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2.2 Aktueller Stand der Forschung im Überblick

2.2.1 Reflexion in der Fachliteratur

Markttechnische Handelssysteme üben vorwiegend auf angehende aber auch aktive Trader eine sehr große Anziehungskraft aus, weil sie auf Grund der schon mehrfach erwähnten mathematischen Exaktheit der ihnen immanenten Technischen Indikatoren ein hohes Maß an Sicherheit suggerieren, den gehandelten Zielmarkt allein durch die Verwendung der richtigen Strategien, Instrumenten und Parametereinstellungen gewinnträchtig vereinnahmen zu können. Es ist logischerweise nicht verwunderlich, dass die Liste an erhältlicher Literatur zu diesem Themenkreis eine beeindruckend lange ist, weil praktisch jeder Autor explizit seine Handelsstrategien als zielführenden Weg zu schnellem und fast risikolosem finanziellen Erfolg darstellt. Um nur einige wenige Beispiele zu nennen, die in den letzten Jahren beachtenswerte Verkaufszahlen erreichten, seien hier insbesondere folgende Bücher angeführt: CD „Das große Buch der Markttechnik: Auf der Suche nach der Qualität im Trading“, (?) „Das Trader Coaching: So werden Sie zum Gewinner“, Q) „Tradingstrategien (nicht nur) für Extremsituationen“, ® „Tradingstrategien für jeden Markt und jede Zeit“, � „Super Trader: So erzielen

Sie konstante Gewinne in steigenden und fallenden Märkten“, et cetera. Ohne die aufgeführten Werke in einem despektierlichen Licht darzustellen, handelt es sich doch eher um populärwissenschaftliche Publikationen ohne vordergründigen Anspruch auf Erforschung und Vermittlung empirischer Erkenntnisse auf dem Gebiet der Markttechnik. Vielmehr werden Handelsempfehlungen gegeben, mit welchen Parametereinstellungen und zeitlichen Intervallen auf vorgegebenen Märkten [angeblich] schnelle Gewinne zu realisieren sind. Nebenbei sei der bewusst provokative Gedankengang skizziert, weshalb die Autoren ihre Ratschläge und Geheimnisse zeitaufwändig in einem Buch zusammengefasst und veröffentlicht haben. Würden ihre Inhalte tatsächlich den beschriebenen Erfolg mit sich bringen, dann läge es eher auf der Hand, dass sie diese für sich behielten und unter dem Mantel der Diskretion ihre finanzielle Unabhängigkeit erarbeiten beziehungsweise weiter ausbauen. Es darf bezweifelt werden, dass die Autoren von einer allzu altruistischen Intention gelenkt wurden, ihre Tipps dennoch preiszugeben, wenn man sich vergewissert, dass sämtliche Publikationen im Erwerb mindestens zum höheren Preissegment gezählt werden dürfen. Insofern darf gemutmaßt werden, dass der schnelle und sichere Weg zu finanziellem Zugewinn eher den Autoren denn deren Lesern vergönnt ist[1].

Davon aber einmal abgesehen darf behauptet werden, dass das Spektrum an seriöser Literatur zum Thema Markttechnischer Handelssysteme, inklusive wissenschaftlichen Untersuchungen und Publikation, ein vergleichsweise überschaubares ist. Dies hängt auch damit zusammen, dass die Markttechnik im Kontext der Technisch Analytischen Verfahren das jüngste ist. Die vordergründige Erklärung liegt, wie weiter oben schon kurz angerissen, darin, dass Markttechnische Verfahren sowohl mit einem hohen Rechenaufwand als auch mit einer permanenten Versorgung aktueller Kursdaten einhergehen, was erst durch die Entwicklung leistungsfähiger EDV und adäquaten Netzwerken gewährleistet werden konnte. Nichtsdestotrotz stammen die ersten Untersuchungen vor allem von den Entwicklern heute noch weit verbreiteter Technischer Indikatoren selbst, die langfristige Studien über die Performance ihrer eigenen Kreationen erstellen. Besonders wegweisend waren die Arbeiten von J. Welles Wilder, dem Erfinder [unter anderem] des Relative Strength Index [RSI] und dem Parabolic SAR, welcher in seinem Buch New Concepts in Technical Trading Systems die Grundlagen der von ihm entwickelten Technischen Indikatoren darstellte und ebenso diverse Zeitreihen bei Verwendung derselben in unterschiedlichen Handelssystemen auswertete. Einen fast identischen Weg beschritt auch John Bollinger, der Erfinder des heute am meisten verbreiteten Bänderindikators Bollinger Bands [BBD], welcher im Jahr 1983 diesen Indikator entwickelte, intensiv testete und seine Erkenntnisse unter dem Titel Bollinger on Bollinger Bands publizierte. Beide genannte Pionierwerke gelten mittlerweile als unverrückbare Standardliteratur der Thematik. In den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts schritt die Entwicklung neuer und Abänderung bestehender Technischer Indikatoren so schnell voran, dass es einer Systematisierung bedurfte, um den Überblick zu bewahren. Als Vorreiter taten sich in die Erstellung eines geeigneten Kompendiums John J. Murphy mit Technical Analysis in Financial Markets im Jahr 1986 und Robert W. Colby im Jahr 1988 mit seinem Buch The Encyclopedia Of Technical Market Indicators hervor [2]. Insbesondere Murphy ist die heute noch gültige Einteilung Technischer Indikatoren in die Sphäre der CD Trendfolger und der (?) Oszillatoren zuzuschreiben. Die übrigen drei Arten Q) Trendidentitätsindikatoren, ® Volumenindikatoren und � Volatilitätsindikatoren seien der Vollständigkeit halber genannt, wenngleich sie in der praktischen Verwendung eine eher untergeordnete Rolle spielen48. Nachdem die Technischen Indikatoren ihrem Wesen nach in Referenzwerken nachgeschlagen werden konnten, bestand nun das Problem, dass Trader sich dieses Wissens zwar reichlich bedienten, um beliebige Verbundsysteme an Indikatoren für den computergestützten Handel zu programmieren, und so ein Handelssystem zu definieren, dies nahm aber derart überhand, dass es auch für Handelssysteme einer groben Einteilung bedurfte, um den Überblick zu bewahren. Dieses Problems nahm sich im Jahr 1995 Jack D. Schwager an, als er zwar nicht vordergründig mit diesem Ziel sein Buch Technical Analysis als einen Leitfaden für den Gebrauch der Technisch Analytischen Verfahren – inklusive Charttechnik – auf Future-Märkten veröffentlichte49, dennoch beinhaltete dieses Werk eine bis heute valide Einteilung an Markttechnischen Handelssystemen. Insbesondere auf diese wird im weiteren Verlauf der Untersuchung noch näher eingegangen werden, weil die Publikation von Schwager von neueren Erscheinungen oft zitiert wird.

  • [1] Vgl. Schwager, Jack D.: a.a.O., Seite 643.
  • [2] Vgl. Colby, Robert W.: The Encyclopedia Of Technical Market Indicators, McGraw Hill, 2002.
 
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