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6.7.2 Lehr-Lern-Materialien und Ausstattung

Die Vorstellungen der Lehrpersonen, die in dieser Kategorie zusammengefasst wurden, beschäftigen sich zum Großteil mit fachspezifischen Lehr-Lern-Materialien. Außerdem mit Vorstellungen zur Ausgestaltung der Unterrichtsbedingungen und der weiteren Ausstattung im Bezug des Wirtschaftsunterrichts, die teilweise domänenspezifisch und teilweise fächerübergreifend sind bzw. die gesamte Schulorganisation betreffen.

In Bezug auf die Unterrichtsbedingungen äußerten verschiedene Lehrpersonen – vor allem an Oberund Realschulen – die Vorstellung, der Wirtschaftsunterricht benötige insgesamt mehr Unterrichtszeit [1]. Darüber hinaus sind Lehrpersonen an Gymnasien und Oberund Realschulen der Ansicht, der Wirtschaftsunterricht solle früher beginnen und begründeten dies zum einen lerntheoretisch und zum anderen bildungstheoretisch mit Blick auf die Bedeutung des Wirtschaftsunterrichts für zukünftige Lebenssituationen der Schülerinnen und Schüler und eine hierfür aus ihrer Sicht relativ knapp zur Verfügung stehende Unterrichtszeit [1]. Auf der Ebene der Unterrichtsorganisation wurde außerdem die Vorstellung geäußert, der klassische Unterricht solle mehr zugunsten von Projektarbeit aufgebrochen werden [3] und

„Politik-Wirtschaft“ bzw. „Wirtschaft“ nicht in einem Doppelstunden-modell unterrichtet werden, da dieser dann nur einmal die Woche stattfinden würde [4]. Beide Vorstellungen wurden lerntheoretisch begründet. Eine Lehrperson artikulierte außerdem den Wunsch, das Fach „Politik-Wirtschaft“ in kleineren Lerngruppen unterrichten zu können [5]. Verschiedene Vorstellungen haben eine mangelnde Ausstattung der Schulen zum Gegenstand, die auch den Wirtschaftsunterricht beeinflussen würde. Lehrerinnen und Lehrer an allen Schulformen äußerten sich dazu, dass nicht ausreichend Räume und Platz an den Schulen zur Verfügung stehe, um beispielsweise fachspezifische Methoden wie Planspiele im Wirtschaftsunterricht realisieren zu können. Aus ihrer Sicht fehle es außerdem an Schulbüchern, PCs und Whiteboards und überall verfügbarem Zugang zum Internet, um dieses auch im Unterricht nutzen zu können. Außerdem stehe kein Budget für die Realisierung von fachspezifischen Methoden wie Betriebserkundungen, Planspielen oder Potenzialanalysen zur Verfügung [6]. Dies wurde vor allem von Wirtschaftslehrpersonen geäußert, die im ländlichen Raum unterrichten und deshalb zu Betriebserkundungen oder anderen außerschulischen Aktivitäten im Wirtschaftsunterricht lange Anfahrtswege zu bewältigen haben, die organisiert und finanziert werden müssen.

Vorhandene Lehr-Lern-Materialien nahmen aus Sicht der Lehrpersonen Einfluss darauf, was sie im Wirtschaftsunterricht unterrichten [7]. Die Unterrichtsmaterialien für den Wirtschaftsunterricht sollen kontrovers sein und nicht partikulare Interessen und Perspektiven vertreten, was insbesondere von Lehrpersonen am Gymnasium kritisch gesehen wurde [8]. Dies wird auch im folgenden Beispiel deutlich:

Das meinte ich auch mit dieser einseitigen Perspektive häufig, das sich ja auch in Unterrichtsmaterial niederschlägt. Wenn wir viele Dinge vielleicht auch umsonst bekommen und viele diese Materialien unverändert übernehmen, dann ist das natürlich, ohne dass die Schüler das merken, nicht im Sinne des Prinzips. Und da fehlt mir dann häufig die Gegenperspektive, weil es schwieriger ist, diese im Unterricht einfließen zu lassen. Entweder weil es nicht im Lehrplan drinsteht oder nicht in zahlreicher Form oder finanzielle Mittel vorhanden und die Unterrichtsmaterialien da für uns zur Verfügung sind. Also, das merkt man schon. Ich versuche natürlich immer darauf zu achten und nehme auch kaum diese Unterrichtsmaterialien, die von Banken und so kostenlos ins Haus flattern, aber da würde ich schon eine Gefahr sehen, dass da Verbände und Institutionen stark versuchen zu beeinflussen, aber eben nicht alle auf gleiche Weise das können. Und sich das eben dann schon niederschlägt und eben die eine Perspektive so dominant ist und die andere dann einfach untergeht. (Interview XV, GYM)

