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Start arrow Kultur arrow Die 101 wichtigsten Fragen

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42. Was passiert im Refektorium, dem klösterlichen Speisesaal?

Der Begriff Refektorium ist abgeleitet vom lateinischen reficere = erfrischen, erholen. Er steht für die Erfrischung und Labung, die man im klösterlichen

Speisesaal zu sich nimmt. Da das Nonnen- beziehungsweise Mönchsrefektorium traditionell im Bereich der Klausur liegt, haben Laien kaum Zugang dazu. Für Gäste gibt es in der Regel ein eigenes Gästerefektorium. In den meisten Klöstern werden die Mahlzeiten schweigend eingenommen. Vielfach wird das Schweigen nur an großen Festtagen, zum Beispiel den kirchlichen Hochfesten wie Ostern und Weihnachten, oder Jubiläen aufgehoben. In manchen Klöstern ist das Gespräch bei Tisch auch an Sonntagen erlaubt. Die Entscheidung hierüber liegt bei der Äbtissin oder dem Abt. Vor der Mahlzeit versammeln sich die Nonnen oder Mönche vor dem Refektorium. Man betritt diesen Raum gemeinsam und stellt sich hinter seinen festgelegten Platz. Dann wird das Tischgebet gesprochen - oft in Richtung des Kreuzes, das in jedem Refektorium hängt. Wenn das Gebet beendet ist, verneigt man sich vor dem Kreuz und nimmt seinen Platz ein. Die Äbtissin oder der Abt hat als Klostervorsteher meist einen hervorgehobenen Platz in der Gemeinschaft. Meist ist dies ein eigener Tisch, von dem aus alle Mitglieder des Konvents gut sichtbar sind. Dann tragen Tischdiener das Essen auf. Diese Tätigkeit wird reihum von jedem Mitglied des Konvents im Wochentumus ausgeübt. Zwei wesentliche Ideen stecken hinter diesem System: Zum einen soll bei Tisch keine Unruhe entstehen, wenn jeder nach den Schüsseln greift und sich das Essen selbst nimmt. Der wesentlichere Grund ist aber, dass sich niemand dem anderen überlegen fühlen soll, unabhängig davon, welche Ausbildung er hat oder welche Position er im Kloster einnimmt. Jeder soll seinen Mitbruder beziehungsweise seine Mitschwester bedienen. Neben den Tischdienern gibt es noch den Tischleser. Diese Funktion wird im Wechsel von verschiedenen Mitgliedern des Konvents übernommen, allerdings in diesem Fall da rauf geachtet, dass die Lesung «wohlgefällig» für die Zuhörer ist. Was bei Tisch gelesen wird, kann sehr unterschiedlich sein. Bei Benediktinern wird die Lesung meist mit Texten aus der Regel Benedikts eröffnet oder beendet. Dazwischen liest man geistliche Literatur oder durchaus auch belletristische oder tagesaktuelle Texte. Manchmal hört man klassische Musik während der Mahlzeiten.

Auf das Zeichen des Klostervorstehers beginnt der Konvent mit dem Essen. Wem dabei einmal ein Missgeschick passiert, zum Beispiel ein Glas umkippt oder eine Gabel zu Boden fallt, der steht auf und verbeugt sich in Richtung des Kreuzes, um sich sozusagen bei Christus für diese Störung zu entschuldigen. Zumindest in einigen Klöstern gibt es diese strenge Regelung. Beendet wird die Mahlzeit ebenfalls durch ein Zeichen des Abts. Er überblickt den Konvent und sieht, wenn der Letzte seinen Teller geleert hat. Damit sie nicht unangenehm auffallen, werden sich bei diesem System sehr schnelle oder sehr langsame Esser dem allgemeinen Tempo anpassen. Auch Zu-spät-Kommer werden sich diese Unart sehr rasch abgewöhnen, da dies im Kloster nicht gerne gesehen wird. In Einzelfallen müssen diese Ordensleute ihre Mahlzeit sogar ausfallen lassen oder sie in der Küche einnehmen. Nach Beendigung der Mahlzeit erheben sich auf ein Zeichen des Abts alle von ihren Plätzen, sprechen das Dankgebet und verlassen schweigend das Refektorium.

 
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