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Arbeitsverwaltung und Selbsthilfe im aktivierenden Sozialstaat
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6.4 ZusammenfassungTable of Contents:
Im Folgenden werden zentrale Befunde und Ergebnisse der Fallstudie vor dem Hintergrund der in Abschnitt 1.2 entwickelten Fragestellung der Untersuchung und den in Abschnitt 5.1 genannten Forschungsfragen zusammengeführt. Dabei wird zunächst die Ausrichtung des aktivierenden Handelns der Case Manager des Fallsamples im Spiegel ihrer Anwendung der Methode ‚Case Management' bestimmt und im Anschluß Einflüsse auf dieses Handeln benannt. Abschließend wird eine Einschätzung zur Förderung der Entwicklung der Selbsthilfekräfte und der Selbstorganisation der Ratsuchenden durch das aktivierende Handeln der Case Manager im Fallsample der Sozialagentur Duisburg vorgenommen. Systemorientierte Ausrichtung des aktivierenden Handelns der Case ManagerObwohl sich die Case Manager in ihrem Handeln am Stufenkonzept der Methode ‚Case Management' der Sozialagentur orientieren, wenden sie dieses Konzept nur eingeschränkt an. Im Mittelpunkt ihres Handelns stehen die Festlegung der Hilfeplanziele und ihre Erreichung. Dagegen haben für sie eine breite Sichtung der Probleme der Ratsuchenden, sowie eine ausführliche Ermittlung ihrer Ressourcen und Defizite eine untergeordnete und die Thematisierung und Aushandlung der Unterstützungsziele keine Bedeutung gehabt. Dies lässt vermuten, dass die Case Manager der Sozialagentur die Methode ‚Case Management' in einer Weise verkürzt rezipiert und angewandt haben, die auf bestimmte institutionelle Schwerpunktsetzungen verweisen könnte. Die Case Manager tendieren in ihrem Handeln dazu, die Wahrnehmung der Probleme der Ratsuchenden auf Probleme ihres Erwerbs einzuengen und ihre psychosozialen Probleme erwerbsbezogen zu deuten. Darüber hinaus geben sie in der Unterstützung eine erwerbszentrierte Grundrichtung vor. Diese zielt auf eine schnelle Vermittlung in Arbeit, wobei der Blick auf eine Tätigkeit im ersten Arbeitsmarkt gerichtet ist. Vor diesem Hintergrund berücksichtigen sie Fähigkeiten und Wünsche der Ratsuchenden. Letztlich dominiert jedoch im Handeln der Case Manager die Vorstellung, dass jede Arbeit besser als keine Arbeit ist. Insgesamt ist zu erkennen, dass sich die Case Manager in ihrem aktivierenden Handeln an den Erwartungen des Zielsystems der Sozialagentur Duisburg, auch des Ziels der Einsparung von Sozialhilfekosten, angelehnt haben. Die Rolle der Case Manager zeichnet sich durch einen verpflichtenden Grundzug aus, der sich vor allem in den Stufen der Festlegung und der Umsetzung des Hilfeplans ausdrückt. Gerade innerhalb dieser Stufen des Case Managements wird deutlich, dass die Case Manager von den Ratsuchenden die Mitwirkung an der Überwindung ihres Sozialhilfebedarfs einfordern und sie, falls erforderlich, durch Aufzeigen ihrer Sanktionsmöglichkeiten zu einem konformen Verhalten drängen. Allerdings zeigt sich der verpflichtende Charakter der Rolle meist erst dann, wenn die von den Case Managern favorisierte Strategie des Überzeugens nicht zu einem von ihnen gewünschten Verhalten der Ratsuchenden geführt hat. Daneben ist für das aktivierende Handeln der Case Manager kennzeichnend, dass sie die Ratsuchenden im Verlauf der Unterstützung nur selten zur Entwicklung und Umsetzung eigener Vorstellungen der Problembearbeitung ermuntern. Im Mittelpunkt der Tätigkeit der Case Manager stehen die Eröffnung von und die Vermittlung in Arbeitsund Erwerbsmöglichkeiten, insbesondere durch Angebote der Kooperationspartner der Sozialagentur, sowie die Aufforderung der Ratsuchenden zur Selbstakquise. Dabei orientieren sich die Case Manager eng an den sozialhilferechtlichen Vorgaben des BSHG und an ihrem professionellen Selbstverständnis als Sozialhilfesachbearbeiter. Insgesamt ist zu erkennen, dass die Case Manager ihr aktivierendes Handeln in erster Linie an der Erfüllung institutioneller Vorgaben ausrichten und bestrebt sind, diese Vorgaben in der Zusammenarbeit mit den Ratsuchenden zur Geltung zu bringen. Obwohl diese Zusammenarbeit in den Stufen ‚Erstkontakt' und ‚Assessment' des Case Managements noch ausgeprägt partizipative Züge zeigt, wandelt