen diesen wird dann in geheimer Wahl entschieden. Der Abtprimas wird zunächst auf acht Jahre gewählt, dann jeweils auf vier weitere Jahre. Die Wiederwahl ist unbegrenzt möglich, es gibt keine Höchstzahl an Jahren, die ein Abtprimas dieses Amt innehaben darf. Prinzipiell kann jeder Benediktiner in dieses Amt gewählt werden, auch wenn er keine Abtsweihe hat. Diese müsste er dann allerdings nach der Wahl erhalten.

 
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