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21. Frage: Wie klassifiziert Elisabeth Kübler-Ross die Sterbephasen?

Erste Phase: Nicht wahrhaben wollen

Zweite Phase: Zorn

Dritte Phase: Verhandeln

Vierte Phase: Depression

Fünfte Phase: Zustimmung

22. Frage: Welches Verhalten kann sich in den einzelnen Sterbephasen zeigen?

Erste Phase: Nichtwahrhabenwollen

Nach Kübler-Ross versuchen fast alle Patienten, die bösartige Krankheit vor sich selbst abzuleugnen, und nicht nur im ersten Augenblick, sondern später immer wieder einmal.[1] Im Verhalten der Person steckt der Appell: »Ich doch nicht, das ist doch gar nicht möglich!« Die betroffene Person setzt ihre ganze Energie in die Verleugnung, um den Ärzten und anderen beteiligten Helfern zu zeigen, dass sie sich geirrt haben müssen.

Zweite Phase: Zorn

In der zweiten Phase wird der erkrankten Person immer deutlicher, dass die Diagnose und vor allem die Prognose offensichtlich stimmen. Es kommt im Bewusstsein an: »Oh doch, es betrifft mich, ich bin es selbst.« Diese Erkenntnis ist nur schwer zu ertragen und es kommen Gefühle wie Zorn, Groll, Wut, Neid auf. Kübler-Ross verbindet damit die Prägen des Einzelnen: »Warum gerade ich?« - »Warum nicht die oder der ... ?« Die Menschen sind voller Auflehnung und Aggression. In dieser Phase haben es die begleitenden Angehörigen, aber auch die professionellen Helfer, besonders schwer, da sich der Zorn des betroffenen Menschen in alle Richtungen ergießt.[2]

Dritte Phase: Verhandeln

Diese Phase ist weniger bekannt als die ersten beiden Phasen, da sie mit nicht so deutlichen Gefühlen einherzugehen scheint, wie die ersten beiden Phasen. Kübler-Ross spricht von einer flüchtigen Phase. Die Umgebung bekommt den Eindruck, dass die erkrankte Person offensichtlich die ernste Situation annehmen kann. Auf der Gefühlsebene handelt es sich um ein Verhandeln mit dem Schicksal, das sich mit dem Satz: »Vielleicht doch nicht ich?« kennzeichnen lässt. Im Grunde feilscht der Patient um einen Aufschub, verspricht Wohlverhalten und setzt sich selbst eine Frist, nach der er dann nichts mehr erbitten will.[3] Er hofft dabei, durch Wohlverhalten eine längere Lebensspanne zu erhalten, ein paar Tage ohne Beschwerden zu sein; vielleicht noch was Bestimmtes tun zu können.

Vierte Phase: Depression

Kübler-Ross verbindet damit hier mit der Depression die Tatsache, dass die kranke Person die Schwere und Unheilbarkeit ihrer Erkrankung nicht mehr leugnet. Kübler-Ross schreibt, dass einerseits jetzt das Abschiednehmen vom Leben (von den Menschen, die man gern hat; den Dingen, die etwas bedeuten) mit großer Traurigkeit beginnt und andererseits große Chancen in der Phase stecken, um all das zu regeln, was jetzt unausweichlich erscheint. Sie sagt, nur die Kranken, die durch alle Ängste und Verzweiflung hindurch gegangen sind, erreichen auch das Stadium der letzten Zustimmung.[4]

Fünfte Phase: Zustimmung

Diese Phase enthält die Zustimmung des Patienten zu seinem Lebensende. Wir sprechen von der Annahme der Situation, die dadurch gekennzeichnet ist, dass das nahende Ende offensichtlich akzeptiert wird und die Loslösung von der Umwelt erfolgt. Die vorher aufgekommenen Gefühle wie Zorn, Traurigkeit, Verzweiflung treten in den Hintergrund. Diese Phase bedeutet nicht ein resigniertes und hoffnungsloses »Aufgeben« im Sinne von »Wozu denn auch?« oder »Ich kann jetzt nicht mehr kämpfen«. Solche Bemerkungen zeigen zwar ebenfalls an, dass der Kampf zu ende geht, sie bedeuten aber nicht, dass der Kranke sein Los annimmt.53

Dr. Sr. Liliane Juchli (1997) sagt: »Die Sterbephase kann - im positiven Verlauf - die intensivste Entwicklungsphase des Lebens sein.«

  • [1] Vgl. Kübler-Ross, E. (1969). Interviews mit Sterbenden. S.16
  • [2] Ebd., S. 26
  • [3] Ebd., S. 55
  • [4] Ebd., S. 60
 
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