sich dies in den Stufen ‚Hilfeplanung' und vor allem in der Stufe ‚Prozessbeobachtung und Prozesssteuerung'. Dort etablieren die Case Manager eine hierarchisch geprägte Unterstützungsbeziehung zu den Ratsuchenden. Dabei erwarten sie, dass ihre Unterstützungsvorstellungen von den Ratsuchenden aufgegriffen und eigeninitiativ unter der Supervision der Case Manager umgesetzt werden. Bei Vorliegen der sozialhilferechtlichen Voraussetzungen sind die Case Manager auch grundsätzlich dazu bereit, ihre Unterstützungsvorstellungen durch die Androhung der Kürzung der Hilfe zum Lebensunterhalt gegenüber den Ratsuchenden durchzusetzen. Institutionelle, organisatorische und beraterbezogene Einflüsse auf das aktivierende Handeln der Case ManagerEs kann plausibilisiert werden, dass das aktivierende Handeln der Case Manager im Fallsample der Sozialagentur durch verschiedene institutionelle, organisatorische und beraterbezogene Faktoren beeinflusst worden ist. Dazu zählen das Zielsystem der Sozialagentur, wie insbesondere die ‚work first-Strategie' der Unterstützung und das Ziel der Einsparung von Hilfe zum Lebensunterhalt, das auf den Grundsatz des ‚Förderns und Forderns' hin ausgerichtete Konzept des Case Managements, die administrative Grundqualifikation und langjährige Berufserfahrung der Case Manager als Sozialhilfesachbearbeiter, ihre Doppelzuständigkeit für die sichernde und die aktivierende Hilfe, sowie die durch die im Zuge der Hartz-Gesetzgebung eingetretene Auflösung der Kooperationsstruktur der Sozialagentur und dem damit einhergehenden Bedeutungsverlust der Rolle des Case Managers. Diese Faktoren haben in unterschiedlichem Ausmaß eine institutionelle Ausrichtung des aktivierenden Handelns der Case Manager begünstigt, in dem sie etwa die Bearbeitung der Probleme der Ratsuchenden an bestimmte Zielvorgaben der Sozialagentur koppelten, bei bestimmten Fallkonstellationen eine psychologische oder soziale Unterstützung von Ratsuchenden beoder verhinderten, eine hierarchische Zusammenarbeit mit den Ratsuchenden bevorzugten und ihre Unterstützung primär an einer korrekten Rechtsanwendung orientierten. Darüber hinaus lassen Befunde auf ausgeprägte Dissonanzen zwischen Selbsteinschätzungen der Case Manager zu Zielpräferenzen der Unterstützung und ihrem aktivierenden Handeln schließen. Dabei fällt insbesondere auf, dass sie im Unterschied zu den Einschätzungen, in ihrem Handeln der Förderung der Selbsthilfekräfte der Ratsuchenden einen geringen Stellenwert beigemessen und das wirtschaftliche Ziel der Unterstützung betont haben. Geringe Förderung der Entwicklung der Selbsthilfekräfte und der Selbstorganisation der RatsuchendenDie Befunde und Ergebnisse zum aktivierenden Handeln der Case Manager des Fallsamples lassen insgesamt den Schluß zu, dass die Case Manager der Sozialagentur Duisburg nicht in der Rolle eines Mentors gehandelt haben: Sie haben sich weder primär am Bedarf der Ratsuchenden orientiert, noch sie zu einer an deren Vorstellungen angelehnten Problembearbeitung ermuntert und auf diesem Weg begleitet. Obwohl durchaus Ansätze in dieser Richtung zu erkennen sind, hat sich die Unterstützung der Case Manager an zentralen institutionellen Vorgaben der Sozialagentur ausgerichtet und in einer hoheitlich geprägten Zusammenarbeit mit den Ratsuchenden ausgedrückt. Die Case Manager haben ‚Aktivierung' letztlich als eine Aufgabe begriffen, um die Ratsuchenden auf die Erfüllung institutioneller Vorgaben auszurichten. Die damit einhergehende Funktionalisierung der Ratsuchenden hat es den Case Managern offenbar am ehesten gestattet, den an sie gerichteten institutionellen Auftrag erfolgversprechend zu bearbeiten. Nur in soweit als Vorstellungen der Ratsuchenden, sofern sie von ihnen überhaupt geäußert worden sind, zu dem von den Case Managern mehr oder weniger ausdrücklich vorgegebenem Unterstützungsrahmen passten, ist es zu einer punktuellen Förderung der Selbsthilfekräfte und der Selbstorganisation von Ratsuchenden gekommen. Dennoch kann insgesamt weder von einer Koproduktionsnoch von einer Dienstleistungsorientierung des aktivierenden Handelns der Case Manager im Fallsample der Sozialagentur Duisburg gesprochen werden. |
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