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Die 101 wichtigsten Fragen
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60. Welche Leitungsfunktionen gibt es in einem Kloster?Die Führungsebene ist im Kloster klar strukturiert: Steht dem Haus ein Abt beziehungsweise eine Äbtissin vor, so hegt die Leitung in diesen Händen. Wird ein Kloster von einem Prior, einer Priorin oder einer Hausoberin geführt, so obliegt dem Amtsinhaber die Leitungsfunktion (siehe auch Frage 54). Die weiteren Führungskräfte im Kloster - Prior, Subprior, Cellerar — berichten an den Abt. Im Mittelalter hatten die Äbte eine große Machtfülle, da die Klöster große Ländereien besaßen. Sie waren oft auch Fürsten, also Landesherren, und trugen die Bezeichnung Fürstabt. Dies war zum Beispiel bei den Äbten der Klöster in Regensburg, Fulda und St. Gallen der Fall. «De facto hat ein Abt Entscheidungsrecht, aber es ist natürlich ganz wesentlich, dass man sich mit den Mitbrüdern berät. Gerade wenn schwierige Entscheidungen anstehen oder größere Investitionen getätigt werden müssen», erklärte mir Altabt Fidelis Ruppert, 24 Jahre Leiter der Abtei Münsterschwarzach. Dem Abt steht daher ein Gremium zur Seite, mit dem er sich regelmäßig austauscht. Diesem gehören das obengenannte Führungsteam sowie eine gewisse Anzahl erfahrener Mönche an, die zum Teil vom Abt, zum Teil vom Konvent ausgewählt werden. Sie bilden den sogenannten Seniorat. Wenn man die Führungspositionen im Kloster mit weltlichen Begriffen benennen würde, so wäre der Abt der Vorstandsvorsitzende und der Seniorat der Vorstand. Es gibt darüber hinaus auch für Klöster eine Art Aufsichtsrat. Das ist der sogenannte Visitator (= lateinisch für «Untersucher»). Diese Funktion übernimmt in der Regel der Abt eines anderen Klosters. Während der alle drei bis fünf Jahre stattfindenden Visitationen prüft er die wirtschaftliche Situation des Klosters und macht sich in Gesprächen auch ein Bild über den Zustand der Klostergenieinschaft. Zum Abschluss der Visitation erteilt er dem Abt Ratschläge, macht ihm gegebenenfalls auch konkrete Vorgaben, was an Maßnahmen und Änderungen in die Wege geleitet werden muss. Der Abt ist sozusagen «Finnenchef» und «Familienvorstand» in einer Person. Er muss Verantwortung, Einsatzbereitschaft, Solidarität und Autorität zeigen. Auch das Leben im Kloster verläuft nicht ohne Konflikte. Aber die Autorität des Abts hat noch eine ganz andere Dimension als die eines Familienvorstands in unserer Gesellschaft. Nach seinem Wort müssen sich im Endeffekt alle richten, auch wenn der Gehorsam manchmal hinter vorgehaltener Hand nur mit Murren geleistet wird. Die Spannung zwischen Anspruch und Wirklichkeit ist für den Abt wie für seine Mitbrüder eine ständige Herausforderung. Manche Orden, beispielsweise die Bettelorden, haben in ihren Regeln das Amt des Abts nicht verankert. Sie bestimmen ihren Leiter, den Guardian (= Hüter, Wächter), für eine gewisse Zeit. Dem Abt ist - wie der Äbtissin, dem Guardian oder der Hausoberin - die Verantwortung für ein Kloster anvertraut. Er ist in der Regel dem Generalkapitel verantwortlich, also der Versammlung aller Äbte eines Ordens, die auch Äbte absetzen kann. Der Abt hat ein eigenes Wappen mit Wahlspruch sowie Symbolen, die Bezug zum Orden, zu seiner Person und zur Abtei haben. Der Begriff «Abt» ist abgeleitet von dem hebräischen abba und dem griechischen abbas, was jeweils Vater bedeutet. Damit ist nicht nur eine wesentliche Funktion des Abts benannt, sondern auch das, was die Gemeinschaft von ihm erwarten kann: Er muss wie ein Vater für ihr Wohl Sorge tragen. Um Vertrauen zu schaffen und zu erhalten, ist es für den Vater des Klosters wichtig, dass er sein Handeln gegenüber seinen Mitbrüdem begründet und nachvollziehbar werden lässt. «Meine Mitbrüder sind das Wertvollste, was ich habe», sagt Abt Michael Reepen aus Münsterschwarzach. Tägliche Krankenbesuche durch Abt oder Prior und Zeit für die Mitbrüder, wenn Gesprächsbedarf besteht, sind daher in den Klöstern üblich. «Er vertritt im Kloster die Stelle Christi; wird er doch mit dessen Namen angeredet», heißt es in der Regel des heiligen Benedikt (Kap. 2, 2). Damit ist eine weitere Anforderung an den Abt benannt, nämlich darauf zu achten, dass in seinem Kloster ein gottgefälliges Leben geführt wird. Das bedeutet Treue gegenüber dem Evangelium und der Ordensregel. Der Abt ist für die Organisation seines Klosters und die Struktur des Tagesablaufs verantwortlich. Darüber hinaus muss er sich um die wirtschaftlichen Belange des Klosters einschließlich der Klosterbetriebe kümmern und trägt die Verantwortung für die angestellten Mitarbeiter. Aber ein Abt hat nicht nur Aufgaben mit Innenwirkung, sondern ist auch oberster Repräsentant der Abtei nach außen, beispielsweise gegenüber Kommune und Behörden. |
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