Kritisch wird von den Lehrpersonen neben der Einseitigkeit von zumeist kostenlosen Unterrichtsmaterialien gesehen, dass diese vielfach praxisfern seien, es teilweise zu wenig Auswahl an Materialien gebe und diese nicht ansprechend für die Schülerinnen und Schüler gestaltet seien [9]. Außerdem fehle ein digitaler Zugriff auf tagesaktuelles Material [10] und die vorhandenen Unterrichtsmaterialien würden schnell veralten bzw. seien nicht nachhaltig einsetzbar[11]. Positiv angemerkt wird, dass für einzelne Schulformen wie die Hauptschule mittlerweile ausreichend und aus Sicht der Lehrperson geeignete Materialien für den Wirtschaftsunterricht vorliegen würden und Unterrichtsmaterialien für den Wirtschaftsunterricht didaktisch-methodische Aspekte explizit berücksichtigen würden [12]. Innerhalb der Vorstellungen zu Lehr-LernMaterialien nahmen Vorstellungen, die sich auf Schulbücher für den Wirtschaftsunterricht beziehen, eine hervorgehobene Stellung ein, wobei kritische Anmerkungen überwogen. Insgesamt können die Vorstellungen in Bezug auf die Schulbücher jedoch als im Sample sehr heterogen angesehen werden, wobei die Vorstellungen, in denen Materialien und Schulbücher eher kritisch bewertet wurden, vorwiegend von den Gymnasiallehrpersonen geäußert wurden. Die interviewten Lehrpersonen beschrieben Schulbücher für den Wirtschaftsunterricht als nicht aktuell bzw. diese würden schnell veralten [13], seien zu textlastig und wenig handlungsorientiert [14] und würden keine Binnen-differenzierung ermöglichen [11] und die Schülerinnen und Schüler wenig motivieren und erausfordern [16].

Hinsichtlich der Unterschiede in den Vorstellungen von Lehrpersonen unterschiedlicher Schulformen ist festzustellen, dass Oberschulund Realschullehrpersonen die Bücher aufgrund langer Texte bzw. der fehlenden Handlungsorientierung als eher überfordernd bzw. nicht handlungsorientiert genug bezeichneten. Die Gymnasiallehrpersonen hingegen beschrieben die Schulbücher für die ökonomische Bildung am Gymnasium als zu wenig kognitiv aktivierend bzw. herausfordernd. Einzelne Lehrpersonen an beiden Schulformen kritisierten darüber hinaus die Auswahl von Inhalten und den Aufbau von Schulbüchern. Ebenso wie bei den Materialien wurde auch in Bezug auf die Schulbücher von einer Gymnasiallehrperson angemerkt, dass diese nicht kontrovers seien bzw. dem aus der Fachdidaktik der Politik entstammenden Grundsatz des „Überwältigungsverbots“ widersprechen würden:

Ich finde es erstaunlich, wie so was, wie das Hinterfragen von Arbeitsbedingungen, die aus einem relativ offenen Preismechanismus resultieren, in den Schulbüchern überhaupt nicht angesprochen wird. Das wäre so ein kleiner Bezug zu dem Thema vorher, wie ist das mit Einflussnahme und das ist, verspricht ja schon teilweise fast gegen das Überwältigungsverbot, wenn man es sehr kritisch und sehr streng sieht. (Interview X , GYM)

Zum Umgang mit Schulbüchern äußerte eine weitere Gymnasiallehrperson die Vorstellung, Lehrpersonen sollen Schulbüchern nicht „blind vertrauen“, gleichzeitig relativiert sie die Problematik:

Ja, das ist auch interessant. Ich habe irgendwie (…) irgendein, da war auch ein Kollege, ein Vertretungskollege, der sich auch Gedanken darüber gemacht, wie gefärbt quasi die Schulbücher sind und was sie dann quasi den Schülern vermitteln. (...) also, ich denke, das ist schon auch irgendwie unsere Rolle, wir sind ja natürlich auch (…) sowohl wissenschaftlich als auch praktisch lange ausgebildet, dass wir denke ich, natürlich nicht blind diesen Schulbüchern vertrauen sollen. Auf der einen Seite. Auf der anderen Seite denke ich irgendwie, das ist ein bisschen schwäbisch gesagt, man kann es auch übertreiben. Wenn wir sonst keine größeren Probleme haben. (Interview XIII, GYM)

In den Vorstellungen der Lehrpersonen zu Schulbüchern wurde auch deutlich, dass die Lehrpersonen diese als Orientierungsinstanz für ihre Unterrichtsgestaltung ansahen: „[…] und dann schaue ich mir eher an, wie machen das irgendwie die Schulbücher […]“ (Interview VIII, GYM). Einige Lehrpersonen bewerteten die Auswahl der Inhalte von Schulbüchern für den Wirtschaftsunterricht als positiv und attestierten ihnen Praxisorientierung und Schülernähe. Bei den Vorstellungen zu Lehr-Lern-Materialien ergab sich also mit Blick auf die Schulformen ein eher heterogenes Bild, wobei Lehrpersonen an allen Schulformen eine nicht ausreichende Adressatenorientierung vor allem mit Blick auf die Schulbücher artikulierten. Die Gymnasiallehrpersonen äußerten im Vergleich kritischere Vorstellungen zu ökonomischen Unterrichtsmaterialien als Lehrpersonen an Oberund Realschulen, beispielsweise, dass Materialien für den ökonomischen Unterricht aus ihrer Sicht teilweise wenig kontrovers und kritisch seien.

  • [1] Vgl. Interview XII, XIII, XV
  • [2] Vgl. Interview XII, XIII, XV
  • [3] Vgl. Interview VI, XII
  • [4] Vgl. Interview VI, VIII
  • [5] Vgl. Interview VI
  • [6] Vgl. Interview II, III, IV, V, VII, VIII, XI, XII, XIII, XIV
  • [7] Vgl. u. a. Interview XV
  • [8] Vgl. Interview V, VII, XV
  • [9] Vgl. u. a. Interview I, III, IV, VIII, XIV
  • [10] Vgl. Interview VIII.
  • [11] Vgl. Interview XIV
  • [12] Vgl. Interview XII
  • [13] Vgl. Interview VIII, XIV
  • [14] Vgl. Interview XIII, XIV
  • [15] Vgl. Interview XIV
  • [16] Vgl. Interview XI, XIV
 
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